Aufwand und Kosten sind beträchtlich:

Chip: Testen und Prüfen über den Tod hinaus

09.11.1984

MÜNCHEN (pi) - Bauelemente der Elektronik durchlaufen während ihres gesamten Daseins eine Vielfalt von Test- und Prüfverfahren. In Begriffen aus dem menschlichen Leben ausgedrückt, bedeutet dies nicht allein Tests von der Wiege bis zur Bahre, sondern weitaus mehr. Sie erstrecken sich von frühen vorgeburtlichen Phasen bis möglicherweise über den Tod hinaus.

Dieser Prüfaufwand, der nach außen wenig bis gar nicht offenbar wird, verbürgt den guten Ruf heutiger Bauelemente. Angesichts ihrer Verwendung beispielsweise in sicherheitsrelevanten Einrichtungen könnten scheinbare Einsparungen bei Tests durchaus potenziert in Gestalt von Folgeschäden wiederkehren. Verminderter Aufwand kann somit im übertragenen und unter Umständen sogar im wörtlichen Sinn tödlich sein.

Weites Feld der Tests

Schon die "vorgeburtlichen" Tests repräsentieren ein weites Feld, das nicht einzig durch Materialuntersuchungen gekennzeichnet ist, die Aussagen in bezug auf die Tauglichkeit zur jeweiligen Fertigung liefern. So sind etwa die Züchtungs- und Reinigungs- sowie Dotierungsprozesse von Silizium-Einkristallen von Prüfungen begleitet, um Ausgangsmaterial für die Halbleiterherstellung in gleichbleibender Qualität, als mit gleichbleibenden Eigenschaften, verfügbar zu machen.

Die setzt sich bei der Weiterverarbeitung der Einkristalle zu Scheiben (Wafer) und deren Strukturierung in monolithische Halbleiterschaltungen entsprechend fort. Auf den Siliziumscheiben werden eigens zu Testzwecken spezielle Felder ausgebildet, die der Prüfung bestimmter Parameter nach den einzelnen Fertigungsschritten dienen.

Prozeß der Auslese

Ist der "vorgeburtliche" Testaufwand schon beträchtlich, darf man keineswegs folgern, daß damit bereits die "Geburt" gesunder Halbleiterschaltungen gesichert ist. Weitere Tests entscheiden vielmehr darüber, ob die entstandenen Schaltungen auch zu ihrer bestimmungsgemäßen Anwendung tauglich sind.

Dieser Prozeß bedeutet eine Auslese in bezug auf "gut" oder "schlecht" und wird durch die Ausbeute verwendbarer Schaltungen in Prozent der insgesamt gefertigten charakterisiert. Auch die Tests vor der Auslieferung an die Verwender - sie erfolgen teilweise im Rahmen von Gütebestätigungssystemen - und/oder deren Wareneingangsprüfung bedeuten noch keineswegs das Ende des Prüfaufwands am "neugeborenen" Bauelement.

Ausfälle werden erkennbar

Auf Leiterplatten oder Substraten in komplexe Schaltungsgebilde eingefügt, werden Bauelemente weiteren Tests unterzogen. Lötvorgänge, Einbrennmaßnahmen und künstliche Klimabeanspruchungen fördern Frühausfälle zutage und bedingen geeignete Prüfungen, die als Funktions- oder In-circuit-Tests bekannt sind. Während bei ersteren mit Funktionsprüfungen an Baugruppen mögliche Bauelementedefekte oder auch Fertigungsfehler aufgespürt werden sollen löst man zum selben Zweck bei letzeren bestimmte Schaltungsteile durch elektrische Abgrenzung für Prüfungen heraus.

Nachdem beide Testphilosophien zunächst Gegensätzlichkeiten auszudrücken schienen, zeichnet sich mittlerweile die gemischte Anwendung beider ab, um die Qualität von Produkten zu sichern, die auf der Verwendung von Bauelementen basieren.

So sind alle Bestrebungen bei der Fertigung von Produkten, die mehr oder weniger Bauelemente enthalten, auf den möglichst langen störungsfreien Betrieb gerichtet. Dies beweisen nicht zuletzt die vielfältigen Test- und Prüfverfahren, ohne deren Zuhilfenahme der heute schon fast als selbstverständlich erachtete Standard nie erreicht worden wäre.

Dennoch kann Qualität nicht in Bauelemente hineingeprüft werden; stets dienen entsprechende Maßnahmen dazu, Bauelemente unbefriedigender Qualität auszusondern sowie Erkenntnisse zu deren Verbesserung zu gewinnen. Diesem Zweck dienen auch Prüfungen über den "Tod" eines Bauelements hinaus, um gewissermaßen die "Todesursache" zu ergründen und Anregungen für die Fertigung verbesserter Bauelemente zu liefern.

Es sind Test- und Prüfverfahren in vielfältiger Form, die die Bauelemente der Elektronik bereits von der Zeit vor ihrer Fertigung bis weit über ihren bestimmungsgemäßen Einsatz hinaus begleiten. Sie sind unverzichtbar - nicht notwendiges Übel, sondern wichtiges Instrumentarium zur weitgehenden Verhinderung von Übeln.