CeBIT: Heilige Kuh "Halle eins"

12.04.1985

Jeder, der Hannover liebt und fürchtet, hat seine Schwierigkeiten, einen Vorteil für die zweigeteilte Messe zu entdecken. Doch die Entscheidung der Hannover-Messe-AG ist endgültig: 1986 soll Schluß sein mit dem Gigantismus - CeBIT bekommt einen eigenen Termin.

Die Situation der Hannover-Messe-AG war nicht leicht. Wir sagen das ohne Schadenfreude. Wie das " Welt-Centrum der Büro- und Informationstechnik" sichern und gleichzeitig die Industriemesse nicht gefährden? Diese Frage ließ sich nach Ansicht der Verantwortlichen nur mit einer Zellteilung beantworten.

Eines steht fest: Den Anspruch, "Messe der Messen" zu sein, wird man 1986 so nicht mehr aufrechterhalten können - der Nimbus der Einmaligkeit ist weg. Man stelle sich vor, das Münchner Oktoberfest würde in ein Sauf-Forum und einen Karussell-Kongreß aufgesplittet!

Die Hannoveraner tun auch gar nicht erst so, als sähen sie das Problem nicht. Die relative Position, sowohl des CeBIT als auch der Industrieschau, wird sich verschlechtern in der nationalen und internationalen Messe-Landschaft - selbst dann, wenn die Aussteller- und Besucherzahlen weiter steigen sollten. Das ist Messe-Mathematik.

Bleibt die Frage, ob der Schnitt (siehe Zellteilung) an der richtigen Stelle angesetzt wurde. Das Produktspektrum im geplanten neuen CeBIT-Schaufenster entspricht im großen und ganzen dem bisherigen Angebot. Daß es für industrielle Anwendungen, etwa CAD/CAM-Lösungen, strittig ist, wo sie darstellungsmäßig hingehören - in den CeBIT-Bereich oder in die Industriemesse - geben die Planer unumwunden zu. Dies läßt sich organisieren, und der Wille der Beteiligten ist erkennbar, den optimalen Weg zu finden.

Indessen scheint die Analyse wenig akzeptabel, die das Beiboot-Konzept rnittragenden Verbände sorgten sich ernstlich um den Erfolg der "neuen" CeBIT. lnsbesondere denjenigen, die nicht in Halle 1 ausstellen, geht das alles ein bißchen zu glatt. Jahrelang hatten sie eine Umverteilung gefordert, was die Standflächen und damit die Demo-Präferenzen-betrifft.

Nun wird sich aber gerade diesbezüglich wenig ändern. O-Ton Messe-AG: "... marginale Veränderungen" (siehe auch Round-table-Gespräch im Messeteil dieser Ausgabe). Die Halle 1 bleibt, was sie ist: ein Gemischtwarenladen. Es hinterläßt einen faden Beigeschmack, daß weder der Bund Deutscher Unternehmensberater (BDU) noch der Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) oder der Bundesverband Vertriebsunternehmen Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik (BVB) auf diesen Punkt eingehen.

Das Thema scheint tabu. Es dürfte freilich jetzt den Verbandsfunktionären schwerfallen, sich als eifrige Verfechter einer CeBIT-Entflechtung darzustellen. Die Chance dazu bestand mit der neuen Konzeption. Sie wurde vertan. Aber womöglich hätte sich herausgestellt, daß das Platzproblem (Stichwort "Warteliste") bei einer Neugliederung gar nicht mehr akut gewesen wäre. Kein Bedarf, aus Ausstellersicht, an einer eigenen CeBlT-Schau - diese mögliche "Gefahr" wollte man denn doch nicht heraufbeschwören.

Man versteht die Messe-Macher aus der Leinestadt - sie fühlen sich als "Risiko-Manager". Für die Verbandslobbyisten könnte die Kungelei um CeBIT-Vorzugsplätze indes noch ein Nachspiel haben.