Gastkommentar

Chancen und Risiken am Neuen Markt

14.09.2001
Die Berichtssaison am Neuen Markt ist vorbei. Nur einige Firmen trotzen den wirtschaftlichen Problemen. Die Aktien dieser Gesellschaften dürften bei einer Besserung der konjunkturellen Lage zu den Gewinnern gehören. Von Wolfgang Braun*

Hohes Aufwärtspotenzial besitzt etwa Kontron. Zwar hat das Unternehmen zuletzt seine Planzahlen zurücknehmen müssen, dennoch können sich die angestrebten Steigerungsraten von 60 Prozent sehen lassen. Das bayerische Unternehmen profitiert vom starken Wachstum der "Embedded Computer Technology". Experten sagen diesem Bereich jährliche Zuwachsraten von 30 Prozent voraus. Zuletzt ist es Kontron gelungen, schneller als der Gesamtmarkt zu wachsen und, was den Umsatz betrifft, auf den zweiten Platz auf dem Weltmarkt vorzurücken.

Ebenfalls erfolgversprechend ist ein Investment in die Aktie von Thiel Logistik. Im Gegensatz zum direkten Konkurrenten D. Logistics, der in Teilbereichen mit Problemen zu kämpfen hatte, laufen die Geschäfte bei den Luxemburgern rund. Besonders interessant bei Thiel ist die starke Position im Bereich Healthcare-Logistik. In dieser Sparte optimiert das Unternehmen die Geschäftsabläufe in Krankenhäusern. Von Branchenexperten werden diesem Markt hohe Wachstumsraten für die Zukunft eingeräumt.

HoffnungsschimmerDurch ein günstige Bewertung besticht auch Pfeiffer Vacuum. Trotz eines leicht rückläufigen Umsatzes hat die Firma den Gewinn im ersten Halbjahr im Jahresvergleich um knapp 30 Prozent gesteigert. Im Gegensatz zu vielen anderen Neuer-Markt-Firmen funktioniert bei den Hessen das Kosten-Management. Über die Zukunft beim Weltmarktführer in Vakuumpumpen braucht man sich keine Sorgen machen. Die Kassen sind prall gefüllt, sodass die Marktposition mit Zukäufen weiter ausgebaut werden kann. Zudem will Pfeiffer künftig seine Produkte verstärkt in Branchen wie der boomenden Biotechnologie verkaufen. Damit reduziert das Unternehmen seine bisherige Abhängigkeit von der zyklischen Halbleiterbranche.

Schwarze SchafeMan sollte es zwar kaum meinen, aber selbst nach den drastischen Kursverlusten der letzten Wochen droht einigen Titeln aus dem Nemax 50 weiteres Ungemach. So hat Intershop im zweiten Quartal einen Verlust von 28 Millionen Euro eingefahren. Verbrennen die Ostdeutschen weiter so viel Geld, könnte der Gang zum Insolvenzverwalter noch in diesem Jahr drohen. Nicht viel besser geht es dem Konkurrenten Broadvision. Im abgelaufenen Quartal setzte das US-amerikanische Unternehmen mehr als 240 Millionen Dollar in den Sand.

Von Übernahmegerüchten profitiert zwar immer wieder die Aktie von Primacom. Allerdings ist es fraglich, ob ein Wettbewerber bereit ist, die 850 Millionen Euro an Verbindlichkeiten zu übernehmen, die Primacom inzwischen aufgetürmt hat. Gähnende Leere in den Kassen auch bei Steag Hamatech. Zieht die Nachfrage nach Maschinen für die Produktion von optischen Speichermedien nicht bald an, dürfte es kritisch werden. Zum 30. Juni weist das Unternehmen noch liquide Mittel von 8,2 Millionen Euro aus, der Mittelabfluss aus dem operativen Geschäft lag in den ersten sechs Monaten bei 6,7 Millionen Euro.

Selbst nach den drastischen Kursverlusten ist ein blinder Einstieg in die Werte des Nemax 50 also nicht angebracht. Allerdings erhöht die gezielte Auswahl solider Titel auf dem aktuellen Kursniveau langfristig die Chance auf üppige Renditen.

* Wolfgang Braun ist Redaktionsleiter bei der Stock-World Media AG in Leverkusen.