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CeBIT: "Ein neues Herkules-Angebot macht für uns keinen Sinn"

11.03.2005
HANNOVER (COMPUTERWOCHE) - T-Systems-Chef Konrad Reiss stand auf der CeBIT CW-Redakteur Joachim Hackmann Rede und Antwort.

CW: Sie haben kürzlich überraschend bekannt gegeben, dass T-Systems das zusammen mit Siemens Business Services und IBM betriebene Bieterkonsortium TIS verlassen werden. Warum?

Reiss: Das Design für das Projekt Herkules ist vor vier Jahren entstanden. Das Konsortium TIS aus T-Systems, IBM und Siemens Business (SBS) hat damals ein Angebot eingereicht. Nachdem die Verhandlungen mit dem konkurrierenden Konsortium Isic 21 abgebrochen wurden, sind wir gebeten worden, unser Angebot zu überarbeiten. Daran haben wir intensiv und ernsthaft unter den Bedingungen der ursprünglichen Ausschreibung gearbeitet. Trotz intensiver Anstrengung sind wir schließlich zu dem Schluss gekommen, dass es für uns keinen Sinn macht, ein neues Angebot abzugeben, und sind folgerichtig aus dem Konsortium ausgeschieden. Wir stehen aber weiterhin bereit, als Partner Leistungen für das Projekt zu erbringen.

CW: In den vergangenen vier Jahren hat sich im technischen Bereich sehr viel verändert. Eigentlich müsste man doch eine neue Ausschreibung starten. Warum tun sich die Behörden in Deutschland so schwer?

Reiss: Die öffentliche Hand und die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in der Zusammenarbeit enorme Fortschritte gemacht. Trotzdem müssen beide Seiten weiter daran arbeiten. Zum Beispiel unterliegen alle öffentlichen Ausschreibungen in Europa im Prinzip dem gleichen Recht. Die Interpretation dieser Rahmenbedingungen ist jedoch von Land zu Land sehr verschieden. Bei uns geben öffentliche Ausschreibungen häufig sehr detailliert vor, wie welche Leistung zu erbringen ist. Wir müssen jedoch dahin kommen, dass sich Ausschreibungen auf den Leistungsrahmen konzentrieren. Die Anbieter müssen die Möglichkeit haben, kreativ und innovativ über die Form und den Prozess der Leistungserbringung nachzudenken.

In England gibt es das Oversize-Board, ein Gremium, in dem Vertreter der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft gemeinsam nicht nur über die Interpretation der Rahmenbedingungen, sondern auch über konkrete Ausschreibungen diskutieren.

CW: Das Mautprojekt hat die Bilanz bei Daimler-Chrysler getrübt. Welche Auswirkungen hat die Maut auf Ihre Geschäftszahlen?

Reiss: Wir haben die Toll-Collect-Beteiligung im letzten Geschäftsjahr von der AG übernommen. Das spiegeln unsere Zahlen auch wider.

CW: Müssen Sie weitere Rückstellungen bilden, etwa weil noch Schadensersatzforderungen der Bundesregierung auf Sie zukommen.

Reiss: Nein, wir sehen keine Notwendigkeit, wegen der Schadensersatzforderung Rückstellungen zu bilden.

CW: Zuletzt hat sich beim Umsatz von T-Systems nicht viel bewegt. Zudem ist das Servicegeschäft von einem enormen Konsolidierungsdruck geprägt. Sehen Sie den Bedarf, Ihr Geschäftsfeld durch Akquisitionen zu erweitern?

Reiss: Nach wie vor erzielen wir ein knappes Drittel unseres Geschäftes im Telekom-Konzern, der aber seinen Bedarf an ICT deutlich reduziert hat. Darunter hat unser Umsatz gelitten. Wenn man den Umsatz mit allen anderen Kunden betrachtet, sind wir um ein Prozent gewachsen und eine noch detailliertere Analyse zeigt, dass wir im IT-Servicegeschäft, also mit System-Integrations- und Outsourcing-Diensten, um 10,4 Prozent gewachsen sind. Der Rückgang im TK-Geschäft ist ausschließlich im internationalen Carrier-Geschäft entstanden, aus dem wir uns - bedingt durch die Margen-Situation in diesem Segment - ein gutes Stück zurückgezogen haben. Der Umsatz im TK-Business mit Geschäftskunden ist im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben, in der Profitabilität haben wir dort deutlich zugelegt.

CW: Liegt Ihr Augenmerk demnach auf Gewinnoptimierung und weniger auf Umsatzwachstum?

Reiss: Ja. In unserem Geschäft kann man schnell wachsen, wenn man zu Kompromissen bei der Profitabilität bereit ist. Das haben wir bislang nicht getan, und das werden wir auch nicht tun. Wir wollen profitabel wachsen.

CW: Die Konkurrenz scheint das anders zu sehen. Insbesondere die französischen IT-Dienstleister drängen mit Übernahmen und Outsourcing-Aufträgen auf den deutschen Markt.

Reiss: In einer Marktkonsolidierungsphase kann es sinnvoll sein, strategische Preise zu zahlen. Das werden wir in Deutschland nicht machen, es wäre bei unserer hiesigen Markposition ökonomisch nicht sinnvoll. Das ist etwas anderes, wenn wir im Ausland an strategischen Projekten arbeiten.

CW: Der Preiskampf im Servicemarkt ist härter geworden. Wie wollen Sie sich diesem Trend stellen?

Reiss: Der Preis ist zwar ein wichtiges, aber nicht das alleinige Kriterium. Darüber hinaus ist die Qualifikation insbesondere im Offshoring von entscheidender Bedeutung. Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren ein internationales Netz mit Servicekapazitäten für unsere Top-60-Kunden aufgebaut mit Standorten in Südafrika, Indien und Russland. SAP-Applikationen managen wir beispielsweise aus Südafrika heraus - nicht weil die Personalkosten am günstigsten sind, sondern weil die Kombination aus Kosten und Qualifikation dort am besten ist.

CW: Im Systems-Integrationsgeschäft wirft die Konkurrenz T-Systems immer wieder eine sehr aggressive Preispolitik vor.

Reiss: Unsere Größe bietet uns Skaleneffekte. Das hilft bei der Preisgestaltung.

CW: Wachsen Sie im System-Integrationsgeschäft?

Reiss: In den vergangenen zwei Jahren haben wir unser Niveau gehalten.

CW: Schreiben Sie schwarzen Zahlen im Systems-Integrationsgeschäft?

Reiss: Ja.

CW: Wie wird sich das Geschäft entwickeln?

Reiss: Das Geschäft ist schwierig, aber wichtig, sowohl für die Kunden als auch für unser Outsourcing-Geschäft. Toll-Collect ist abseits der bekannten Probleme ein gutes Beispiel. Dort wurde mit Unterstützung der System-Integrations-Einheiten ein neues System errichtet, das unsere Rechenzentrums- und Netzwerk-Bereiche für die nächsten zehn Jahre betreiben werden.

CW: Sie sprachen bereits Lücken im weltweiten Markt an. Wie wollen Sie diese schließen?

Reiss: Ich bin nicht unzufrieden mit unserem internationalen Geschäft. Dadurch, dass T-Systems in Deutschland so groß ist, erscheint das Geschäft im Ausland kleiner, als es ist. In vielen Ländern haben wir uns aber eine führende Position erarbeitet, wenngleich wir insgesamt noch deutlich zulegen wollen.

CW: Was wollen Sie noch verbessern?

Reiss: Zum einen geht es darum, bei unseren größten 60 Kunden den Anteil an den für uns relevanten Geschäftsteilen zu erhöhen. Dabei interessiert uns insbesondere der nicht-deutsche Teil. Dazu haben wir den Geschäftsbereich Enterprise Services globaler aufgestellt, so dass die einzelnen Bereiche heute die weltweite Ergebnisverantwortung haben.

CW: Ihre Dienstleistungen sind sehr Infrastruktur-nah. Welche Rolle spielt bei Ihnen künftig der Bereich Business Process Outsourcing, also die Übernahmen von Geschäftsprozessen?

Reiss: Wir konzentrieren uns hier auf vier Angebote. Bei Personaldienstleistungen und Gehaltsabrechnungen haben wir schon heute eine gute Marktposition. Das gleiche gilt für BPO bei Billing.

Ein weiteres Feld ist die Wertpapierabwicklung für Banken. Dort ist T-Systems der erste nicht aus dem Bankenumfeld stammende Prozess-Management-Anbieter. Wir haben dazu mit Trinkaus und Burkhard ein Joint Venture gegründet. Trinkaus und Burkhardt bringt das Bank- und Prozess-Know-how ein, wir haben das Wissen über den IT-Betrieb. Der vierte BPO-Ansatz ist Road Charging, also das Erfassen von Maut.

CW: Im Zuge der Neuorganisation des Telekom-Konzerns trägt T-Systems seit Jahresanfang die Gesamtverantwortung für die Betreuung sämtlicher Geschäftskunden und muss dazu 13 000 neue Mitarbeiter vornehmlich aus dem Flächenvertrieb in die eigene Organisation integrieren. Werden Sie das Projekt noch in diesem Jahr abschließen können?

Reiss: In der operativen Integration sind wir schon relativ weit fortgeschritten. Dabei müssen wir Systeme und Organisationsstrukturen ändern. Zum Beispiel müssen wir unsere internen CRM-Systeme anpassen. Ich gehe davon aus, dass wir diese Aufgabe im Lauf des Jahres abschließen. Die juristische Verschiebung der Einheiten, die im Hintergrund läuft, wird länger dauern.

CW: Sie wollen Ihren mittelständischen Geschäftskunden jeweils nur noch einen Ansprechpartner zuordnen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter den Überblick über die gesamte Produktpalette von T-Systems haben und diese vermarkten?

Reiss: Im ersten Schritt fokussieren wir unser vorhandenes Serviceportfolio noch stärker. Die vielen Produkte, insbesondere im TK-Umfeld, werden wir auf wenige, leistungsstarke reduzieren. Wir werden sie zudem so gestalten, dass sie modular und standardisiert sind. Gleichzeitig werden wir den neuen Teil des Portfolios, der aus der IT kommt, neu aufbauen. Gemeinsam mit Partnern wie SAP und Siebel, aber auch mit lokal tätigen Systemhäusern.

Das Prinzip "One face to the customer" bedeutet für uns nicht, dass jeder T-Systems-Mitarbeiter das gesamte Portfolio beherrschen muss. Unsere Vertriebskollegen müssen zusammen mit dem Kunden die Beziehung weiterentwickeln. Je nach Thema müssen sie den richtigen IT- oder Telekommunikations-Spezialisten zu Gesprächen hinzuziehen und das Projekt koordinieren.

CW: Die Verlagerung des Vertriebs in die Fläche hat ja in der Vergangenheit in anderen Unternehmen schon oft Probleme bereitet, weil die Mitarbeiter vor Ort nur die Teile des Portfolios verkauft haben, die sie kennen oder die gute Provisionen versprechen. Wie wollen Sie solche Schwierigkeiten vermeiden?

Reiss: Das stellen wir mit der beschriebenen Aufgabenteilung sicher. Die Organisation des Flächenvertriebs ist nichts Neues für die Telekom. Der war bislang lediglich aufgeteilt zwischen T-Systems und T-Com. Jetzt bündeln wir beide in der Geschäftskundensparte T-Systems. Außerdem konzentrieren wir uns bei unserem Angebot auf weniger Produkte, die aber einen hohen Kundennutzen haben. Das Thema Weiterqualifizierung wird hier auch eine wesentliche Rolle spielen.

CW: T-Com hatte zwischenzeitlich auch Ambitionen im Servicemarkt. Hat es dort Ärger gegeben, weil die Verantwortung für die Mittelstandskunden der T-System übergeben wurde?

Reiss: Die T-Com betreut die Festnetzkunden im Massenmarkt mit allem, was dazu gehört, betreut. Das Geschäft war und ist gekennzeichnet durch standardisierte Produkte, intensive Werbung und einem Vertrieb über T-Punkte und Online-Shops. Innerhalb T-Com gab es aber auch das Segment Business-Vertrieb, das die mittelständischen Geschäftskunden angesprochen hat. Nur die Verantwortung für diese Kunden, die im Direktvertrieb betreut wurden, gehören seit Jahresanfang zur T-Systems. Kleinere Geschäftskunden wie Ärzte und Rechtsanwälte bleiben bei T-Com, da das Kaufverhalten dieser Klientel dem von Privatkunden ähnelt. Die neue Struktur im Telekom-Konzern ist klarer, weil wir jetzt eine Geschäftskundenorganisation auf der einen und eine Consumer orientierte Organisation auf der anderen Seite haben.