CeBIT: SAP macht ernst im Mittelstand

16.03.2007
Seit fünf Jahren baut der Softwarekonzern an seiner neuen Mittelstandslösung. Nun bläst das Management zum Sturm auf die bislang SAP-resistenten Mittelständler.

Unter der Regie der beiden SAP-Vorstände Peter Zencke und Gerhard Oswald arbeitet SAP schon seit 2003 an einer komplett neuen Mittelstandslösung, ließ der versammelte Vorstand auf der CeBIT durchblicken. Nachdem der Konzern Anfang 2007 erste Andeutungen zum neuen Produkt gemacht hatte, war in den zurückliegenden Monaten wiederholt über die SAP-Pläne spekuliert worden. Nun haben die Verantwortlichen den Schleier etwas gelüftet.

SAP entdeckt einen völlig neuen Markt

SAP will mit seiner neuen Mittelstandslösung Kunden gewinnen, die den Lösungen aus Walldorf bislang skeptisch gegenüberstanden. Zu teuer, zu komplex und zu risikobehaftet, beschrieb SAP Vorstandssprecher Henning Kagermann vor kurzem die Vorbehalte dieser Klientel. Knapp die Hälfte des von SAP auf ein Volumen von rund 30 Milliarden Dollar geschätzten Mittelstandsmarkts würde deshalb bislang verfehlt. Das soll sich mit der neuen, SAP zufolge einfach zu implementierenden Hosting-Lösung ändern, die im Laufe des Jahres auf den Markt kommen soll. Um der Software, deren endgültiger Name noch nicht feststeht, den Weg in den Mittelstandsmarkt zu ebnen, wollen die badischen Softwerker in den kommenden Jahren zwischen 300 und 400 Millionen Euro investieren.

Henniing Kagermann muss SAP Software-as-a-Service beibringen.
Henniing Kagermann muss SAP Software-as-a-Service beibringen.
Foto: Kagermann

Die Lösung, die momentan unter den Codenamen "A1S" beziehungsweise "Consumption ready Suite" bei SAP läuft, bietet Mittelständlern eine komplette betriebswirtschaftliche Lösung, berichtet Christoph Behrendt, Senior Vice President für den Bereich Midsize Enterprises. SAP werde die Software, die im Hosting-Verfahren betrieben werden soll, für Fertigungsunternehmen und Serviceanbieter anbieten. Die Modulpalette umfasse alle notwendigen Funktionen wie beispielsweise Vertriebs- und Marketing-Unterstützung, Finanzbuchhaltung, Reporting, Projektplanung und Procurement.

Grundsätzlich neu sei die Art und Weise, wie SAP die Lösung zum Kunden bringt, führt Behrendt weiter aus. Anwender könnten sich via Internet ein Grobkonzept für ihre betriebswirtschaftlichen Anforderungen erstellen lassen. Anhand eines Fragenkatalogs würden die benötigten Softwaremodule zusammengestellt. Diesen Lösungsvorschlag könne der Anwender mit einem Klick an SAP schicken und bekomme darauf innerhalb weniger Stunden seine individuell konfigurierte Testversion über das Web zugeschickt. Anwender greifen über einen Browser auf ihr, von SAP oder einem Partner, betriebenes Hosting-System zu.

"Der Kanal über das Internet ist für SAP eine völlig neue Art, den Markt anzugehen", räumt Behrendt ein. Für die Kunden biete dieser Weg jedoch Vorteile, wirbt der SAP-Manager. Sie bekämen zügig auf Basis ihrer betriebswirtschaftlichen Anforderungen eine Testversion und können so "mit dem System eine Probefahrt machen." Nach Einschätzung von SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann gibt diese Herangehensweise Sinn. Die Software müsse sich eigentlich an den Geschäftsprozessen orientieren. Die von der Industrie in den vergangenen Jahren propagierte Unterscheidung in ERP, CRM und alle anderen Softwarebereiche sei im Grunde "Quatsch".

Zudem könnten Anwender mit dem System schlank beginnen und im Laufe der Zeit weitere Module dazuschalten. Das System basiert SAP zufolge auf Web Services und der eigenen Netweaver-Plattform. Damit lasse sich die Lösung in andere Produkte, die die entsprechenden Standards unterstützen, integrieren. Drehscheibe für die Integration innerhalb der SAP-Welt ist das Enterprise Service Repository (ESR). Kunden, die ihre Geschäftsdaten nicht außer Haus geben wollen, könnten die Lösung auch im eigenen Unternehmen betreiben lassen, bemüht sich Kagermann, gerade in Deutschland weit verbreitete Bedenken gegen das Software-as-a-Service-Modell (SaaS) auszuräumen. Jeder Anwender verfüge mit seinem individuellen System über einen eigenen Blade-Server sowie eine separate Datenbank.

Bis SAP mit seinen gehosteten Softwareservices auf den Markt kommt, wird es jedoch noch dauern. Auf einen genauen Erscheinungstermin wollen sich die Verantwortlichen nicht festlegen. Offenbar will SAP keine Fehler machen. Das Go-to-market und das Geschäftsmodell müssten von Anfang an passen, stellt Kagermann klar. Es gehe schließlich nicht nur darum, ein Produkt auf den Markt zu werfen. Auch die Serviceabteilung und der Vertrieb müssten sich auf das künftige Volumengeschäft einstellen. Dabei gilt es für den Konzern, auch die Partner mit an Bord zu holen.

Nach Einschätzung von Hans-Peter Klaey, dem neuen starken Mann für den Mittelstand bei SAP, wird es für die Partner künftig neue Rollen zu besetzen geben. Berater müssten die potenzielle Klientel, die bislang meist Insellösungen betrieben und mit Problemen wie zum Beispiel mangelhafter Integration und doppelter Datenhaltung zu kämpfen hätten, stärker an die Hand nehmen und auf die neue Hosting-Lösung zuführen. Komplexe und beratungsintensive Implementierungen, die in anderen Bereichen in aller Regel für eine gute Kasse bei den Partnern sorgen, wird es mit der neuen Lösung jedoch nicht geben. Für den Kunden soll das Produkt einfach einzuführen sein. Der menschliche Kontakt werde zwar nicht abreißen, aber geringer.

Kagermann zufolge ist die Software fast fertig. Neben dem Feinschliff erfolgt derzeit die Entwicklung unterschiedlicher Landesversionen. Derzeit testeten rund 150 Kunden die Software, davon etwa 20 intensiv. In nächster Zukunft sollen die Ersten live gehen. Zunächst soll das System in Deutschland, China und den USA auf den Markt kommen. Sukzessive würden weitere Märkte folgen. Mit Blick auf das notwendige Volumen hat der SAP-Chef dabei in erster Linie die großen europäischen Märkte sowie aufstrebende Märkte wie beispielsweise Brasilien und Indien im Sinn. Über Preise wollen die SAP-Verantwortlichen nicht sprechen. Nur die Metrik steht fest. Abgerechnet werde wie bei anderen On-Demand-Anbietern pro User und Monat. (ba)