Dreht die Politik die TK-Liberalisierung zurück?

Chef-Regulierer Scheurle wechselt in die Wirtschaft

01.12.2000
BONN (CW) - Der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP), Klaus-Dieter Scheurle, tritt zum Jahresende von seinem Amt zurück. Als potenzieller Nachfolger wird der bisherige Vizepräsident Matthias Kurth gehandelt. Mit einer endgültigen Entscheidung über die Nachfolge wird jedoch erst im Februar gerechnet.

Der bisherige Chef-Regulierer Scheurle nimmt ab 2001 ein Angebot in der Privatwirtschaft an. Wie es heißt, wechselt er als Berater zur Credit Suisse First Boston.

Gerüchte über einen Rücktritt des CSU-Mitglieds Scheurle gab es bereits seit längerem, da die Entscheidungen seiner Behörde dem Bund als Mehrheitsaktionär bei Post und Telekom oft ein Dorn im Auge waren. So hat die Reg TP unter der Leitung Scheurles den liberalisierten TK-Markt in Deutschland entscheidend mitgeprägt und den neuen Anbietern im Streit mit dem Exmonopolisten Telekom oft den Rücken gestärkt.

Entsprechend bedauerten Interessenverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) oder der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) den Rücktritt Scheurles. Gleichzeitig äußern die Wirtschaftsvertreter ihre Befürchtungen, dass mit dem Abgang des Chef-Regulierers der Wettbewerb in gerade liberalisierten Märkten leiden könnte.

Hartnäckig halten sich denn auch Spekulationen, Scheurle sei auf Druck aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium gegangen. In diesem Zusammenhang wirft der CDU-Postexperte Elmar Müller der Bundesregierung vor, sie sei mehr an der Pflege der Aktienkurse von Post und Telekom interessiert als am freien Wettbewerb. Der Darstellung, Scheurle habe auf politischen Druck seinen Posten aufgegeben, widerspricht Wirtschaftsminister Werner Müller. Gleichzeitig machte der Minister aber auch keinen Hehl daraus, dass ihn so manche Entscheidung des CSU-Mannes nicht erfreut hatte.

Als möglicher Nachfolger Scheurles gilt der Vizepräsident der Reg TP Matthias Kurth. Das SPD-Mitglied hat diesen Posten seit neun Monaten inne und war davor als Manager beim City-Carrier Colt Telecom für Regulierungsfragen zuständig. Sollte Kurth den Posten als Chef-Regulierer bekommen, so hat er gleich mehrere wichtige Entscheidungen zu treffen. Zum einen müssen die Gebühren für die Überlassung des ungebündelten Teilnehmeranschlusses, also die Mietgebühr für die Kupferkabel vom Telefonkunden zur Ortsvermittlungsstelle, neu festgesetzt werden. Zum anderen hat die Behörde die Vorgabe der EU-Kommission, wonach die Konkurrenten der Telekom die Ortsnetzleitungen nur in Teilfrequenzen mieten können, in nationales Recht umzusetzen. Im Februar obliegt dem künftigen Chef-Regulierer dann die Aufgabe, mit der Telekom eine Großhandels-Flatrate auszuhandeln. Ferner stehen Entscheidungen in Missbrauchsverfahren gegen die Telekom an, weil sie den Zugang zu den Ortsvermittlungsstellen behindern soll.