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CeBIT-Eröffnung: Tanzende Roboter und die Maut

18.03.2004
Auf der CeBIT-Eröffnungsveranstaltung betonten Redner, die gewohnten Grenzen zwischen professioneller und Unterhaltungselektronik hätten sich aufgelöst.

Die CeBIT hat nun auch offiziell die Privatkunden entdeckt. Auf der Eröffnungsveranstaltung betonten Redner, die gewohnten Grenzen zwischen professioneller und Unterhaltungselektronik hätten sich aufgelöst.

Wie schnell sich doch die Zeiten ändern: Noch vor zwei Jahren waren Teile des Sony-Standes auf der CeBIT mit rot-weißen Plastikbändchen abgesperrt. Der japanische Elektronikkonzern durfte seine "Playstation" nicht zeigen. Microsoft hatte eine einstweiligeVerfügung erwirkt, weil der Gates-Company von der Messeleitung ebenfalls untersagt worden war, die eigene Spielekonsole "Xbox" dem Publikum vorzuführen. Computerspiele, Daddler und überhaupt Consumer-Elektronik passten seinerzeit - zumindest offiziell - nicht ins Konzept.

Bei der Eröffnung der diesjährigen CeBIT in Hannovers altehrwürdigem Kuppelsaal war alles anders. Mit Kunitake Ando, Präsident und COO der Sony Group, durfte erstmals ein hochrangiger Manager eines Unternehmens die Keynote-Ansprache halten, das nicht als reine IT-Company gelten kann. Und um den Wandel der Zeit zu demonstrieren, ließ sich Ando von zwei seiner bekannten "Krio"-Roboter ankündigen, die ihrerseits eine mehrminütige Balletteinlage auf offener Bühne mit dem gesprochenen Satt beendeten: "Ladies and Gentleman: Let us welcome Mr.Ando!"

Die mehr als 2000 Gäste der Eröffnungsveranstaltung spendeten dieser Darbietung frenetischen Beifall – -nicht nur, um damit dem gelungenen Gag Andos ihre Referenz zu erweisen, sondern weil der Tanz der blechernen Sony-Winzlinge die Hoffnungen einer ganzen Branche versinnbildlichen. Willi Berchtold, Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), hatte es in seiner Rede auf den Punkt gebracht: "Die Grenzen der Branche haben sich verschoben. Digitale Consumer Electronics sind heute Teil der Informations- und Kommunikationstechnik." Der Bitkom-Präsident hätte auch sagen können: der vermutlich entscheidende Teil. Denn die Tatsache, dass es laut Berchtold weltweit in der ITK-Branche mit einem für 2004 prognostizierten Wachstum "wieder aufwärts geht", hat nicht nur mit dem wieder gestiegenen Interesse an neuer ERP-Software oder sonstiger klassischer IT-Infrastruktur zu tun, sondern vor allem auch mit den neuen

Kamera-Handys, Spielekonsolen und schnellen Internet-Anschlüssen, die den Consumer (und IT-Professional) von heute und morgen ansprechen sollen.

Sony-Chef Ando blieb denn auch in puncto künftiger Multimedia-Szenarien kaum etwas schuldig. Natürlich ist seine Company im Hinblick auf die immer stärker konvergierenden Märkte mehr denn je gut aufgestellt, und natürlich werden alle Beteiligten, Hersteller wie Konsumenten, von dieser Entwicklung profitieren. Die PC- und IT-Revolution eroberte, so Ando, zunächst die Vereinigten Staaten "mit einem klaren Fokus auf Produktivität und Unternehmensanwendungen". Jetzt aber biete die zunehmende Digitalisierung eine einmalige Chance, das "gesamte Leistungspotenzial der CPU und die Speicherkapazität für die Unterhaltungselektronik nutzbar zu machen". Die bereits 1995 vom damaligen MIT-Professor Nicholas Negroponte verbreitete Vision "Being Digital" werde jetzt im Alltag der Menschen Realität. Auch für das vermeintlich rückständige Europa fand Ando lobende Worte. Die Europäer waren und sind führend bei der Etablierung weltweiter

Mobilfunkstandards, seien somit "Trendsetter" in der digitalen mobilen Kommunikation.

Bei so viel Lob und Optimismus wollte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht zurückstehen. Der Kanzler nutzte die Bühne des Kuppelsaals, um neben der unverzichtbaren Werbung für die Agenda 2010 auch das Innovationsthema und damit die "Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts" offensiv anzusprechen. Letzterer komme bei der Modernisierung Deutschlands eine "Schlüsselfunktion" zu. Erste Erfolge auf dem Weg dorthin seien, so der Kanzler, bereits sichtbar. "Aber wir wollen und müssen noch besser werden." Dazu gehöre die flächendeckende Bereitstellung von staatlichen Dienstleistungen über das Internet ebenso wie die Nutzung digitaler Signaturen. Schröder bekannte sich in diesem Zusammenhang auch zur flächendeckenden Einführung einer Gesundheitskarte bis 2006. Angesichts der "Komplexität" dieses Vorhabens müsse aber auch sichergestellt sein, "dass es funktioniert". Mit diesem Seitenhieb auf das bisherige Pleiten-Pech-und-Pannen-Szenario bei

der Lkw-Maut hatte der Kanzler die Lacher auf seiner Seite. Er sei sich im Übrigen, so Schröder mit Blick auf den in erster Reihe sitzenden Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, sicher, dass das Projekt in dem nun "neu definierten Zeitrahmen" zum Erfolg führen werde. Für die beteiligten Firmen sei dies inzwischen auch eine "Frage der Ehre". Unverändert gehe er davon aus, dass die deutsche Industrie hier "nicht ein Gesellen-, sondern ein Meisterstück abliefern werde". (gh)