Obwohl mehr und mehr Unternehmen auf Basis von IT-Techniken und -Lösungen innovative Geschäftsmodelle entwickeln, neue Ideen umsetzen und herkömmliche Prozesse und Produkte verbessern, ist das IT-Wissen in den Vorstandsetagen vielerorts dürftig. CIOs mit einem Sitz im führenden Management-Gremium sind selten. Einer Erhebung von PricewaterhouseCoopers unter amerikanischen Unternehmen zufolge hat nur ein Prozent der Board-Mitglieder (vergleichbar mit dem deutschen Verwaltungsrat) einen technischen Hintergrund. "IT-relevante Diskussionen am Mahagoni-Tisch werden in wenigen Minuten abgefertigt", spöttelt der US-Online-Dienst CIO.com. Das habe zu einem gefährlichen Vertrauensverlust in die digitale Kompetenz der Geschäftsleitung geführt.
CIO.com hat diese Erkenntnis zum Anlass genommen, eine eigene Erhebung zum Thema unter 250 CIOs zu betreiben. Ihren Chefs haben die IT-Manager dabei alles in allem kein gutes Zeugnis ausgestellt: 64 Prozent der Befragten bemängeln, der Vorstand habe seine Hausaufgaben hinsichtlich relevanter Technologien nicht gemacht. 57 Prozent sind der Überzeugung, dass ihre Vorstände beim Bewerten der IT-Strategie allein darauf vertrauen, was sie zuvor in der Presse gelesen haben. "Vorstandsmitglieder scheren sich nicht um IT", lautet das Fazit von rund 40 Prozent der teilnehmenden IT-Manager.
Fehlendes technische Hintergrundwissen in der Management-Etagen
Die Schlussfolgerung mag die Nöte der IT-Organisationen etwas überspitzt darstellen, grundsätzlich unterstützen aber auch andere Erhebungen die Einschätzung, dass das technische Hintergrundwissen in den Management-Etagen verbesserungswürdig ist. Das amerikanische Board Institute, das Vorstände auf aktuelle Anforderungen der Unternehmensführung vorbereitet, schreibt, dass rund sechs Prozent der Firmen ein Technik-Komitee auf Vorstandsebene unterhalten. Aufgabe eines solchen Gremiums ist unter anderem, den strategischen Nutzen von IT-Lösungen für das Unternehmen zu analysieren. Doch das ist eine Idealvorstellung; in der Praxis drehen sich die Gespräche unter dem Tagesordnungspunkt "IT" meistens um die Themen Risiko-Management und Compliance. IT spielt als Element zur proaktiven und innovativen Weiterentwicklung des Unternehmens hier bislang keine Rolle. Sie wird nur als Werkzeug zur Risikovorsorge, -minimierung und -einschätzung genutzt.
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Größtenteils mit Planung und Kommunikation
CIOs können und sollten diese Situation ändern, immerhin sind sie als Führungskräfte mitverantwortlich für Wohl und Wachstum ihres Unternehmens. Erlaubt die Besetzung des Vorstands nur eine defensive IT-Ausrichtung, steht die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Geschäfts auf dem Spiel, warnt Evelyn Follit, frühere IT-Leiterin beim amerikanischen Elektronik-Einzelhändler Radio Shack. Sie befürchtet, dass schlimmstenfalls sogar sinnvolle Neuerungen blockiert werden. Ein Vorstandsgremium, das gänzlich ohne IT-Sachverstand ist, machen es jedem IT-Manager besonders schwer, Innovationen anzuschieben. In der Diskussion fehle es an einer gemeinsamen Basis, auf der man sich verständigen könne, beobachtet Helen Cousins, CIO bei Lincoln Trust, Anbieter von Leistungen für die Altersvorsorge: "Wenn die Vorstände kein technisches Verständnis haben, sind sie kaum in der Lage, meine Vorstellungen nachzuvollziehen."
Umso mehr intelligente Überzeugungsarbeit tut not. Sie sollte aber keinesfalls auf einem Niveau erfolgen, das etwa die Amazon-Cloud mit einer Google-Installation vergleicht. Vorstände wollen wissen, ob Cloud-Services das Zeug dazu haben, den Unternehmenswert zu verbessern. Wenn CIOs mit diesem Thema beim Top-Management vorstellig werden, sollten sie technologische Fachtermini meiden, aber dennoch Technik erklären können. Die hohe Kunst der Überzeugungsarbeit beherrscht ein CIO dann, wenn er es vermag, die Diskussion so zu lenken, dass die Vorstände die richtigen Fragen stellen.