DMS-Anbieter muss nach Rekordverlust sein Beteiligungsportfolio überprüfen

Ceyoniq AG macht Kassensturz

29.03.2002
MÜNCHEN (gh) - Die nach einem verhagelten Geschäftsjahr 2001 mit dem Rücken zur Wand stehende Ceyoniq AG unterzieht ihr gesamtes Beteiligungsportfolio einer Überprüfung. Nachdem für den E-Mail-Security-Spezialisten Group Technologies bereits ein Käufer gesucht wird, schließt das Unternehmen auch die Trennung von weiteren Tochtergesellschaften nicht aus.

Fast vier Jahre galt der in Bielefeld ansässige Anbieter von Dokumenten-Management-Systemen (DMS) als eines der wenigen Vorzeigeunternehmen am Neuen Markt. Diverse Akquisitionen, aber auch organisches Wachstum sorgten für über dem Marktdurchschnitt liegende Umsatzzuwächse und schwarze Zahlen. Die "Krönung" der Erfolgsstory sollte die vor rund einem Jahr eingefädelte Übernahme der US-Company Treev sein. Doch vermutlich genau an diesem Merger hat sich Ceyoniq übernommen. Bereits Anfang März hatten die Bielefelder mit einer drastischen Umsatz- und Gewinnwarnung für das abgelaufene Geschäftsjahr 2001 Anleger und Analysten auf die Hiobsbotschaft eingestimmt; vergangene Woche musste das Unternehmen dann auf seiner Bilanzpressekonferenz den Flurschaden in seiner ganzen Tragweite offenbaren.

Umsatz konnte noch gesteigert werdenDemnach konnte zwar der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 37,6 Prozent von 74,2 auf 102,1 Millionen Euro gesteigert werden, doch lagen die Einnahmen deutlich unter den ursprünglichen Plänen, die sich zwischen 114 und 120 Millionen Euro bewegt hatten. Weitaus schlimmer gestaltet sich die Ergebnisseite, wo die Bielefelder mit einem operativen Verlust von 105 Millionen Euro tief in die roten Zahlen gerutscht sind, nachdem im Vorjahr noch ein Gewinn von 14,5 Millionen Euro erzielt worden war. Auch das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereffekten (Ebitda) ging gegenüber dem Geschäftsjahr 2000 von 22,8 auf 5,7 Millionen Euro zurück.

Vorstandschef Jürgen Brintrup begründete die schwache Bilanz gegenüber der COMPUTERWOCHE vor allem mit Goodwill-Abschreibungen auf die US-Tochter Treev (seit kurzem Ceyoniq Inc.) sowie die in Kaiserslautern ansässige Ceyoniq-Tochter Insiders Information Management AG, die allein insgesamt mit 60 Millionen Euro negativ zu Buche schlugen. Damit habe man "allgemein gesunkenen Verkehrswerten sowie der veränderten Marktlage" Rechnung getragen. Gleichzeitig deutete der Ceyoniq-Chef aber an, dass es auch im operativen Geschäft in den USA im zweiten Halbjahr 2001 zu massiven Problemen gekommen sei: "Wir mussten feststellen, dass wir dort noch nicht so perfekt aufgestellt waren, wie wir eigentllich dachten." Die eingeleitete Restrukturierung und Integration der US-Tochter Treev sei nicht "tief genug" gewesen, zudem habe der Konjunktureinbruch in den USA nach dem 11. September das Übrige zur Misere beigetragen. Zusammen mit der dann auch in Europa einsetzenden Rezession sei dies ein "voller Schlag ins Kontor" gewesen.

Verschlimmert worden sein dürfte das Problem durch Querelen im Management. Erst Ende Dezember 2001 war Brintrup, der Ceyoniq (vormals CE Computer Equipment) vor elf Jahren mitgegründet hat, als Vorstandschef ausgeschieden, um seinem Nachfolger Gerd Bührig Platz zu machen, der im vergangenen Jahr die Integration von Treev und damit das US-Geschäft federführend verantwortet hatte. Bührig wurde dann jedoch Anfang März aufgrund "unterschiedlicher Auffassungen über die Unternehmensstrategie" fristlos von seinem Amt entbunden. Brintrup, der seitdem wieder als CEO fungiert, kommentierte diese Entscheidung nur mit den Worten: "Es ist für ein Unternehmen tödlich, wenn zwei Meinungen existieren."

Etwas klarer äußerte sich der Ceyoniq-Chef zu den weiteren Maßnahmen, mit denen die Company wieder auf Kurs gebracht werden soll. So sucht man bereits intensiv nach einem Käufer für den 60-Prozent-Anteil an dem ebenfalls am Neuen Markt notierten E-Mail-Security-Spezialisten Group Technologies.

Rückzug aus den USA?Weitere Portfoliobereinigungen unter den noch verbleibenden Konzerntöchtern Aconso AG, Ceyoniq Data Services GmbH, Ceyoniq Healthcare GmbH und Insiders Information Management AG schloss Brintrup ebenfalls nicht aus. Außer dem bereits angekündigten und größtenteils schon vollzogenen Abbau von 350 der insgesamt 950 Mitarbeiter seien derzeit keine weiteren Personalmaßnahmen geplant. Zu Spekulationen, ob auch ein Rückzug aus dem US-Geschäft und damit ein Verkauf der Ceyoniq Inc. samt gleichzeitigem Delisting von der Nasdaq vorgesehen sei, wollte der Firmenchef indes nicht Stellung nehmen. Für das laufende Geschäftsjahr 2002 rechnet Ceyoniq jedenfalls konzernweit wieder mit einem deutlichen Jahresüberschuss - und mit einem Umsatz "auf Vorjahresniveau".