Top 100 - IT-Dienstleister 2012

Chancen in der Nische

25.09.2012
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Für flexible IT-Dienstleister tun sich lukrative Märkte im Geschäft mit Vertikal- und Speziallösungen auf.
Foto: sgursozlu, Fotolia.com

Cloud Computing, Mobility, Social Media sowie Big Data sind Trends, die einen Paradigmenwechsel in den Geschäftsmodellen und Prozessen vieler Unternehmen herbeiführen. Die Analysten von IDC fassen die Einflüsse kurz und prägnant mit "The Four Forces" zusammen. "Die IT-Leiter haben erkannt, dass die Entwicklung nicht zu stoppen ist", kommentiert Douglas Hayward, Research Director bei IDC und ständiger Beobachter der Aktivitäten im europäischen IT-Servicemarkt. "Für sie geht es nun darum, die Strömungen zu kanalisieren, um sie zu lenken und zu beherrschen."

Auf diese Veränderungen müssen sich auch die IT-Dienstleister einstellen und ihr Portfolio rechtzeitig entsprechend ausrichten. Bereits heute ist absehbar, dass die großen IT-Provider den Markt für infrastrukturnahe Dienste wie Platform as a Service (PaaS) und Infrastructure as a Service (IaaS) unter sich verteilen werden. Der Aufbau der Installationen kostet viel Geld, mittelgroße und kleine Provider wären überfordert. Zu den potenten Anbietern zählen neben Google und Amazon.com die IT-Größen Microsoft, IBM, HP und Fujitsu. Auch T-Systems wird nach Meinung von IDC-Analyst Hayward hier ein Wörtchen mitreden können, zumindest auf europäischer Ebene. Mittelfristig, so seine Erwartung, wird sich in diesem Markt ein Oligopol herausbilden.

Kleinen und mittelgroßen Anbietern eröffnen sich lukrative Nischen, wenn sie näher an die Kunden heranrücken und ihre Bedürfnisse aufgreifen. Technische Argumente sind dabei nicht ausschlaggebend, entscheidend ist vielmehr, Anwender in der Gestaltung ihrer Geschäftsabläufe zu unterstützen. "Sie müssen die Kunden ernst nehmen, Hinweise auf Neuerungen und erprobte Verfahren in anderen Unternehmen geben, um ihnen dann einen Migrationspfad zu präsentieren", betont Hayward.

Douglas Hayward, IDC:"Wir sprechen über die Industrialisierung von IT-Dienstleistungen".
Douglas Hayward, IDC:"Wir sprechen über die Industrialisierung von IT-Dienstleistungen".
Foto: IDC

Das Portfolio der IT-Dienstleister sollte vertikale oder spezielle Cloud-Services umfassen, mit denen sie spezifische Probleme ihrer Kunden beheben können. Denkbar ist auch, dass Dienstleister in die Rolle eines Cloud-Brokers oder Paketierers schlüpfen, um Angebote verschiedener Provider zu Komplettlösungen zu kombinieren. Wesentlich für den Geschäftserfolg sind wiederverwertbare Lösungen. Das können etwa vertikale SaaS-Angebote, Softwaremodule, Templates zur Workflow-Gestaltung und das Know-how der Mitarbeiter sein. "Wir sprechen über die Industrialisierung von IT-Dienstleistungen", fasst Hayward zusammen.

Bislang haben die europäischen Dienstleister in dieser Hinsicht nicht geglänzt. Sie hinken den amerikanischen und indischen Konkurrenten hinterher, die in der Standardisierung ihrer Dienste weiter sind und damit auch Exporterfolge verzeichnen. Europäische Anbieter sind zwar international vertreten, aber meistens national organisiert. "Sie haben Probleme damit, Mitarbeiter, Ideen, Erkenntnisse, Know-how und Angebote zwischen den Landesgesellschaften zu verschieben", bemängelt der IDC-Analyst. "Erfolgreiche Anbieter arbeiten flexibel, agil und kundenorientiert. Sie haben sich von den starren Strukturen klassischer Service-Lines mit Gewinn- und Verlustverantwortung gelöst."

Auch in Sachen Globalisierung haben europäische Anbieter das Nachsehen. Das einfache Offshoring von IT-Diensten in Niedriglohnländer wurde von den indischen und amerikanischen Providern längst verfeinert und durch ein drei- oder vierstufiges Sourcing-Modell ersetzt. Es sieht die Kombination aus Offshoring (etwa Indien, China), Nearshoring (europäisches Ausland mit deutschsprachigen Mitarbeitern) und Onshoring (Vor-Ort-Services) vor. Erste Provider ergänzen das Angebot zudem um das so genannte Farmshoring, das Aufgaben in strukturschwache Inlandsregionen verlagert. Insbesondere die indischen Provider haben in den vergangenen Jahren enorm in den Ausbau ihrer lokalen Lieferstrukturen investiert.

Sämtliche Entwicklungen werden die bisherigen Einnahmequellen in der Beratung, Integration und im Outsourcing nicht von heute auf morgen versiegen lassen. Neue Dienste und Angebote werden mehr und mehr das traditionelle Geschäft ablösen, so dass sich die Provider möglichst zügig anpassen sollten. "Niemand weiß, wie schnell sich die Veränderungen einstellen. Erfahrungsgemäß erreicht die Entwicklung irgendwann den kritischen Punkt. Ab dann kippt das Geschäft sehr schnell", warnt Hayward. (mhr)