Chinesen kaufen IBMs PC-Sparte

07.12.2004
IBM wird sein PC-Geschäft in ein neues Unternehmen überführen, an dem der größte chinesische PC-Anbieter Lenovo einen Mehrheitsanteil hält.

Das neu entstehende PC-Unternehmen wird seinen Hauptsitz in Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina haben. Dort befindet sich IBMs Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die PC-Division mit 2500 Mitarbeitern. Nach Informationen aus internen Kreisen werden diese Beschäftigten in die neue Firma wechseln. Lenovo zahlt für die Übernahme von IBMs PC-Geschäft bis zu zwei Milliarden Dollar. Zum Redaktionsschluss der computerwoche stand der Vertrag unmittelbar vor der Unterzeichnung.

Die Chinesen haben zur Finanzierung des Deals allerdings nur 400 Millionen Dollar an Barmitteln zur Verfügung. Die PC-Division von Big Blue wird zudem im Geschäftsjahr 2004 nicht sonderlich viel Gewinn abwerfen - in den ersten drei Quartalen lief ein Profit von rund 70 Millionen Dollar auf. Aus diesen Gründen gehen Insider davon aus, dass Lenovo neue Aktien ausgeben wird, um den Deal zu finanzieren.

IBM hält an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen den Plänen zufolge nur noch einen Minderheitsanteil. Dieser ist so gering, dass die Bilanz des IBM-Konzerns nicht mehr vom Umsatz und Gewinn oder Verlust des zu gründenden PC-Unternehmens berührt wird. Das bedeutet zwar, dass der gemessen am Gesamtergebnis des Konzerns sehr hohe Umsatzanteil der Personal Systems Group (PSG) - in den vergangenen drei Jahren pendelte er zwischen elf und zwölf Milliarden Dollar (siehe Grafik) - wegfällt. Allerdings entfallen auch die Verluste, die IBM hier in der Vergangenheit meistens angehäuft hatte. Auch in Zeiten, da IBM Gewinne mit seiner PC-Division erwirtschaftete (wie im laufenden Geschäftsjahr), waren diese Profits vernachlässigbar gering, die Marge entsprechend verschwindend klein. Analysten gehen deshalb davon aus, dass sich durch die Ausgliederung des PC-Geschäfts die Gewinnspanne des Konzerns deutlich erhöhen wird.

Nach Angaben von den Verhandlungen nahe stehenden Personen wird Lenovo die PCs des Gemeinschaftsunternehmens unter dem IBM-Logo und die Notebooks unter dem eingeführten "Thinkpad"-Warennamen verkaufen. IBM behält den Vertrieb und wird auch Service- und Finanzierungsmodelle anbieten - ein wichtiger Aspekt für den IT-Konzern, der mit diesem Pfund auch künftig um Dienstleistungs- und Outsourcing-Verträge werben kann.

Lenovo verspricht sich von dem Deal einen besseren Zugang zum weltweiten PC-Markt, IBM eine Öffnung des chinesischen Marktes für seine Server, Software und insbesondere seine Dienstleistungen.

Gerüchte, Big Blue werde sein PC-Geschäft abstoßen, gab es schon seit Jahren, denn dieses Produktsegment generiert nur minimale Gewinnmargen, meistens aber Verluste. Allerdings hatte sich im abgelaufenen dritten Quartal die Geschäftssituation bei PCs (Desktops, Notebooks etc.) verbessert. Das Unternehmen konnte in diesem Segment 3,3 Milliarden Dollar Umsatz und einen Gewinn von 54 Millionen Dollar erwirtschaften. Im Rumpfgeschäftsjahr 2004 (erstes bis drittes Quartal) erzielte Big Blue bei einem Umsatz von 9,252 Milliarden Dollar einen Gewinn von 70 Millionen Dollar. Nur im ersten Quartal schrieb der Computerkoloss dabei mit minus elf Millionen Dollar noch rote Zahlen.

Brian Gammage, Vice President Research bei Gartner, argumentiert, dass PCs für sich genommen für IBM nicht von großer Bedeutung seien. Aber als Antreiber weiterer Geschäfte bei Firmenkunden habe die Personal Systems Group sehr wohl Relevanz. Insofern gibt die Strategie Sinn, auch die PCs des neuen Unternehmens mit dem IBM-Logo zu versehen und für diese Produkte Dienstleistungen und Finanzierungshilfen anzubieten.

Kunden fordern Vertragstreue

Gammage betonte, dass IBM bei einem Verkauf der PC-Division natürlich auf solche Kunden ein besonderes Augenmerk haben müsse, die langfristige PC-Verträge von bis zu sechs Jahren mit dem Computerkonzern abgeschlossen haben. Diese Klientel fordere Bestandsschutz und Vertragstreue.

Der Gartner-Analyst sagte, IBM sei gezwungen, die fixen Kosten seiner PC-Division in variable zu wandeln. Unter diesem Aspekt sei etwa die komplette Auslagerung der PC-Produktion im Jahr 2002 an den kalifornischen Auftragsfertiger Sanmina-SCI zu sehen. Solche Deals hat Big Blue auch mit chinesischen Unternehmen getätigt. So lässt IBM im Reich der Mitte seit 1998 von der International Information Products Corp. (IIPC) unter anderem Notebooks zusammenbauen. Der chinesische Partner dieses Kooperationsunternehmens heißt Great Wall Computer. Heute fertigt die IBM selbst keine PCs mehr.

Die Personal Systems Group (PSG) ist in drei Produktsegmente unterteilt (siehe Kasten "Personal Systems Group"). Unter die PSG rubriziert IBM die Druckersparte, die Kassensysteme und die eigentliche PC-Division, die Personal Computing Division (PCD). Eine Quelle, die mit den Verhandlungen vertraut ist, sagte, die Sparten Kassensysteme und Drucker seien nicht Gegenstand der Verkaufspläne.

Palmisano räumt auf

Die Trennung von der PC-Einheit liegt auf der Linie der bisherigen Strategie von Firmenchef Samuel Palmisano. So, wie er die PC-Fertigung an Drittproduzenten abgab - IBM behält sich nur noch das Design und die Produktspezifizierungen vor - , stieß der IBM-Chef etwa auch das Massenspeichergeschäft an Hitachi ab.

Nicht nur hat Big Blue mit PCs weitgehend rote Zahlen geschrieben. Das Unternehmen verlor zudem an Marktanteilen. Der weltgrößte Computerkonzern liegt nach Zahlen der Marktforscher von Gartner mit einem weltweiten Anteil von lediglich 5,6 Prozent abgeschlagen auf Rang drei der PC-Anbieter. Branchenprimus ist der Direktan-bieter Dell mit einem Marktanteil von 16,8 Prozent. Hewlett-Packard folgt mit 15 Prozent auf Rang zwei. Hier schlägt nicht unwesentlich die Fusion mit der ehemaligen PC-Branchengröße Compaq zu Buche.

Palmisano konzentriert sich ganz im Sinn seines Vorgängers Louis Gerstner auf das Geschäft mit Dienstleistungen. Diese Unternehmenssparte erwirtschaftet mittlerweile fast 50 Prozent der gesamten Firmenumsätze. 2003 erzielte die Global Services Division Einnahmen von 45,5 Milliarden Dollar. Insgesamt erwirtschaftete IBM damals 89,1 Milliarden Dollar. Um sich im Servicegeschäft zu verstärken, hatte Big Blue im Oktober 2002 die Beratungssparte von Pricewaterhouse-Coopers für 3,5 Milliarden Dollar gekauft.