China: Keine Anschlüsse während Olympia

15.04.2008
Für die Zeit der Olympischen Spiele sollten sich Unternehmen in China auf gestörte und weiterhin stark überwachte Kommunikation einstellen.

Für China stellen die Olympischen Spiele eine besondere Gelegenheit dar: Selten erhält das Land eine solche Chance, sich in der Weltöffentlichkeit als moderner Wirtschaftsstandort zu präsentieren. Doch hinter den Kulissen hapert es zum Teil mächtig. So leidet im Vorfeld der Spiele die Kommunikationsinfrastruktur wie berichtet unter Engpässen.

Selbst Unternehmenskunden können, wie Richard Moss, General Manager bei British Telecom, bestätigt, fünf Monate lang nicht mit Neuanschlüsse oder Netzveränderungen rechnen. Die beiden Carrier China Telecom und China Netcom - sie spielen dort eine marktbeherrschende Rolle wie die Telekom in Deutschland - wollen ab Ende Mai für diese Zeit eine frozen period ausrufen. Auch andere Quellen gehen davon aus, dass die beiden Carrier dann vor allem damit beschäftigt sein werden, genügend Netzkapazitäten für die Übertragungen von den Wettkampfstätten bereitzustellen. Allerdings werden wahrscheinlich nicht nur Aufträge liegen bleiben. Unternehmen sollten sich auch darauf einstellen, dass im Fehlerfall eine Entstörung länger dauert als üblich. Wenn sich in dem Riesenreich die Techniker auf die Olympia-Standorte konzentrieren, um dort einen reibungslosen Netzbetrieb zu gewährleisten, dürften die Fachkräfte in den Provinzen vor Ort fehlen.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen, so BT-Mann Moss, die Olympischen Spiele als Risiko in ihr Business-Continuity-Management aufnehmen. Auf der Suche nach geeigneten Notfallplänen stehen professionelle Anwender laut Ingo Wupper, Solutions Manager beim virtuellen Netzbetreiber Vanco, vor einem weiteren Problem: Satellitensysteme fallen wegen ihrer großen Latenzzeiten als Backup-System zur Steuerung von Produktivanlagen aus. Und die Mobilfunknetze taugen in China als Notlösung auch nicht, denn anders als in Europa sind UMTS oder das schnellere HSDPA praktisch nicht vorhanden.

Neben der frozen period droht Unternehmen eventuell weiteres Ungemach: Angesichts der weltweiten Proteste gegen das chinesische Regime zensiert China Protestbilder rigoros und kontrolliert das Internet in erschreckendem Ausmaß. Experten werfen deshalb die Frage auf, inwieweit die elektronischen Kommunikationsmittel - gleichzeitig die Lebensadern der globalen Wirtschaft - während der Olympischen Spiele reibungslos funktionieren werden. Bereits im Vorfeld der Spiele ständen Unternehmen - chinesische ebenso wie die Niederlassungen ausländischer Firmen - unter genauer Beobachtung stünden. Mehr als 30 000 chinesische Internet-Polizisten würden das Netz überwachen, um virtuelle Verstöße von Regimegegnern zu ahnden.

Westliche Firmen mit Produktionsstandorten in Fernost, die mangels anderer Infrastrukturalternativen über das Internet kommunizieren, befürchten deshalb, dass sie unter dem Deckmantel der "nationalen Sicherheit" massiven Lauschangriffen ausgesetzt sind. Laut BT-Manager Moss unterliegt in China zudem die Übertragung von verschlüsselten Daten via Internet nicht näher bezeichneten Restriktionen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass die Regierung selbst auf diese Informationen Zugriff habe. Unisono empfehlen BT und Vanco Unternehmen deshalb alternative Übertragungswege wie VPNs. Vanco-Manager Wupper warnt in diesem Kontext jedoch vor einem Trugschluss: "Nicht jedes VPN ist automatisch sicher, hier spielt die Schlüssellänge eine entscheidende Rolle." Experten gehen davon aus, dass sich verschlüsselte Daten durchaus knacken lassen, wenn genügend Rechen-Power zur Verfügung steht. Und hier liegt der Knackpunkt: Niemand weiß genau, über wie viel Rechenkraft die jeweiligen Dienste verfügen. Deshalb sollten Unternehmen laut Wupper nicht nur auf sichere Algorithmen achten, sondern auch möglichst lange Schlüssel einsetzen. Landeskenner wollen jedoch wissen, dass die Firmen die Art der verwendeten Verschlüsselung sowie die Schlüssellänge den Behörden melden müssen. Eventuell sei es dann möglich, dass chinesische staatliche Stellen Unternehmen zur Verwendung eines anderen Verfahrens drängten. (hi)