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Putschgerüchte in Peking

China zensiert Internet noch strenger

02.04.2012
China verschärft die Internetzensur: Nachdem im Netz Gerüchte über einen angeblichen Putschversuch in Peking aufgetaucht waren, kappte die Regierung kurzerhand den Zugang zu Dutzenden Seiten. Im Fokus steht der abgesägte Spitzenpolitiker Bo Xilai.

China hat Dutzende Internetseiten nach Gerüchten über politische Unruhen sowie einen angeblichen Putschversuch gesperrt. Zudem wurden sechs Menschen festgenommen, wie staatliche Medien am Samstag weiter meldeten. Zuvor war im Netz verbreitet worden, Militärfahrzeuge seien in die Hauptstadt Peking gerollt. Klare Anzeichen für eine ungewöhnliche Truppenbewegung in Peking lagen seit Beginn der Gerüchte in der vergangenen Woche aber nicht vor.

Hintergrund der verschärften Internetzensur ist ein Richtungs- und Machtkampf hinter den Kulissen der Kommunistischen Partei. Die Gerüchte über den vermeintlichen Putschversuch kamen auf, nachdem das Zentralkomitee einen Spitzenpolitiker Mitte des Monats abgesetzt hatte. Bo Xilai, Parteichef in der 32-Millionen-Metropole Chongqing, hatte bis zuletzt um einen Platz in der künftigen Führungsmannschaft des Landes gekämpft.

Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua zitierte einen Regierungssprecher, wonach die beiden beliebtesten Dienste für Kurznachrichten und Microblogs, Sina Weibo und Tencent QQ, wegen der Verbreitung politischer Gerüchte "kritisiert und bestraft" worden seien. Rund 200 Millionen der 500 Millionen Internetnutzer in China nutzen Schätzungen zufolge Kurznachrichtendienste wie Twitter.

Insgesamt wurden 16 Internetseiten gesperrt. Außerdem legten die Behörden die Kommentarfunktionen von Sina Weibo und Tencent QQ bis zum 3. April lahm, wie die Anbieter auf ihren Webseiten weiter mitteilten. Die "Säuberung" im Netz sei wegen der "ungesunden sozialen Auswirkungen der Gerüchte" angeordnet worden, teilte Tencent mit. Die Informationen seien "schädlich" und "illegal".

Der Sturz des neo-maoistischen Polit-Stars Bo Xilai gilt als Signal gegen einen linken Kurs der Partei: Regierungschef Wen Jiabao hatte Bos Anti-Reformhaltung kritisiert und gewarnt, ohne Reformen könne das Land in ein Chaos "wie in der Kulturrevolution" (1966-76) stürzen. Bo wird nachgesagt, viele Unterstützer in der Sicherheits- und Militärführung Chinas zu haben, darunter auch Zhou Yongkang - ein mächtiges Politbüromitglied, zuständig für den Sicherheitsapparat.

Im Internet waren auch Gerüchte um Bos Absetzung zu lesen. Der Polit-Thriller hatte im Februar mit der Flucht des als "Super-Bullen" bekanntgewordenen Polizeichef Wang Lijun in das amerikanische Konsulat in Chengdu begonnen. Es folgte eine diplomatische und politische Krise. Angeblich soll Wang Lijun um sein Leben gefürchtet und Asyl gesucht haben. Nach einer Nacht im Konsulat begab er sich in die Obhut der Pekinger Zentralregierung.

Wang Lijun hält den Gerüchten zufolge Belastungsmaterial gegen die Frau seines früheren Chefs, Bo Xilai. Demnach sei diese in den Tod eines Briten in der Provinz Chongqing im November verwickelt.

Ein Kommentar in der offiziellen Tageszeitung "People's Daily" rief die Chinesen am Samstag dazu auf, den "Lärm von Außen" zu ignorieren. Der berühmte chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Wei Wei twitterte am Samstag: "Politischer Wandel ist ein Gerücht, politische Reformen sind auch ein Gerücht."

Ironischerweise kaufen in letzter Zeit die großen US-Internetfirmen wie Google, Amazon, Microsoft oder Facebook ihre Internet-Hardware verstärkt in China (und Taiwan) ein und nicht mehr bei den früheren heimischen Platzhirschen wie Cisco und Juniper. "WIRED" berichtet über diesen Trend, der den Markt für Netzausrüstung vollkommen umkrempeln könnte, ausführlich in seiner Online-Ausgabe. (dpa/tc)