Ein viel versprechender Markt für deutsche Hightech-Firmen

China auf dem Marsch zur IT-Großmacht

05.09.2003
China will in wenigen Jahren auf den Märkten für Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) konkurrenzfähig werden und das Exportgeschäft weiter ankurbeln. Der boomende chinesische Markt bietet derzeit den Global Playern, aber auch dem Mittelstand zahlreiche Chancen. Von Roland Klein und Mathias Weber*

Das Beispiel der chinesischen Softwareindustrie illustriert, welche Anstrengungen China bei seinem forcierten Wandel vom Entwicklungsland zur Hightech-Großmacht unternimmt. Die Umsätze der chinesischen Softwareindustrie stiegen nach offiziellen Angaben in den Jahren 1999 bis 2001 von 4,74 Milliarden Euro auf 8,56 Milliarden Euro, wobei sich die Exporte von 230 auf 650 Millionen Euro erhöhten - ein hohes Wachstum auf niedrigem Niveau.

Nach Einschätzung von Andreas Hube, Marketing-Direktor von SAP China, ist der Softwaremarkt extrem fragmentiert. Mehr als ein Drittel des gesamten ERP-Marktes werde von zahlreichen Kleinstanbietern bedient. "Es wird noch etliche Jahre dauern, bis sie den zunehmenden industriespezifischen und internationalen Anforderungen größerer Kunden gerecht werden können." Die mangelnde Reife des Marktes drücke sich auch in der geringen Bereitschaft aus, in Software zu investieren und für Services zu bezahlen. "Bei Hardware, die man anfassen und vorzeigen kann, ist das etwas anderes.", ergänzt Hube. Nur langsam ließen sich hier Fortschritt beobachten. Die letzte Verständnishürde hätten die Systemintegratoren und IT-Beratungsanbieter zu nehmen: "Der Aufwand einer Systemimplementierung wird als kostenloser Kundenservice erwartet."

Nach offiziellen Angaben verfügt das bevölkerungsreichste Land der Welt über 6282 Softwarehäuser mit rund 300000 Software-Ingenieuren. Der aktuelle Fünfjahresplan sieht bis 2005 ein jährliches Wachstum der Software- und IT-Industrie von mehr als 30 Prozent vor. Solche wirtschaftlichen Zielvorgaben sind jedoch, wie überhaupt offizielles chinesisches Zahlenmaterial, mit Vorsicht zu behandeln. Das staatliche Informationsministerium ließ etwa verlauten, dass der Gesamtumsatz bis 2005 die Marke von 250 Milliarden Yuan (rund 27 Milliarden Euro) überschreiten soll und der Anteil der in China produzierten Software am Gesamtumsatz in dieser Zeit von 48 auf 63 Prozent steige. 100 eigene Softwareprodukte gehören ebenso zu den proklamierten Zielen wie die Aus- und Weiterbildung von 800000 Software-Experten.

Spätestens seit den 90er Jahren ist das Riesenreich im Visier der Global Player, die sich strategische Positionen und vor allem den Zugriff auf das kreative Potenzial des Landes sichern. "Für uns ist China nach den USA und Deutschland zur Nummer drei aufgestiegen", erklärt Dietmar Dauphin, Deputy Director International Operations Asia/Australia bei Siemens.

Jeder will investieren

Auch für SAP wird China vor allem als Absatzmarkt immer interessanter. Eigenen Angaben zufolge sind mehr als 70 Prozent der SAP-Kunden lokale Unternehmen, mit einem auffallend starken und zunehmenden Anteil an Staatsunternehmen. Jui Shangling, Manager im SAP Development Center China, erklärt, man sei maßgeblich mit der Entwicklung von Kernprodukten für den internationalen Markt beschäftigt. Zugleich nähmen Mittelstandslösungen für den chinesischen Markt eine immer wichtigere Rolle ein. Dazu habe SAP innerhalb dieses Jahres die Softwareentwicklungskapazitäten in China verdoppelt. "Das Leistungsspektrum der chinesischen Software-Ingenieure hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert und steht dem westlicher Software-Entwickler in nichts nach", meint der Manager.

Auch die Investitionen von Microsoft in China sprechen Bände: Ein kürzlich mit der staatlichen Planungs- und Entwicklungskommission unterzeichnetes Memorandum sieht innerhalb von drei Jahren Investitionen in Höhe von 750 Millionen Dollar vor. Damit bestätigt Microsoft sein starkes Interesse am chinesischen Markt, herrschte doch vorher Irritation, in welchem Maße China Open-Source-Software fördern oder gar vorschreiben würde.

Diese zunehmende Attraktivität Chinas und die Marktchancen, die sich aus Großprojekten wie der Expo 2010 in Shanghai oder den Olympischen Spielen 2008 in Peking ergeben, beflügeln auch die deutsch-chinesische Zusammenarbeit. So stehen die Veranstalter der Olympischen Spiele vor der komplexen Aufgabe, Millionen fremdsprachiger Gäste in der Stadt mit einem hohen und sehr unterschiedlichen Informationsbedarf zufrieden zu stellen. Dazu hat man sich Know-how aus Deutschland geholt. "Wir stehen vor der Herausforderung, verschiedenen Nutzergruppen mit ihren individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden", erklärt Professor Herbert Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST). Sein Institut hat zusammen mit dem Institut für Computertechnologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ein chinesisch-deutsches Labor für Softwareintegration gegründet. "Hier entwickeln hoch qualifizierte Ingenieure und Softwareexperten aus China und Deutschland gemeinsam die standardisierte Web-Infrastruktur FLAME 2008, die die Integration einer Vielzahl von Diensten ermöglicht", erläutert Weber.

Trotz der erfreulichen Signale darf man jedoch nicht vergessen, dass der chinesische Staat alle Hebel zur Steuerung der Wirtschaft in der Hand hat. Das Beispiel Microsoft lehrt: Wer sich in Chinas ITK-Industrie engagiert, muss sich mit den maßgeblichen und nicht selten personell miteinander verquickten Institutionen auseinandersetzen.

40000 IT-Absolventen pro Jahr

Als sehr erfolgreiche staatliche Infrastrukturmaßnahmen haben sich die Softwareparks erwiesen; hier konzentrieren sich mehr als 80 Prozent der Softwareentwicklung. Die IT-Ausbildung wird forciert und an den Erfordernissen des Weltmarktes ausgerichtet. "Die Qualität der Abschlüsse hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen" stellt Professor Hu Kunshan von der China Industry Software Association (CSIA) fest. "Die Zeiten, an denen die Universitäten an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei ausgebildet haben, sind vorüber." Jährlich würden etwa 40000 IT-Absolventen der Branche zugeführt und für internationale Kooperationen fit gemacht.

Gerade deutsche ITK-Unternehmen gelten in China als bevorzugte Kooperationspartner. "Unser Interesse an der Zusammenarbeit mit Deutschland ist groß, da sie von deutscher Seite auf Langfristigkeit ausgerichtet ist", bekräftigt Zhao Wenzhi, Direktor im Ministerium für die Informationsindustrie. Malte Barth China-Experte bei Skillnet Consulting fügt hinzu: "Wir sehen immer wieder, dass deutsche Firmen speziell im Vergleich zu US-amerikanschen Wettbewerbern in China ein hohes Ansehen genießen. Diesen strategischen Vorteil gilt es stärker zu nutzen."

Interkulturelle Hürden

Zurzeit entwickelt sich die Zusammenarbeit noch eher verhalten. Ein Grund hierfür mag sein, dass die chinesischen Unternehmen nicht nur geographisch, sondern auch kulturell weit von Deutschland entfernt liegen. In der Tat sind die interkulturellen Hürden bei der deutsch-chinesischen Projektabwicklung nicht zu unterschätzen. Verhandlungsführung, die Strukturierung von Informationen und das allgemeine Verständnis von Geschäftsbeziehungen unterscheiden sich erheblich. Diese Probleme sind aber lösbar, wie Erfahrungsberichte deutscher Mittelständler zeigen.

Die Display of Chinese Characters GmbH aus Hannover arbeitete bereits erfolgreich auf dem chinesischen Markt. Geschäftsführer Klaus Witzenhausen hat umfassende Erfahrungen bei der Lokalisierung elektronischer Produkte für China sammeln können. Ähnlich will Oliver Winzenried, Vorstand der Wibu-Systems AG aus Karlsruhe, die Marktchancen anpacken: "Wir sind seit 2002 in China engagiert und haben aufgrund des hohen Marktbedarfs für Digital-Rights-Management-(DRM-)Lösungen ein eigenes Büro in Shanghai gegründet." Mittelfristig hofft er, mindestens 30 Prozent seines Umsatzes in China erzielen zu können. Auch wenn es zweifellos ein Risiko darstellt, in China zu investieren, wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer bestätigt. Noch größer sei jedoch das Risiko, dies zu unterlassen. (gh)

*Roland Klein ist Geschäftsführer der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung e.V. in Köln. Matthias Weber ist Bereichsleiter ITK-Services und Knowledge-Management beim Bitkom in Berlin.

Starke Resonanz für CeBIT Asia

Zwischen dem 18. und 21. September öffnet die CeBIT Asia zum dritten mal ihre Pforten. Ausstellungsort ist das New International Expo Centre in der chinesischen Hafenstadt Shanghai. Da Chinas Regierung wegen der Lungenkrankheit Sars eine Sperre für Großveranstaltungen erteilt hatte, war es bis vor wenigen Wochen noch unklar, ob die Messe überhaupt stattfinden kann. Mittlerweile sei jedoch das wirtschaftliche Leben in China wieder zur Normalität zurückgekehrt, die Zahl der Anmeldungen stieg sprunghaft. Ganz spurlos wird die Krise dennoch nicht an dem Event vorbeigehen. Wie die Hannover Fairs China Ltd., eine Tochtergesellschaft der Deutsche Messe AG, berichtet, haben sich bislang rund 400 Unternehmen angemeldet, die sich und ihre Produkte auf rund 23000 Ausstellungsfläche präsentieren. Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei zirka 540 Ausstellern.

Außerdem findet am 23. und 24. September in Hong Kong ein chinesisch-deutsches Wirtschaftsforum für Unternehmen der ITK-Branche statt. Ziel ist es, den Markteintritt zu erleichtern und Kontakte auszubauen. Interessierten deutschen Unternehmen steht die Teilnahme weiterhin offen.