CeBit-Rundgang/High-speed-Netze auf der CeBIT '95 HP tritt beim schnellen Ethernet gegen eine starke Marktmacht an

03.03.1995

CW-Bericht, Joachim Hackmann

Die CeBIT ist fuer Netzwerker kein zentrales Praesentationsforum. Vor allem bei den neuen, schnellen und konkurrierenden LAN- Verfahren Fast Ethernet und VG Anylan ueben Distributoren und Hersteller Zurueckhaltung, was das Messeengagement betrifft. Antworten wie "Die CeBIT ist fuer uns nicht interessant, wir warten auf die Interop" waren im Vorfeld des Messe-Events in der niedersaechsischen Landeshauptstadt von einigen Netzspezialisten auf die Frage nach Messeexponaten zu hoeren. Dennoch muss der in Sachen Fast Ethernet und VG Anylan interessierte CeBIT-Besucher nicht erfolglos abreisen - auf der hannoverschen Computermesse gibt es durchaus Produkte zu sehen, wenn auch nur wenige. Dabei genuegt die ueberwiegende Zahl der Produkte der Fast-Ethernet-Norm.

Zur Tortur wird die Laufarbeit bei der Suche nach den LAN- Verfahren Fast Ethernet (100Base-T) oder VG Anylan (100Base-VG) vermutlich nicht, denn das ausgestellte Angebot konzentriert sich auf die Hallen 1 und 6 sowie auf die Netzhallen 11 und 12. Die Mehrzahl der vertretenen Unternehmen hat sich der Fast Ethernet Alliance (FEA) mit ihrem 100Base-T-Vorschlag angeschlossen, einige unterstuetzen beide Verfahren, lediglich Hewlett-Packard steht vorbehaltlos hinter der VG-Anylan-Spezifikation.

Halle 1

In Halle 1 treffen zwei Schwergewichte der beiden konkurrierenden Lager aufeinander. Am Stand 7i2/k1 stellt Hewlett-Packard

(HP), Vorreiter und engagiertes Mitglied des VG-Anylan- Konsortiums, aus. Nur wenige Schritte entfernt, am Stand 8a2/8c1, zeigt die Sun Microsystems GmbH dem Besucher, was im Hause des Workstation-Herstellers an Fast-Ethernet-Produkten entwickelt wird.

Den Kampf gegen die uebermaechtige FEA mit mehr als 60 Mitgliedern und einem Anteil am Netzwerkmarkt von momentan mehr als 80 Prozent hat Hewlett-Packard nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil, die scheinbar ungleiche Ausgangsposition animiert das Unternehmen offensichtlich dazu, sich noch mehr ins Zeug zu legen. So sind auf der CeBIT Hubs, Bridges, Router und PC-Netzwerkkarten von HP zu sehen, die allesamt den IEEE-Standard 802.12 (VG-Anylan-Norm) realisieren.

Die ersten 100Base-VG-Adapterkarten fuer ISA- und EISA-PCs kamen bereits im August letzten Jahres auf den Markt. Es folgten Netzkomponenten wie Hubs, Bridges und Router. Juengstes Mitglied im VG-Anylan-Portfolio ist eine Netzkarte fuer PCI-Rechner. Laut Hersteller ist die Karte mit der Typenbezeichnung J2585A kompatibel zu bestehenden Infrastrukturen. Sie erkennt selbsttaetig und unterstuetzt sowohl herkoemmliche 10Base-T- als auch 100-Mbit/s- Netze. In 10-Mbit/s-Umgebungen kann die Karte im Voll-Duplex-Modus betrieben werden, so dass sich Daten gleichzeitig empfangen und zu versenden lassen.

Ueber aehnliche Funktionen, so verspricht der Workstation-Hersteller Sun, verfuegt auch der "Sun-Fast-Ethernet"-Adapter. Die SBus-Karte ist fuer 10- und 100-Mbit/s-Datenuebertragungen konzipiert, genuegt jedoch anders als die HP-Loesung den Fast-Ethernet-Spezifikationen 802.3 des IEEE. Sie ist mit gepuffertem Direct Memory Access (DMA) und 64 KB RAM fuer Paketpuffer ausgestattet. Als Fast-Ethernet- Schnittstelle verwendet Sun einen anwendungsspezifischen Chip (ASIC) in CMOS-Technik.

Auf der CeBIT praesentiert das Unternehmen den parallelen Datenbank-Cluster "Sparccluster 1000PDB". Die verteilten Komponenten sind ueber eine Fast-Ethernet-Infrastruktur miteinander verbunden.

Halle 6

Waehrend Sun reale Demonstrationen vorfuehrt, taucht der Besucher in Halle 6 in die virtuelle Welt ein. Die Computer 2000 GmbH (C2000) spricht nicht von Multimedia, sie praktiziert es - zu sehen auf dem Stand G 16. In einem Informationstunnel kann der Besucher an Touch-Screens Produktbeschreibungen aus der Datenbank holen. Im C2000-Tunnel gibt es Loesungen von wenigstens fuenf Herstellern zu sehen, und zwar aus beiden Lagern.

Hewlett-Packard ist am C2000-Stand erneut mit ISA- und EISA- Netzwerkkarten (siehe Halle 1), aber auch mit einem VG-Anylan-Hub vertreten. Der "HP Advancedstack 100VG-15" ist ein Multiport- Konzentrator fuer 100-Mbit/s-Netze, die ueber vierpaarige UTP- Leitungen der Kategorie 3, 4 oder 5 zu verkabeln sind. Das Geraet ist mit einem Erweiterungssteckplatz ausgestattet. Optional lassen sich somit SNMP-Management- oder Bridge- und Routing-Funktionen zur Anbindung an weitere LANs integrieren. Maximal 16 Hubs im Stapel verwaltet ein SNMP/Bridge-Modul, wobei zwischen den Netzkomponenten eine Distanz von bis zu 185 Metern erlaubt ist. Zum Lieferumfang des mit 15 RJ45-Anschluessen ausgestatteten Hubs gehoert eine Windows-basierte Verwaltungssoftware.

Ausser HP ist derzeit aus dem VG-Anylan-Konsortium noch die Thomas Conrad Inc. vertreten. Allerdings steht das Unternehmen nicht so vorbehaltlos wie HP hinter 100Base-VG, es entwickelt zudem Loesungen fuer Fast Ethernet. Auf der Messe zeigt C2000 Adapterkarten fuer beide Topologien.

Der Adapter "Thomas Conrad 100-VG" ist fuer das herkoemmliche und das schnelle Ethernet ausgelegt. In der 100Base-VG-Produktreihe gibt es zudem einen Hub mit 24 Ports. Das gleiche Produktangebot bietet Thomas Conrad auch fuer 100Base-T-Netze. Der Adapter verfuegt ueber eine automatische Erkennung der Transferrate und laesst sich in 10-Mbit/s-Umgebungen installieren. Findet spaeter ein Upgrade auf hoehere Transferraten statt, stellt er sich automatisch darauf ein.

Waehrend HP sich auf den VG-Anylan-Standard beruft und Thomas Conrad beide Topologien unterstuetzt, konzentriert sich

3Com voll auf 100Base-T. Auf dem hannoverschen Messestand des Muenchner Distributors sind Informationen ueber 3Coms Fast-Ethernet- Engagement zu sehen, etwa Adapterkarten fuer PCI- und EISA-PCs. Derartige Loesungen gibt es aber auch von der National Semiconductor Corp. Zwei PC-Karten fuer PCI- oder ISA-Rechner hat der amerikanische Halbleiterhersteller entwickelt. Beide sind auf Ethernet- und Fast-Ethernet-Umgebungen ausgelegt und passen sich den

Uebertragungsraten automatisch an. "10/100plus ISA" und "10/100plus PCI" sind SNMP-faehig und entsprechen laut Hersteller den Plug-and- play- sowie Desktop-Management-Interface-Vorgaben von Microsoft und Intel. Die beiden Produkte koennen auch am Actebis-Stand gleich gegenueber von C2000 unter die Lupe genommen werden (Stand F04).

Halle 11

Waehrend sich in Halle 6 die konkurrierenden Lager am C2000-Stand tummeln, gibt es in Halle 11 einen der Hersteller, der im eigenen Hause beide Verfahren verwendet. Die D-Link Deutschland GmbH (Stand C09) war zunaechst nur Mitglied in dem von HP angefuehrten Konsortium, trat spaeter zudem auch der FEA bei. Offensichtlich war diese Mitgliedschaft inspirierender, denn auf der CeBIT sind zunaecht nur zwei Fast-Ethernet-Produkte zu sehen. "Profast DFE- 500TX" ist ein 100Base-TX-Adapter fuer den PCI-Bus und arbeitet in UTP-Verkabelungen der Kategorie 5. Er laeuft im Busmaster-Modus, ohne die CPU des Rechners zu belasten, zudem uebertraegt er im Vollduplex-Modus. Die Karte verfuegt ueber je einen RJ45-Anschluss fuer 10- und 100-Mbit/s-Umgebungen und konfiguriert sich laut Hersteller automatisch.

Mit "Profast DFE-400TX" hat D-Link eine Variante mit identischen Features fuer Vesa-Local-Bus-PCs im Portfolio. Beide

Adapter werden mit Treibern fuer die Netz-Betriebssysteme Netware, ODI, SCO Unix, LAN Manager, Windows for Workgroups, Windows NT und Netbios ausgeliefert. Den Netzadaptern sollen Hubs, Switching Hubs, Repeater und weitere Internetworking-Produkte folgen. Auch Variationen fuer VG-Anylan-Topologien werden kuenftig im Haus D-Link implementiert.

Bieten die bisher genannten Hersteller Adapterkarten vor allem fuer PCs mit ISA-, EISA, PCI oder Vesa-Local-Bus-Architektur an, so hat sich die Farallon Computing Inc. (Stand F19, bei Macvonk) eine Nische im Macintosh-Markt gesucht. Das kalifornische Unternehmen praesentierte ihre "Nubus-10/100"-Karte Anfang Januar erstmals auf der Macworld Expo. Sie entspricht der IEEE-802.3-Spezifikation und ist demnach kompatibel zu anderen Fast-Ethernet-Loesungen. Der Adapter soll in Power-Macintosh, Quadra- und Macintosh-II-Rechnern zum Einsatz kommen. Das Farallon-Produkt basiert auf 3Coms Parallel-Tasking-Technik, die den Datentransfer erhoeht, indem mehrere Tasks simultan bearbeitet werden. Sobald Apple im Sommer dieses Jahres mit der Auslieferung der PCI-basierten Systeme beginnt, wird Farallon ihr Portfolio um eine PCI-Karte erweitern. Beide Varianten, Nubus- und PCI-Karte, sind fuer die Verwendung in 10- und 100 Mbit/s-Umgebungen konzipiert. Sie erkennen die Uebertragungsrate und stellen sich automatisch ein.

Halle 12

Die Chipcom Deutschland GmbH wird zwar erst zur Jahresmitte im Rahmen ihrer Produktfamilie "Onsemble Stacksystem" erste Loesungen mit 100 Mbit/s-Ethernet-Anbindung auf den Markt bringen, doch erste Prototypen des stapelbaren Hubs sind bereits auf der CeBIT am Stand B57 zu sehen. Das Geraet basiert auf dem Fast-Ethernet- Standard und wurde in Zusammenarbeit mit der im August 1994 von Chipcom aufgekauften David System und der National Semiconductor Inc. entwickelt. David System trat noch vor Uebernahme dem VG- Anylan-Konsortium bei, so dass Chipcom, Mitglied der FEA, in beiden Lagern vertreten ist. 100Base-VG-Produkte, so kuendigte Chipcom bereits an, werden folgen.

Bereits verfuegbar sind die Produkte der israelischen High-Tech- Schmiede Lannet Data Communications, die auf dem Stand B27 des Distributors Telemation ausstellt. Deren Fast-Ethernet-Switch- Modul "LHB" erlaubt es, die einzelnen Multinet-Hubs der Israelis ueber 100-Mbit/s-Uebertragungswege zu verbinden. Es arbeitet im Vollduplex-Modus, so dass die volle Kapazitaet in beide Transferrichtungen zur Verfuegung steht. Der Switch-interne Hochgeschwindigkeits-Bus sorgt bei der Kommunikation zwischen Teilnetzen fuer einen Durchsatz von 1,3 Gbit/s. Eine weitere Variante ist der "LFE-100", ein Switch-Modul, das schnelle Strecken zwischen Server-Systemen oder die Verbindung zu Hochleistungs-Workstations realisiert.

Das integrierte Back-Pressure-Verfahren soll den Verlust von Datenpaketen verhindern, indem den sendenden Stationen bei drohender Ueberlast Kollisionssignale gesendet werden. Beide Produkte eignen sich zum Aufbau virtueller LANs und sind fuer den Einsatz in verschiedenen Multinet-Hub-Systemen konzipiert.

Nicht fuer die Workstation- oder Server-Anbindung, sondern fuer kleinere Systeme im Netz produziert die Standard Microsystems Corp. (SMC). Am Stand B06 stellt das Unternehmen zwei Adapterkarten fuer 100Base-T- oder 10Base-T-Umgebungen aus. "Etherpower 10/100" ist eine PCI-konforme PC-Loesung, dagegen wurde "Ether 10/100" fuer EISA-Rechner entwickelt. Bei beiden Loesungen ist der Datendurchsatz softwareseitig einstellbar, im herkoemmlichen 10-Mbit/s-Ethernet laesst sich eine simultane Uebertragung in beide Richtungen durchfuehren. Die Karten unterstuetzen SNMP-Management und werden inklusive Treiber ausgeliefert. Auf der Hardware sind LEDs zur Ueberwachung der Verbindung zwischen Adapater und Hub installiert. Der Hersteller beweist Mut, denn er gewaehrt fuer beide Loesungen eine Garantie auf Lebenszeit.

ATM-World

Wer sich neben Fast Ethernet und VG Anylan auf der CeBIT ueber weitere Hochgeschwindigkeitsnetze informieren moechte, dem sei die Halle 11, Stand B 50, empfohlen, denn dort treffen sich die verschiedenen Hersteller zur ATM-World. Vertreten sind dort unter anderem die Richard Hirschmann GmbH & Co., IBM, AT&T, Fuba Hans Kolbe & Co., General Datacom, Madge, DEC und Pandacom.

Die ATM-World ist an das CeBIT-Demonstrationsnetz Newsnet angeschlossen. Basierend auf einer Lichtwellenleiter-Verkabelung in den Hallen 11 und 12 bietet die Infrastruktur den Ausstellern eine Plattform dafuer, ihre Systeme zu demonstrieren. Die Hersteller koennen an das Newsnet Ethernet-, Token-Ring- und FDDI- Applikationen anschliessen, aber auch ATM-Verfahren und Loesungen fuer die beiden 100-Mbit/s-Ethernet-Topologie einsetzen. Ob sie dieses Angebot nutzen und beispielsweise 100Base-T und 100Base-VG im Einsatz zeigen, war im Vorfeld der Messe nicht zu erfahren. Zwischen der ATM-World und dem Newsnet Meeting Point in der Halle 12, Stand B76, besteht eine Verbindung.

Neben der Bereitstellung der technischen Infrastruktur zu Demonstrationszwecken beinhaltet das Newsnet fuer jeden Teilnehmer den Zugang zum Internet. Der Zugriff wird ueber eine 2-Mbit/s- Verbindung realisiert. Erstmals koennen auch Besucher am Meeting Point in Internet-Diensten wie FTP, World Wide Web (WWW), Telnet oder UUCP suchen.