Abbau von Hierarchien

Chef, nein danke

03.12.2012
Von Constantin Gillies

Innovativ mit "Wirtschaftsdemokratie"

Wie es ist, ohne Captain auf der Brücke zu fliegen, weiß auch Gernot Pflüger gut. In seiner Eventagentur CPP Studios herrscht "Wirtschaftsdemokratie", wie er es nennt. Das heißt: Die Belegschaft stimmt über alles gemeinschaftlich ab. Jeder darf mitreden, wenn es um Investitionen, das Einheitsgehalt oder Neueinstellungen geht. "Produktivität und Innovationskraft profitieren davon enorm", begeistert sich Pflüger, der seine Erfahrungen in dem Buch "Erfolg ohne Chef" aufgeschrieben hat.

Produktivität und Innovationskraft profitieren enorm von Mitarbeiterbestimmung.
Produktivität und Innovationskraft profitieren enorm von Mitarbeiterbestimmung.
Foto: Antrey - Fotolia.com

Seit gut 20 Jahren ist er nicht mehr der Herr im eigenen Betrieb - und langsam auch so eine Art Evangelist: Immer häufiger rufen ihn andere Chefs an und fragen nach Tipps, wie sie mehr Demokratie wagen können. Was Pflüger ihnen dann rät, ist im Prinzip ganz simpel: Lass die Leute ihre Zeit frei einteilen, setze auf Resultate statt auf Anwesenheit, schaffe autonome Teams mit nicht mehr als 150 Leuten. "Entscheidend ist, dass jeder in der Gruppe noch die Kausalitäten erkennt", erklärt Pflüger. Das heißt, jeder Angestellt kann sehen, was vorher nur der Manager wusste: Wie entstehen Kosten für ein Produkt? Was beeinflusst den Absatz?

"Vor allem muss jeder ohne Angst seine Meinung sagen können", predigt der experimentierfreudige Unternehmer. Dass das nicht immer angenehm ist, weiß er aus eigener Anschauung. Unlängst zum Beispiel hatte er für einen Kunden eine Werbekampagne mit sozialen Medien entwickelt. Als er sie auf der Mitarbeitersitzung vorstellte, trat ausgerechnet das jüngste Glied der Mannschaft vor und zerriss die Pläne in der Luft. "Nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass er recht hat", lacht Pflüger.

Ganz so weit ist man bei Synaxon noch nicht. "Wir sind hier keine Demokratie", räumt Vorstandschef Roebers ein. Dennoch wird sein Experiment von vielen Firmen aufmerksam verfolgt - unter anderem von einem Arbeitgeber, bei dem traditionell Befehl und Gehorsam an erster Stelle stehen. "Die Führungsakademie der Bundeswehr hat mich zu Vorträgen eingeladen", sagt Roebers, selbst übrigens Offizier der Reserve.

Constantin Gillies ist freier Journalist in Bonn.