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China legt seine Neue Wirtschaft an die Kette

04.10.2000
Zensur und wirtschaftliche Sanktionen

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die real existierenden Sozialisten in der Regierung der Volksrepublik China machen ernst mit der Kontrolle des staatlichen Internet: In der Tageszeitung "Xinhua Daily Telegraph" wurden am vergangenen Montag drakonische Auflagen für die Internet-Wirtschaft des Landes veröffentlicht, die der Staatsrat vor zwei Wochen abgesegnet hatte. Diese sehen sowohl zahlreiche Kontroll- und Zensurregelungen wie auch die Beschränkung ausländischer Finanzierung vor.

Im Detail sieht die Zensur so aus:

Content-Anbieter müssen die auf ihren Seiten veröffentlichten Informationen samt Zeitpunkt der Veröffentlichung protokollieren und alle illegalen Inhalte den Strafverfolgungsbehörden melden.

Konkret verboten sind beispielsweise die "Gefährdung der ethnischen Einheit" (Euphemismus für Unterstützung der Unabhängigkeit des okkupierten Tibet) sowie die "Unterstützung von Kulten" (= Berichterstattung über die Religionsgemeinschaft Falung Gong). Andere Zensurbestimmung sind allgemeiner gehalten und untersagen etwa "Verbreitung von Gerüchten", das "Untergraben der sozialen Sicherheit" oder Glücksspiel und Pornografie.

ISPs (Internet Service Provider) sind verpflichtet, über die Nutzungsdaten ihrer Kunden (Online-Zeit, Account-Daten, Internet-Adressen, Telefonnummern) Buch zu führen. Sie müssen die erfassten Daten 60 Tage lang vorhalten und bei Bedarf der Polizei zur Verfügung stellen.

Ferner haben alle Unternehmen, die im Bereich Internet tätig sind, binnen 60 Tagen beim Ministerium für die Informationsindustrie (MII) eine offizielle Lizenz zu beantragen. Ohne diese drohen Strafen bis hin zur Schließung. Die Lizenz ist Voraussetzung für Investitionen aus dem Ausland, Kooperationen mit ausländischen Anbietern sowie das Listing von Aktien an ausländischen Börsenplätzen. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung zunächst jegliche internationale Beteiligung verboten. Die entsprechende Regelung wurde aber nie wirklich umgesetzt, weil fast alle chinesischen Sites mehrheitlich aus dem Ausland finanziert sind. Beobachter vermuten, dass Risikokapitalisten und Medienkonzerne bereits über eine Milliarde Dollar in chinesische Dotcoms investiert haben.

Die Regierung hat allerdings bereits zugesagt, dass mit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) ausländische Investoren maximal 49 Prozent an chinesischen Unternehmen erwerben dürfen, zwei Jahre nach dem Beitritt dann 50 Prozent. Es könnten allerdings noch Monate vergehen, bevor China WTO-Mitglied wird.