CeBIT: Größer denn je wirklich groß?

18.03.1988

Am 18. August 1947 erblickte die Hannover-Messe das Licht dieser Welt. 1300 Aussteller präsentierten sich in fünf Hallen mit 30 000 Quadratmetern und zeigten, was es nur zu zeigen gab. Heute, zur dritten CeBIT ohne Industrieanhang, stellen mehr als 2500 Aussteller auf über 200 000 Quadratmetern nur Produkte der Bereiche Informations- und Kommunikationstechnik aus.

Vor 41 Jahren, bei der Premiere der Exportmesse, dachte noch niemand daran, daß sich Hannover einmal zu einem weltweiten Industrieereignis entwickeln würde. Es hätte auch niemanden interessiert. Wichtig war damals nur, nach dem Zusammenbruch Deutschlands überhaupt eine solche Messe veranstalten zu können, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. So nahm man auch wortlos die dürftigen Ausstellungseinrichtungen oder schlechten Übernachtungsmöglichkeiten der ersten Messen in Kauf. Es kam nur darauf an zu demonstrieren, daß die deutschen Unternehmen wieder Qualitätsprodukte jeglicher Art anzubieten hatten.

Die 1300 Aussteller präsentierten auf der Exportmesse 1947 alles, was sie damals produzierten - vom Schnürsenkel bis hin zum Automobil. Bestaunt wurden die "Exponate" von 736 000 Besuchern - fast die gleiche Zahl kam 1984 zur Hannover-Messe - , darunter 4000 Ausländer, die allein berechtigt waren zu kaufen und zu bestellen. Dies war der Beginn einer Industriemesse, die von Jahr zu Jahr nicht nur immer mehr Geschäfts- und Fachleute aus dem In- und Ausland nach Hannover zog. Auch für die Industrie-Unternehmen aller Branchen wurde die Hannover-Messe zunehmend zur Pflichtveranstaltung. Aus dem "Gemischtwarenladen" bei der Premiere entwickelte sich ein wohlstrukturiertes Messeprogramm, das alle Branchen vereinte. Das Messegelände wurde immer größer, neue Hallen kamen hinzu, Pavillons zierten das Freigelände. Die improvisierten Ausstellungsstände verschwanden und machten sorgfältig geschmückten und dekorierten Bauten Platz.

Eine starke Branche war auf der Hannover-Messe von jeher die Büroindustrie. Vor allem die Büromaschinen, bei der Premiere 1947 nur vereinzelt durch Rechenmaschinen vertreten, beanspruchten immer mehr Platz und brachten die Messeleitung damit Jahr um Jahr in allergrößte Verlegenheit. Ein ums andere Mal mußte die Halle 17, Heimat der Bürowirtschaft, umgebaut, neugebaut erweitert werden. Ende der sechziger Jahre schließlich, aus den Büromaschinen waren inzwischen elektronische Datenverarbeitungsanlagen geworden, trug die Messe AG dem rasanten Wachstum dieser Branche Rechnung und baute die CeBIT-Halle 1. Schon wenige Jahre später war das Zentrum der Büro- und Informationstechnik Anziehungspunkt Nummer 1 der Hannover-Messe. Nicht nur Fachleute stürmten die Halle, auch das "Schaupublikum" reizte es zunehmend, die Computer zu bestaunen. Dies führte dazu, daß dem CeBIT immer mehr Hallen angegliedert werden mußten: In den frühen achtziger Jahren präsentierten sich auch in den Hallen 2, 3, 4 und 18 Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik.

Längst hatte die Hannover-Messe Weltgeltung erlangt. Keine andere Messe konnte so viele Besucher vermelden, keine andere hatte eine derart große Ausstellungsfläche aufzuweisen. Doch man war auch an die Grenze des Machbaren gestoßen. Die Messe platzte aus allen Nähten. 1986 schließlich wurde das weltweit größte Industriespektakel von der Messe AG unsanft geteilt. Man lagerte die Informations- und Kommunikationstechnik in einer eigenständigen CeBIT aus und läßt sie seitdem vier Wochen vor der eigentlichen Industriemesse stattfinden.

Auch heute noch sind die Diskussionen über Sinn und Unsinn dieser Zweiteilung nicht verstummt. Im Gegenteil: Immer mehr renommierte DV-Unternehmen versagen der CeBIT ihre Teilnahme, und auch die wichtigsten Besucher, nämlich die Entscheider aus den Unternehmen, bleiben aus. Die Messeleitung jedoch macht weiter in Euphorie, reibt sich schon jetzt die Hände angesichts der heuer zur CeBIT mehr als 400 000 erwarteten Besucher - und sieht ihr Konzept voll und ganz bestätigt. Welch Wandel in 41 Jahren: 1947 wurden "im Sinne guter Qualität" - wie es damals hieß - nur 1300 Aussteller zugelassen, obwohl sich 3000 gemeldet hatten. Heute aber regiert Masse statt Klasse. Heute ist die Messe AG froh über jeden Aussteller, der an der CeBIT teilnehmen will.