"Great Firewall"

Chinas Internetzensur löst Zerreißprobe im IOC und Proteste aus

31.07.2008
Die stillschweigende Billigung der chinesischen Internetzensur durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat zu einem Zerwürfnis unter den "Herren der Ringe" geführt.

Die Blockade chinakritischer Inhalte, die gegen bisherige Zusagen über freie Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Peking verstößt, löste am Donnerstag auch heftige Kritik von Sportfunktionären, Journalisten und Menschenrechtsgruppen aus. Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, forderte IOC-Präsident Jacques Rogge auf, ein "deutliches Wort" mit den Olympia-Organisatoren zu reden. Allerdings könnte der IOC-Präsident selbst die Internetzensur abgesegnet haben, wie der Chef der IOC-Pressekommission, Kevan Gosper, in Peking andeutete.

Es würde ihn wundern, wenn jemand diese Wende vollzogen habe, ohne Rogge "zumindest zu informieren", sagte Gosper, der sich übergangen fühlt. Dass sich die Regeln für die 25.000 Journalisten geändert hätten, will Gosper erst jetzt in Peking erfahren haben. "Das muss sich auf eine Übereinkunft beziehen, an der ich nicht beteiligt war", sagte Gosper. "Das ist mit Sicherheit nicht, was wir den internationalen Medien garantiert haben, und es widerspricht den normalen Bedingungen für die Berichterstattung von Olympischen Spielen." Die Entscheidung müsse auf "hoher Ebene" getroffen worden sein, sagte Gosper. Er fühle sich im IOC "ein bisschen isoliert".

Rogge selbst, der noch vor zwei Wochen "unzensierten" Zugang zum Internet versprochen hatte, wollte sich bei seiner Ankunft in Peking nicht äußern. Der IOC-Präsident sah sich mit Forderungen konfrontiert, die Zensur rückgängig zu machen. Der deutsche Chef de Mission, Vesper, sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Natürlich gehört zur Pressefreiheit auch die freie Recherchemöglichkeit. Und zu einer freien Recherche gehört heute auch der Zugang zum Internet. Deswegen muss das gewährleistet sein." Es sei Sache des IOC, dies mit den Pekinger Organisatoren zu regeln. Der Standard wie in Sydney und Athen müsse auch in Peking gelten. "Ich vertraue darauf, dass Jacques Rogge mit den Organisatoren noch mal deutliche Worte finden wird."

Während aber IOC-Sprecherin Sandrine Tonge herausfinden wollte, "was noch geändert werden kann", blieben die Organisatoren bei ihrer harten Linie. Gesperrte Webseiten seien nicht zugänglich, weil sie gegen chinesische Gesetze verstießen, sagte Sun Weide, Sprecher des Organisationskomitees (BOCOG). "Ich hoffe, dass die Presse die Regelungen der chinesischen Gesetze respektiert." Doch Journalisten und Menschenrechtsorganisationen sahen jetzt das IOC in der Pflicht, Chinas Haltung nicht hinzunehmen. Amnesty International gab dem IOC eine Mitverantwortung an der Internetzensur. Das höchste Sportgremium habe mit seiner stillen Diplomatie versagt, sagte die China-Expertin der deutschen Sektion, Verena Harpe, im rbb-Inforadio.

"Die Kontrollen widersprechen dem Umfeld, das die Gastgeber versprochen haben, und stehen im Gegensatz zu den Versicherungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dass die Presse wie bei früheren Spielen arbeiten kann", protestierte der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC). Kritisch äußerte sich auch die Tibet Initiative Deutschland: "Nachdem sich schon die Hoffnungen auf eine Verbesserung der Menschenrechte in China im Vorfeld der Spiele zerschlagen haben, zeigt sich nun, dass auch die Zusicherung der Pressefreiheit nicht ernst gemeint war."

Ihr Vorsitzender Wolfgang Grader nannte das Vorgehen des Pekinger Organisationskomitees und des IOC einen "weiteren Tiefschlag für die Menschenrechte und für die Olympische Idee." China habe erneut die olympische Norm verfehlt. "Wie sollen die Spiele eine Verbesserung der Menschenrechtslage bringen, wenn das IOC selbst während der Spiele die Werkzeuge des Totalitarismus blind akzeptiert?" (dpa/tc)