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"Behörden stellen sicher, dass sich kein Fenster für Meinungsfreiheit öffnet"

China: Trotz Zensur zweitgrößte Internetnation der Welt

15.01.2008
Von pte pte
China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, hat sich trotz einer scharfen Zensur von Medien und Internet zur zweitgrößten Internetnation entwickelt.

Nach der aktuellen Statistik des offiziellen China Network Information Center (CNNIC) nutzen im Juli 2007 rund 162 Millionen Chinesen das Internet. Das entspricht etwa der doppelten Einwohnerzahl Deutschlands. Auch Web-2.0-Anwendungen sind im Reich der Mitte sehr populär, wie kürzlich veröffentlichte Umfrageergebnisse des CNNIC belegen: Laut der Studie führen 47 Millionen chinesische Internetnutzer mindestens einen Weblog. Die Gesamtzahl der Blogs in China gibt das CNNIC mit knapp 73 Millionen an.

"China ist Weltmeister, was die Zensur im Internet betrifft", erläutert Elke Schäfter, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (ROG) Deutschland, im Gespräch mit pressetext. Vor jedem politischen Ereignis steigere die dortige Internet-Polzei ihre Aktivitäten. So seien im Vorfeld des Kongresses der Kommunistischen Partei im vergangenen Oktober rund 2.500 Internetseiten, Blogs und Foren gesperrt worden. "Die Zensur ist in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden. Die Behörden beobachten technische Neuerungen genau und stellen sicher, dass sich kein neues Fenster für Meinungsfreiheit öffnet", schildert Schäfter. Mittlerweile stehen auch Blogs und Video-Austausch-Seiten unter verschärfter Kontrolle.

Sehr beliebt unter Chinas Netz-Usern ist das Verfassen von Weblogs, die für Surfer zu einem wichtigen Informationskanal geworden sind. Die Wachstumsraten in diesem Bereich sind gigantisch: Waren Ende 2006 gerade mal 17,5 Millionen chinesische Blogger aktiv, sind es 2007 bereits an die 30 Millionen, die mit einem Blog experimentiert haben. Die Tendenz bleibt weiterhin steigend. So gaben elf Prozent der befragten Internetnutzer an, sie würden ganz sicher im nächsten halben Jahr ein eigenes Weblog starten. "Inhaltlich geht es in den Blogs aber nicht so sehr um politische Themen", stellt Schäfter fest. Vor allem Sport, Filmstars und Lifestyle-Fragen werden behandelt. "Weniger als ein Prozent der Blogs befassen sich unserer Einschätzung nach mit sozialen und politischen Fragen", ergänzt die ROG-Geschäftsführerin.

Das Internet ist in China seit 1995 zur kommerziellen Nutzung freigegeben. Gleichzeitig ist das Regime von Anfang an darum bemüht gewesen, den freien Zugang zum Informations- und Kommunikationsangebot des weltweiten Netzes zu kontrollieren. Aufgrund enormer Zuwachsraten bei der Internetnutzung und einer dadurch immer unübersichtlicher werdenden Situation, erließ die chinesische Regierung im Februar 1996 die "Bestimmungen zur Kontrolle des Internets". Seitdem durchlaufen alle Inhalte aus dem Internet in China einen Zensurfilter der nationalen Gesetzgebung. Da die Regierung die Netzwerkknoten ins Ausland kontrolliert, ist es ihr möglich, bestimmte unerwünschte Adressen und Inhalte zu sperren. Im August 2004 entdeckten chinesische Hacker eine Liste mit über 1.000 gesperrten Wörtern und veröffentlichten sie anschließend im Internet. Die darin enthaltenen Begriffe beziehen sich etwa auf die in China verbotene Falun Gong Sekte, Anti-Korruption oder Demokratisierung. (pte)