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Gedruckte Elektronik

Chemnitzer Startup: Papier ist nicht mehr geduldig

14.04.2008
Von Handelsblatt 
Das Chemnitzer Unternehmen Printed Systems will mit einer neuen Generation digitaler Datenspeicher die Druckindustrie revolutionieren. Die Firma erhofft sich von der neuen Technik einen Milliardenmarkt - auch wenn die gedruckte Elektronik noch nicht in allen Bereichen konkurrenzfähig ist.

In der Fantasywelt von Harry Potter gibt es sie bereits: die sprechende Zeitung. Fotos sind beweglich, Moderatoren erklären aktuelle Themen. Was derzeit noch Fiktion ist, soll bald auch in der realen Welt zu sehen sein. Möglich machen will dies das Chemnitzer Unternehmen Printed Systems. Die Firma hat eine neue Generation von Datenspeichern entwickelt, die sich in Serienfertigung auf Papier aufdrucken lassen. Die Entwickler des Spin-Offs des Instituts für Print- und Medientechnik der TU Chemnitz versprechen sich von ihrer Technik ein neues Zeitalter der Druckindustrie. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Schaltkreise aus elektrisch aktiven Kunststoffen zwischen zwei Papierschichten drucken können, so dass dabei digitale Datenspeicher entstehen. "Schon heute können wir auf diese Weise in unserem Werk in Chemnitz täglich mehrere Millionen Datenträger herstellen", sagt Andreas Ehrle, Geschäftsführer von Printed Systems.

Die gedruckten Schichten sind so dünn wie herkömmliche Druckfarbe. Ein Hersteller kann so Papier zusätzlich von außen mit Text und Motiven bedrucken. Als erste Produkte hat die Chemnitzer Firma elektronische Spielkarten und gedruckte Papiertastaturen entwickelt. Als nächstes will Manager Ehrle ins Dialogmarketing einsteigen. Die gedruckte Elektronik soll Kunden stärker an Unternehmen binden. Auf dem Datenträger ist die Internetadresse des Unternehmens gespeichert. Sie führt den Kunden über ein kleines Lesegerät, das dieser per USB-Stecker mit dem Internet-PC verbindet, auf eine spezielle Webseite des Unternehmens. Hier kann sich der Kunde je nach Marketingaktion Gutscheine ausdrucken, Rabatte nutzen oder die Berechtigung zum Download von Filmen oder Musikstücken bekommen. Der Vorteil: Jede Karte ist mit einem Code programmierbar, wodurch eine eindeutige Identifizierung möglich ist.

Nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens IDTechex wird der Weltmarkt für gedruckte Elektronik von derzeit knapp 1,2 Milliarden auf mehr als fünf Milliarden Dollar im Jahr 2011 steigen. 2027 soll der Umsatz gar die Marke von 300 Milliarden Dollar durchbrechen. Auch Ehrle ist optimistisch: Er will die zwanzigköpfige Belegschaft in diesem Jahr "erheblich aufstocken" und den Umsatz von 1,2 Millionen Euro im vergangenen Jahr vervielfachen.

Doch es gibt auch Skeptiker: Forscher wie Edgar Dörsam, Professor für Drucktechnik an der Technischen Universität Darmstadt, bezweifelt, dass die Hersteller von Papierelektronik ihre ehrgeizigen Ziele so schnell erreichen werden. Viele Visionen seien noch weit entfernte Zukunftsmusik, sagt Dörsam. "Wir haben schon einiges erreicht, aber bislang fehlt noch die richtige Idee für ein umsatzträchtiges Massenprodukt." Ein weiteres Problem ist das Material. Papier, wie es Printed Systems nutzt, hat seine Grenzen. Zwar ist es billiger als Kunststoff, was die Massenproduktion erleichtert. Aber es hat einen erheblichen Nachteil: Die Oberfläche ist rau. Das macht das Aufdrucken von sehr kleinen Strukturen wie Transistorschaltungen schwierig. Für Solarzellen oder hoch auflösende Bildschirme eignet sich Papier kaum.

Von Kunststoffoberflächen - auch wenn deren Herstellung noch teuer ist - erwartet sich die Industrie hingegen ein großes Geschäft. Siemens und die Leonhard Kurz Stiftung haben bereits 2003 das Joint-Venture PolyIC gegründet. Mit Industriepartnern wie BASF und Evonik entwickelt das Unternehmen im Verbundprojekt "Madrix" derzeit gedruckte RFID-Funketiketten. Damit kennzeichnen beispielsweise Lebensmittelhersteller ihre Waren im Supermarkt. Heute übliche Etiketten enthalten Siliziumchips, deren Produktion dadurch im Vergleich zur Drucktechnik teuer ist.

RFID-Etiketten sind derzeit aber nur ein Projekt, an dem die Industrie arbeitet. Die gedruckte Elektronik soll eines Tages die Herstellung von Displays, Sensoren und Solarzellen ersetzen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg: Für RFID-Tags beispielsweise reichen Hunderte bis einige Tausend Transistoren auf einer Oberfläche. Bei Displays können es hingegen sogar mehrere Millionen sein. Dafür sei ein komplettes Neudesign von Druckprozessen nötig, sagt Peter Eckerle, Projektleiter bei BASF Future Business. "Bislang werden die Herausforderungen noch unterschätzt. Derzeit sind wir noch weit davon entfernt, diese Anforderungen in der erforderlichen Qualität mit wirtschaftlichen Ausbeuten zu erfüllen", sagt der Projektleiter.

Bei manchen Anwendungen, die nicht mit dem Stromnetz verbunden sind, ist die Technik schon heute fast konkurrenzfähig. Ein Beispiel sind Handy-Ladegeräte - der Besitzer könnte eine gedruckte Solarzelle einfach im Sonnenlicht ausrollen und sein Mobiltelefon aufladen. Erste Produktionen gibt es bereits: Das amerikanische Unternehmen Konarka arbeitet an einer neuen Generation von Folien-Energiezellen, die Handys und Laptops mit Strom versorgen sollen. Zusammen mit dem Hersteller G24I hat Konarka eine Fabrik in Wales aufgebaut. Auch im brandenburgischen Luckenwalde ist die reale Welt ein wenig näher an das Reich von Harry Potter gerückt. Dort setzt das US-Unternehmen Nanosolar auf ein Druckverfahren für Solarmodule, die nur ein Hundertstel so dick sind, wie herkömmliche Silizium-Solarzellen.