Krankenhäuser bevorzugen externe IT-Partner, trotzdem

Chancen für IT-Profis sind besser geworden

12.12.1997

Das Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) hatte einen regelrechten Boom bei der Nachfrage nach medizinischem Pflegepersonal ausgelöst. Die neue Pflegeversicherung gab auch privaten Pflegediensten die Möglichkeit, ihre Leistungen mit der Kasse abzurechnen. Damit war das Tor zu Neugründungen privater Unternehmen im Gesundheitswesen weit geöffnet. Es entstanden Kliniken, Pflegedienste und Einrichtungen zur Senioren- und Behindertenbetreuung.

Mittlerweile hat sich der Trend umgekehrt. Die zweite und dritte Stufe des GSG zwang und zwingt die Träger der medizinischen Versorgungsunternehmen zu drastischen Sparmaßnahmen. Die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland hat sich deutlich verringert, Pflegedienste kämpfen um ihre Existenz, Arztpraxen reduzieren ihr Personal. Wie der Adecco-Stellenindex von Januar bis Oktober zeigt, nahm die Zahl der Stellenangebote aus dem gesamten Gesundheits- und Sozialbereich gegenüber der Vorjahresperiode um 27 Prozent ab.

Nicht gesunken, sondern sogar leicht gestiegen sind dabei die Offerten, in denen fundiertes und spezielles Computerwissen vorausgesetzt wird. Das sind immerhin fünf Prozent der Stellenangebote aus dem Gesundheitsbereich.

Gesucht werden hauptsächlich System- und Netzspezialisten, Software-Entwickler und Organisatoren. Heiner Zwiebelmann von der Bios Beratungsgesellschaft in Hamburg beschreibt die wichtigsten DV-Einsatzgebiete im Gesundheitswesen: "Bisher wurden die DV-Systeme überwiegend zur Patientenverwaltung und Abrechnung bei Ärzten und in Krankenhäusern eingesetzt." Dazu kamen Büroanwendungen in den Sekretariaten. Dabei handle es sich weitgehend um Insellösungen mit relativ kleinen Anwendergruppen.

An dieser Situation werde sich bei den niedergelassenen Ärzten und den häuslichen Pflegediensten wenig ändern. Auch künftig würden hier kleine Netze betrieben und in der Regel durch externe Anbieter administriert. "Meist sind dies die Hard- und Softwarelieferanten", weiß Berater Zwiebelmann. Die Anwender selbst üben in der Regel lediglich Routinearbeiten wie Datensicherung und den Neustart des Systems.

Krankenhäuser und Pflegeheime hingegen stellten steigende Ansprüche an die Leistungsfähigkeit ihrer DV-Systeme und -Netze. Zwiebelmann nennt hierfür mehrere Ursachen. "Unter anderem bestehen höhere Anforderungen an die pflegerische und ärztliche Dokumentation und auch an deren Auswertbarkeit." Dabei gehe es vor allem um zusätzliche Qualitätssicherungs-Maßnahmen, um den Nachweis der Pflegebedürftigkeit der Patienten zur Ermittlung des Pflegesatzes, um die Kostenermittlung zur Vereinbarung von Fallpauschalen mit den Kostenträgern und um den Datenaustausch mit den Krankenkassen.

Die Beschleunigung und Vereinfachung der Verwaltungsabläufe spiele angesichts des Sparzwangs eine wichtige Rolle. Daher sei die DV-Technik auch hier gefragt. "Was vielerorts ansteht, ist die Einführung von Netzwerken, in die unterschiedliche Systeme zu integrieren sind", erklärt der Hamburger. "Hier treten Probleme bei den Betriebssystemen, den Netzwerkprotokollen sowie bei Inhalt, Aktualität und Typ der übermittelten Daten auf."

Laut Zwiebelmann schreiben die Krankenhäuser ihre Software selten selbst. Die meisten Anwendungen würden von der Stange beziehungsweise mit Modifikationen durch den Hersteller gekauft. Anwendungsentwicklung und Programmierung spielten daher in den Hospitälern eine untergeordnete Rolle.

Vielmehr seien qualifizierte Mitarbeiter gefordert, die sich mit Netzen und Systemen auskennen und die Strategien für die Anschaffung und den Einsatz neuer Systeme planerisch entwickeln. Informatiker genießen hier hohes Ansehen. Laut Adecco-Stellenindex richteten sich 1997 über 50 Prozent der Stellenofferten aus dem Gesundheitswesen an Hochschulabsolventen der Fachrichtungen Informatik oder Wirtschaftsinformatik.

"Die fachlichen Anforderungen sind sehr umfangreich", urteilt Zwiebelmann. "Dazu gehört auch Anpassungs- und Integrationsfähigkeit, da die klassischen Säulen ,ärztlicher DienstÈ, ,PflegedienstÈ und ,VerwaltungÈ zusammenzuführen sind." Die Mitarbeiter benötigen hierzu einen klaren Überblick über die Stärken und Schwächen der verschiedenen DV-Komponenten. Und gerade beim Umgang mit sensiblen persönlichen Patientendaten spielten Datenschutzbestimmungen im medizinischen Bereich eine besondere Rolle.

Die niedergelassenen Ärzte und Pflegedienste werden auch künftig kaum eigene DV-Administratoren benötigen. Die Nachfrage nach DV-Leistungen komme den Anbietern von Computertechnik oder - eher als Ausnahme - reinen Beratungsunternehmen zugute.

Krankenhäuser dürfen nicht mehr nur verwaltet, sondern sie müssen, um Sparvorgaben einhalten zu können, nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden. Bei vielen größeren Einrichtungen sei daher die Verwaltung bereits digital modernisiert worden. Wo dies noch nicht geschehen ist, erwartet Zwiebelmann Nachholbedarf: "In der Regel richten Krankenhäuser eine Koordinationsstelle ein. Je nach Größe des Hauses werden hier eventuell sogar mehrere Mitarbeiter für die Administration verschiedener Rechner und Netzwerke benötigt."

Während der Sparzwang im Gesundheitswesen insgesamt zu weniger Einstellungen führte, entwickelt sich der Personalbedarf in der Medizintechnik positiv. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Fach- und Führungskräfte per Anzeige gesucht. Grund ist die starke Position der deutschen Medizintechnik am Weltmarkt.

Vor allem in diesem Jahr sind die Exporterfolge zu Buche geschlagen. Allein im Vergleich zu den ersten zehn Monaten des vergleichbaren Vorjahreszeitraumes nahm die Zahl der Offerten um 30 Prozent zu. Weit überdurchschnittlich, nämlich mit einem Plus von mehr als 50 Prozent, stieg dabei die Nachfrage nach DV-Spezialisten. Insbesondere CAD/CAM-Experten, die eher zu den DV-Mischberufen zählen, wurden, wie in anderen Industriebranchen, weit intensiver als vor Jahresfrist gesucht. Deutlich verstärkte sich auch die Suche nach Vertriebsprofis. Vom gesamten Stellenangebot aus der Medizintechnik waren 14 Prozent ausdrücklich an DV-Spezialisten gerichtet. Der weitaus größte Anteil davon betrifft Aufgaben in der Software-Entwicklung, im System-Engineering und in der Sytemprogrammierung.