350 Käsesorten sind spannender als Business-Pläne

Chef von Andersen Consulting sattelt kurz vor der Rente um

08.10.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - 30 Jahre sind in der turbulenten Beraterbranche fast schon eine Ewigkeit. So lange hat George Shaheen ausschließlich für Arthur Consulting gearbeitet, um jetzt den Chefsessel zu räumen und dafür beim Internet-Startup Webvan als CEO einzusteigen.

Seine Eltern betrieben einst auch ein Lebensmittelgeschäft. Daß Shaheens Wechsel zum Online-Kaufhaus Webvan nur eine Reminiszenz an längst vergangene Kindheitstage ist, glauben aber die wenigsten. Für die meisten Beobachter gibt der 55jährige Andersen-Consulting-Chef das Musterbeispiel für einen Trend, der in den USA schon voll im Gang ist und sich auch hierzulande abzuzeichnen beginnt: Immer mehr gestandene Manager wechseln zu Startups und tauschen ihre hochdotierten Positionen gegen die Chance, noch einmal etwas aufbauen und vom Siegeszug einer jungen Firma schließlich auch profitieren zu können.

Zwischen 3,5 und fünf Millionen Dollar schätzt das "Wall Street Journal" das Jahreseinkommen von Shaheen bei Andersen Consulting. Er war es, der die Beratungsgesellschaft 1989 als eigenständiges Tochterunternehmen von Arthur Andersen gründete und deren Abspaltung von der Mutterfirma vorantrieb. Besonders im Feld der IT-Beratung waren sich beide Unternehmen ins Gehege gekommen. Nun wird ein Schiedsgericht entscheiden, ob sich Andersen Consulting mit zehn Milliarden Dollar vom Mutterkonzern freikaufen muß.

Mittlerweile hat die Unternehmensberatung weltweit 65000 Mitarbeiter, die 1998 einen Umsatz von 8,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. Künftig hat Shaheen nur noch 414 Mitarbeiter unter sich, die über Internet vor allem in der Region um die Bucht von San Francisco unter anderem 350 verschiedene Käse- und 700 Weinsorten verkaufen.

Unternehmensgründer Louis Borders, der sich mit Shaheens Eintritt in den Aufsichtsrat zurückzieht, hatte zuletzt einen Nettoverlust von 33,5 Millionen Dollar. Das große Geld soll nach dem Börsengang fließen: Webvan will Aktien im Wert von 300 Millionen Dollar verkaufen. Für Shaheen werden mindestens zehn Millionen Stock Options reserviert. Analysten gehen davon aus, daß jede Aktie mindestens zwölf Dollar wert ist.