Speichermarkt tendiert zur Miniaturisierung:

Chemie garantiert die Datenkonsistenz

17.01.1986

LUDWIGSHAFEN - Ohne das entsprechende Speichermedium taugt der beste Computer nicht viel. Als Selbstverständlichkeit wird es deshalb angesehen, daß die bearbeiteten Daten auf Platten, Disketten oder Bändern zur Verfügung stehen. Welcher Aufwand allerdings hinter der Erstellung dieser absolut notwendigen Hilfsmittel steht, beschreibt Horst Dönicke, Pressesprecher der BASF-Datentechnik, in seinem Beitrag.

Für magnetische Speichermedien werden die Anwender in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1986 mehr als eine halbe Milliarde Mark aufwenden. Prozentual am stärksten wächst der Markt bei Computerbandkassetten für das IBM-Laufwerk 3480. Diese sind allerdings erst seit Anfang 1985 verfügbar; die Steigerung in 1986 baut auf noch bescheidenen Stückzahlen in 1985 auf. Ein weiteres abgeflachtes Wachstum wird der Markt für Disketten aufweisen. Prozentual am stärksten könnte hier die 3,5-Zoll-Mikro-Diskette zulegen. Dies hängt allerdings stark von der Einführung und dem erfolgreichen Verkauf der mit entsprechenden Laufwerken ausgestatteten Mikrocomputer ab. Der Spitzenreiter im Diskettenmarkt bleibt weiterhin vorerst die zweiseitige 5,25-Zoll-Mini-Diskette mit doppelter Aufzeichnungsdichte. Das Marktvolumen für 8-Zoll-Floppies wird voraussichtlich nicht weiter steigen. Innerhalb der 5,25-Zoll-Version verlieren vorformatierte beziehungsweise vorinitialisierte Disketten zunehmend an Bedeutung, weil die Anwender moderner Systeme ihre neuerworbenen Floppies selbst initialisieren und formatieren können.

Vormatierte Disketten verlieren an Bedeutung

Im Jahr 1985 hatte der Markt steigende Stückzahlen von Computerband verlangt. Die weitere Entwicklung wird durch das Maß der Umstellungen von herkömmlichen Bandarchiven auf das neue Kassettensystem bestimmt. In der Anwendung wird sich das Spulenband noch auf Jahre hinaus behaupten, nicht nur beim Datenträgeraustausch.

Alle derzeit verwendeten magnetischen Datenträger haben einen vergleichbaren Schichtaufbau. Ein flexibles oder festes Trägermaterial wird mit einem magnetisierbaren Material beschichtet. Dies gilt sowohl für Datenmedien als auch für die Bild- und Tonaufzeichnung bei Video- und Audiobändern.

Herkömmliche Computerbänder Disketten, Audio- und Videobänder bestehen aus Polyesterfolie, die mit Magnetdispersion beschichtet wird. Die Dispersion besteht zum Zeitpunkt des Aufgießens aus Magnetpigmenten, Bindelack und Lösungsmitteln sowie Zusatzstoffen. Als Magnetpigmente kommen beim Computerband sowie den Audio- und Videobändern Eisenoxide oder Chromdioxide in Frage.

Disketten werden nach dem heutigen Stand der Laufwerkstechnik mit Eisenoxid oder kobaltdotiertem Eisenoxid für besonders hohe Aufzeichnungsdichte beschichtet. Die Diskette ist das einzige flexible magnetische Speichermedium, von dem es sowohl einseitig nutzbare als auch doppelseitige Versionen gibt. Alle übrigen flexiblen Speichermedien werden auf einer Seite benutzt, können jedoch aus Gründen der Laufeigenschaften rückseitenbeschichtet sein.

Das starre Speichermedium Magnetplatte besteht aus einer Aluminiumscheibe mit beidseitiger magnetischer Beschichtung. Bisher kommt als Magnetpigment Eisenoxid und kobaltdotiertes Eisenoxid in Frage. Das Auftragen erfolgt mit feinsten Sprühdüsen. Platten modernster Technologie (Dünnfilmplatten) werden dagegen mit Nickel, Phosphor und Kobalt in einem chemischen Bad oder durch einen Sputter-Prozeß beschichtet.

Das vielerwähnte Bindemittel, auch Lack genannt, hat die Aufgabe, das magnetisierbare Pigment auf dem Trägermaterial festzuhalten. Bei Datenträgern, die mit dem Schreib-/Lesekopf in Berührung kommen - beispielsweise Computerband und Diskette - bestimmt der Lack auch die Gleiteigenschaften. Sowohl die Lebensdauer als auch die möglicherweise auftretende Verschmutzung von Medium und Kopf werden durch die Beschichtungsqualität bestimmt.

Bei der chemischen Herstellung von magnetischem Eisenoxid geht zum Beispiel die BASF von einem Eisen-II-Salz und Natronlauge aus. An Fällungs- und Kristallisationsprozesse schließen sich Filtrier-, Wasch- und Trockenvorgänge an.

Das so erhaltene kristalline Eisenoxidhydrat wird entwässert und durch Zuführen von Wasserstoff reduziert - so entsteht Magnetit, welches durch Oxidation zu Maghaemit, dem gewünschten Magnetpigment, umgewandelt wird. Für dessen Qualität ist ausschlaggebend, wie gut es gelingt, Wachstum und Struktur der Eisenoxidkristalle zu steuern sowie strukturschonend zur gewünschten gleichmäßigen Partikelgröße zu mahlen.

Die nadelförmigen Partikel des Eisenoxid-Magnetpigmentes sind weniger als 1/1000 Millimeter lang. Zur Erhöhung der Remanenz können sie mit Kobalt dotiert werden. Zur Steigerung von Aufzeichnungsdichte und -qualität bei flexiblen Medien ist jedoch Chromdioxid besser geeignet.

DuPont und die BASF Aktiengesellschaft zählen sich zu den führenden Herstellern von Chromdioxid. Chromdioxidpartikel sind nur etwa ein Drittel so groß wie Eisenoxidteilchen. Maßgeblich für hervorragende magnetische Eigenschaften ist die gleichmäßige Nadelform. 3000 dieser Nadeln, der Länge nach nebeneinandergelegt, ergeben die Strecke von 1 Millimeter.

Bei der Produktion wird das Wachstum der Nadel durch den Zusatz anderer Metalle gesteuert und so das Länge/Dicke-Verhältnis variiert. Das gewünschte Verhältnis beträgt 1 zu 10. Die Chromdioxidherstellung unterteilt sich in fünf Stufen.

Zu Beginn werden die beiden Chemikalien Chromsäure und Chromgrün mit einem Dotierungsmittel gemischt. Die Homogenität der so entstandenen Maische bestimmt die späteren magnetischen Eigenschaften. Sie wird deshalb besonders gründlich mit Abstrichtests überprüft.

In einem Hochdruckreaktor entsteht aus Chromsäure und Chromgrün bei 350 Grad Celsius Temperatur und 360 Bar Überdruck Chromdioxid. Über den mikroprozessorgesteuerten Reaktionszyklus können bestimmte Pigment-Eigenschaften vorherbestimmt werden. Nach dem Reaktionsvorgang liegt das Chromdioxid als steinharte Masse vor. Als letzte Stufe des anschließenden Verkleinerungsvorgangs werden in großen Naßmühlen die Chromdioxid-Agglomerate aufgeteilt, ohne dabei die Einzelnadeln zu brechen.

Die Herstellung des Lackes -bei BASF auf Basis Polyurethan - in ebenso qualitätsbestimmend. Die d(...) bei eingesetzten organischen Lösungsmittel werden nach den Beschichtungen zurückgewonnen.

Bevor der Beschichtungsvorgang bei flexiblen Datenträgern beginnen kann, wird die Trägerfolie auf ihre mechanische Beschaffenheit geprüft, gereinigt und von statische Aufladungen befreit.

Beim bis zu 48 Stunden währender Dispergieren der zunächst flüssigen Magnetdispersion wird das Pigment dem flüssigen Lack in Kugelmühle beigemischt. Das besondere Know-how dieses Dispergiervorgangs besteht in der Konstruktion der Mühlen und der Wahl des Benetzungsmittels. Die Kristallnadeln müssen möglichst gleichmäßig und fein im Lack verteilt sein. Wichtig ist dabei, die einzelnen Pigmente nicht zu zermahlen.

Die je nach Verwendungszweck 0,02 bis 0,1 Millimeter dicke Polyesterfolie, die inzwischen zur Sicherung einer hohen Lebensdauer auch auf Reiß- und Dehnfestigkeit sowie Temperaturstabilität geprüft wurde läuft in der Beschichtungsanlage zunächst durch eine weitere Stufe die Vorbehandlung.

Je geringer die Toleranzen desto besser die Qualität

In ihr wird zur besseren Haftung der Magnetschicht ein organisches Lösungsmittel aufgetragen. Der schließt sich die eigentliche Beschichtungsstation an, in der die Magnetdispersion über ein Gießlineal voller Breite der Folie aufgetragen wird. Die Folie durchläuft dabei die einzelnen Stationen der Anlage mit einer Geschwindigkeit, die ein Fußgänger schnell in Atemnot bringen würde. Die flüssige Beschichtung wird anschließend getrocknet. Das im beheizten Trockentunnel verdampfende Lösungsmittel wird mit Hilfe einer Aktivkohle-Absorptionsanlage zurückgewonnen. Die im Falle der Diskette nur 15/1000 Millimeter dick aufgetragene Dispersion nach dem Trocknen nur noch 2, 1000 Millimeter dick.

Dem Trockentunnel schließen sich Kalandarwalzen an. Diese schwere auf Hochglanz polierten, angewändten Stahlwalzen glätten und verdichten die Beschichtung flexibler magnetischer Speichermedien. Hierdurch liegt später der Schreib-/Lese Kopf besonders gut auf der Magnetschicht auf.

Im anschließenden Konfektionvorgang schneiden Präzisionsmaschinen bei rund 0,01 Millimeter Toleranz aus den beschichteten Foliebahnen die gewünschte Form heraus. Bei herkömmlichem Computerband liegt die Breite bei 12,7 Millimeter mit einer Toleranz von 0,1 Millimeter. Das eingangs erwähnte Chromdioxid-Computerband für die 480-Kassette ist 12,65 Millimeter breit, mit einer Toleranz von + 0,025 Millimeter. Zur Herstellung von Disketten werden aus der Magnetfolie Scheiben mit einem Durchmesser von 8, 5,25 und 3,5 Zoll herausgestanzt. Die Toleranz beträgt hier 0,01 Millimeter. Die Maßgenauigkeit des ebenfalls herausgestanzten Innenloches beträgt sogar nur +/- 12/1000 Millimeter. Die exakten Dimensionen des Speichermediums entscheiden über Zuverlässigkeit und Datensicherheit beim Einsatz. Maßabweichungen führen zu unrundem Lauf bei Disketten und Kantenbeschädigungen beim Band.

Zur Verbesserung der Betriebseigenschaften enthält die Magnetschicht bei Disketten und Festplatten eine Schutz- und Gleitschicht. Sie vermindert die Reibung zwischen Magnetkopf und Medium. Die Schutzschicht verlängert seine Lebensdauer um ein Vielfaches.

Kurz eine Anmerkung zur Herstellung der Disketten: In einem an anschlißenden Arbeitsgang wird die Oberfläche der Floppy-Scheibe mit Schleifzylindern poliert. Auch hier kommt es auf das richtige Maß an: Ein Zuviel würde zu einer übermäßig glatten Oberfläche führen, auf der der ebenfalls sehr glatte Magnetkopf regelrecht festgehalten würde. Angestrebt wird deshalb eine Rauhigkeit von RA = 0,02/1000 Millimeter

Auch das Umfeld verlangt erhebliches Know-how

Bei der bisherigen Beschreibung des Herstellungsvorgangs magnetischer Speichermedien für die EDV wurde nur der eigentliche Datenträger beschrieben und andere Produktbestandteile wurden vernachlässigt Erhebliches Know-how steckt jedoch auch im Material und der Verarbeitung der Kassetten und Hüllen. So verlangt beispielsweise die verschweißte Kunststoffkassette des BASF-480-Chromdioxid-Computerbandes eine in der Kunststoffverarbeitung ungewöhnlich hohe Präzision. Dies gilt auch für die thermische Formstabilität und unerwünschte statische Aufladung.

Bei der Herstellung von Diskettenhüllen werden auf Stanz- und Schweißmaschinen aus temperaturbeständiger antistatischer Kunststoffolie die Hüllen gefertigt. Dabei kommt vorwiegend der Kunststoff PVC zum Einsatz. Die Folie wird auf der Innenseite beschichtet, danach in die Hüllenform gestanzt, gefaltet und nach dem Einschieben der Diskettenscheibe zugeschweißt oder geklebt.

Ausgangsmaterial starrer magnetischer Speichermedien ist eine hochreine Aluminiumplatte. Aus Alu-Blechen werden Ronden gestanzt. Die Kanten dieser Alu-Rohlinge werden angefast, das heißt abgeschrägt. Danach wird die Plattenoberfläche mit Diamantwerkzeugen geglättet und plan gedreht. Die Dicke der 5,25-Zoll-Platte beträgt 1,905 Millimeter bei einer Toleranz von 25/1000 Millimeter. In vollautomatischen Beschichtungsmaschinen wird die Platte nach einem Ultraschall-Reinigungsbad mit einer Dispersion aus Eisenoxid, Lack und Lösungsmitteln beschichtet.

Dabei kommen Sprühdüsen zum Einsatz, die sich radial über die rotierende Platte bewegen. Nach Ende des Sprühvorgangs wird die Drehzahl der Magnetplatte erhöht, um überschüssiges Beschichtungsmaterial abzuschleudern. Vollautomatisch folgen Trocken-, Einbrenn-, Polier-, Reinigungs- und Prüfvorgänge. Die Oberflächenrauhigkeit liegt anschließend je nach Plattenspezifikation beispielsweise bei 0,025/1000 Millimeter. Die Schwankung in der Schichtdecke darf maximal 0,25/1000 Millimeter betragen.

Abweichend hiervon verläuft die Herstellung der Metalldünnfilmplatte oder "Plated Disk". Nach der gleichartigen Vorbereitung des Aluminiumträgers bis zum Ultraschallreinigungsbad wird als Basis für die Magnetschicht eine 15/1000 Millimeter dicke Nickel-Phosphorschicht abgeschieden.

Hierzu taucht die Aluminiumscheibe in eine Reihe chemischer Badlösungen; zuerst wird sie chemisch gereinigt, dann aktiviert und zuletzt stromlos vernickelt. Die erforderliche Oberflächengüte der relativ harten Schicht erreicht man durch Polieren und nachfolgendes mechanisches Reinigen.

Das Abscheiden der Kobalt-Magnetschicht erfolgt analog dem Vernickeln in einem stromlos arbeitenden Bad. Die gewünschten Magneteigenschaften steuert man über die Parameter: Verweilzeit, Temperatur, Konzentration und Zusammensetzung des Bades.

Die genaue Überwachung und Einteilung aller Abscheidungsbedingungen ist Voraussetzung für gleichbleibende Qualität. Die Oberfläche wird gereinigt, um Spitzen und Fremdpartikel abzutragen. Abschließend wird eine Schutz-/Gleitschicht in einem Vakuum-Sputterverfahren aufgebracht.

Während des Herstellungsvorganges und nach dessen Abschluß erfolgen Qualitätsprüfungen zur Einhaltung gegebener Spezifikationen. So werden beispielsweise die physikalischen Dimensionen feinmechanisch oder optisch kontrolliert. Besonders umfangreiche Prüfarbeiten erfordert die BASF-480-Chromdioxid-Magnetbandkassette. Dabei wird nach dem "Requirement for the IBM 3480 magnetictape drives" und dem ANSI-Normenvorschlag verfahren.

Grundsätzlich werden die magnetischen, elektromagnetischen und mechanischen Eigenschaften geprüft, so zum Beispiel die Koerzitivität, verschiedene Rauschspannungsabstände sowie die Schichthaftung, die Gleitreibung und der Widerstand der Magnetschicht.

Bei der Diskettenmarke BASF Flexi Disk werden zum Prüfverfahren bei der Qualitätskontrolle internationaler Normungsvorschriften als Meßlatte gewählt. Die Lesespannung muß gemäß dieser Norm 40 Prozent des Referenzpegels erreichen.

Die Herstellung magnetischer Speichermedien muß sich laufend den anspruchsvoller werdenden Markterfordernissen anpassen, auch wenn die erwähnten Normen gleichbleiben. So herrscht beispielsweise bei Kleincomputern der Trend zu einfacheren und billigeren Laufwerken und Controllern vor. Die Geräte werden bei völlig unterschiedlichen Betriebsbedingungen eingesetzt. Die Disketten haben den daraus erwachsenden höheren Anforderungen nach Unempfindlichkeit gegenüber solchen Betriebsbedingungen zu folgen.

Auch die Magnetschicht-Eigenschaften mußten den veränderten Bedingungen angepaßt und beispielsweise die Resolution erhöht werden. Dies ergibt schärfere Lese-Impulse und gesteigerte Datensicherheit. Neuartiges Vliesmaterial mit höherer Flauschigkeit und Schmiegsamkeit vermeidet die Ablagerung von Staubpartikeln auf den Datenträgern und gewährleistet durch höhere Reinigungskraft weniger flüchtige Fehler und damit ein besseres Drop-out-Verhalten.

Insgesamt tendiert der Markt zur Miniaturisierung und zu Medien mit höheren Speicherdichten. Damit steigen auch die an die Produktion gestellten Anforderungen bei gleichzeitig zunehmenden Wettbewerbs- und Kostendruck.