"Chaotisch" verfilmen-über die EDV verwalten

06.04.1979

Zunehmend taucht in Gesprächen über die Mikrofilm-Anwendung der Begriff "chaotische Verfilmung" auf. Was bedeutet dieser Begriff?

Im amerikanischen Sprachgebrauch wird in gleicher Weise wie hier "chaotische Verfilmung" der Begriff "random Microfilming" verwendet. Beide Begriffe bedeuten, daß Unterlagen ohne Vorordnung, so wie sie vorliegen oder eintreffen, auf Mikrofilm aufgenommen werden und der Zugriff auf sie über einen veränderbaren Index erfolgt.

Schon in den 50er Jahren wurden Vorstellungen über derartige Systeme diskutiert. Ausgangspunkt waren damals Überlegungen, die dahin gingen, die eingehende Post vor der Verteilung auf Mikrofilm aufzunehmen und sie dann zur Bearbeitung an die einzelnen Abteilungen weiterzuleiten. Um das Problem zu beseitigen, daß an die Firma gerichtete Schreiben bei einer Reklamation nicht aufgefunden wurden, da sie sich zur Bearbeitung in einer Abteilung befanden, wurden schon sehr früh vereinzelt derartige Systeme eingeführt. Die Kernfrage, um die es dabei ging, war die Frage, wie finde ich ein bestimmtes Schreiben aus den vielleicht 500 oder 1000 an einem Tag eingegangenen Schreiben wieder heraus.

Ausgehend von den damals zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, wurde als Suchbegriff der Eingangstag verwendet. Da jedoch, wie gesagt, eine große Menge von Unterlagen am gleichen Tag einging, suchte man nach einer einfachen Index-Erweiterung. Eine weitere Vorsortierung erfolgte vor der Verfilmung nach dem Datum des Vorganges oder nach dem Alphabet. Ein weiteres Verfahren, das angewendet wurde, war, Schreiben, die an eine bestimmte Abteilung gerichtet waren, entsprechend den einzelnen Abteilungen vorzusortieren und eine besondere Gruppe "nicht festzulegen" zu bilden.

Aus Gründen, auf die wir noch zu sprechen kommen, wurde bei derartigen Anwendungen das System recht bald abgeändert, und es wurden nur noch die Schreiben unter der Gruppe "nicht festzulegen" verfilmt.

Diese vereinzelt angewendeten Systeme zur Posteingangsverfilmung nutzten die Mikrofilm-Vorteile der schnellen Aufnahme und der preisgünstigen Speicherung konsequent aus. Sie brachten jedoch nur den Vorteil einer besseren Kontrolle der Postverteilung und waren deshalb nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich oder aber nur unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung des Kundendienstes .zu verwirklichen. Diese Posteingangsverfilmungs-Systeme zeigen jedoch deutlich die beiden Bestandteile einer chaotischen Verfilmung. Die Mikrofilm-Möglichkeiten der schnellen original-getreuen und preisgünstigen Speicherung werden am konsequentesten genutzt, wenn diese Vorteile nicht durch vorhergehende umfangreiche, manuelle Sortier- und Aufbereitungsvorgänge weitgehend wieder aufgehoben werden. Eine Nutzung dieser Vorteile hängt entscheidend von der Erschließung der Unterlagen durch einen Index ab. Die für Speicherung und Verwaltung des Index entstehenden Aufwendungen müssen durch die Systemvorteile und den Systemnutzen gerechtfertigt sein.

An diesen Grundsätzen orientiert, zeigt sich, daß die Systeme der Posteingangsverfilmung nur wirtschaftlich sein konnten, wenn der Systemvorteil "besserer Kundendienst" eine hohe Bedeutung hatte. Man stellte sehr bald bei derartigen Systemen fest, daß eine Weiterverwendung der auf Mikrofilm aufgenommenen Eingangspost kaum möglich war, so daß die bisherige Unterlagenverwaltung und Aufbewahrung beibehalten werden mußten, was dann in einzelnen Fällen unter Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen dazu führte, daß man nur den Teil der Unterlagen aufnahm, der für das Systemziel wichtig war, nämlich den Teil der Unterlagen, deren Verbleib im Unternehmen nicht durch die Adresse festgelegt war.

Die "chaotische Verfilmung", das heißt die Mikrofilmaufnahme von erledigten Vorgängen, ohne Sortierung in eine Ablageordnung, oder die Mikrofilmaufnahme von Unterlagen nach ihrem Eingang oder vor ihrem Ausgang und die Verwaltung des Index für diese Unterlagen über EDV sind geeignet, nicht nur die Mikrofilm-Anwendung, sondern die gesamte Büro-Organisation und Unterlagenverwaltung zu verändern.

Walter Scheffel ist Herausgeber des "mikrodok"-Informationsdienstes, der im Verlag Scheffel'sche Verlagsbuchhandlung, Langenfeld, erscheint.

Dieser Beitrag wurde im Januar 1979 in "mikrodok" (Ausgabe 27) veröffentlicht.