Positive Grundstimmung auf der Hannover-Messe läßt DV-Branche wieder hoffen:

CeBIT-Anbieter im frischen Konjunkturwind

22.04.1983

HANNOVER (ha) - "Jammern macht keine vollen Kammern", an dieser Bauernregel orientierten sich offensichtlich die Aussteller von Informations- und Kommunikationstechnologien auf der diesjährigen Hannover-Messe. Der Markt scheint diesen Optimismus vor dem Hintergrund eines gesamtwirtschaftlich verbesserten Investitionsklimas bereits zu honorieren: Glaubt man den CeBIT-Anbietern, so sprengte die Nachfrage alle Erwartungen. Im Mittelpunkt des Publikumsinteresses standen dabei Mikrocomputer-Novitäten, CAD/CAM-Exponate sowie integrierte Lösungen im Bereich der Bürokommunikation.

Das "Pflänzchen Konjunktur", das nach den Worten des Präsidenten des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) Tyll Necker, noch "kräftig gepflegt" werden muß, scheint allmählich zu gedeihen. Während in den meisten Industriezweigen neben aufkeimende Hoffnung noch einige Skepsis zu vernehmen war, versprach das Stimmungsbarometer im CeBIT den Herstellern von Informations- und Kommunikationstechnologien stark verbesserte Wetteraussichten. Pendelten sich die Besucherzahlen der letzten Hannover-Messe noch auf die Werte des Vorjahres ein, so wurden heuer Rekordzuwächse gemeldet. Der zweite Messetag erwies sich als der bestfrequentierteste seit Anfang der 70er Jahre. Die Veranstalter mußten sogar rund 50 000 Eintrittskarten nachdrucken.

Daß sich der zeitweilige Andrang auch auf die Hoffnungen der Anbieter auswirkte, macht eine Umfrage der Messegesellschaft bei CeBIT-Ausstellern deutlich. Eine große Zahl von Geschäftsanbahnungen ließe darauf schließen, daß sich der Markt in einem deutlichen Aufschwung befinde. Speziell bei mittelständischen Unternehmen sei die Investitionsbereitschaft gewachsen, nachdem die "gesamtwirtschaftlichen Indikatoren" stimmten. Dabei knüpften sich die Erwartungen insbesondere an die "progressive Nutzung der Mikroelektronik", die für ein immer besseres Preis-/Leistungsverhältnis der Produkte sorge. Hier trete die Informationstechnologie bereits in eine Reifephase ein. Für alle Funktionen im Betrieb würden inzwischen preisgünstige Lösungen geboten.

Die Entwicklung im CeBIT zeigte in diesem Jahr mehr denn je eine gewisse Umkehr der bisherigen DV-Prioritäten. Ansatzpunkt für die heutigen Techniken ist der multifunktionale Arbeitsplatz, nicht mehr der Großrechner, der seine Leistung nur noch omnipotent dorthin delegiert. So konzentrierte sich denn auch nahezu die gesamte DV-Industie auf dezentrale, dialogorientierte Systeme und Anwendungen.

Mikroflut verwirrt Benutzer

Die wichtigsten Novitäten wurden jedoch bei den Mikrocomputeranbietern registriert. Rund 250 Firmen aller Leistungs- und Produktebenen trugen beim Messebesucher allerdings eher zur Verwirrung als zu einem guten Marktüberblick bei. Interessenten, die sich über das Messe-Informationssystem "EBI" ein Ausstellerverzeichnis ausdrucken ließen, waren entsetzt über die 212,8 Zentimeter lange Papierschlange, die sie in den Händen hielten. Dennoch waren die PC-Stände von CeBIT-Bummlern geradezu überflutet.

Das Interesse galt vor allem Personal Computern, die Btx- und Netzwerkfähigkeiten aufwiesen. Trotz eines umfangreichen Hardwareangebotes blieben aber Fragen nach Anwendungssoftware in der Regel unbeantwortet. Ein neuer Trend war indes bei portablen Mikros auszumachen.

LAN-Euphorie gewichen

Hielten sich die Mainframe-Anbieter mit revolutionären Konzepten weitgehend zurück, ließen sich neue Aktivitäten bei den Minicomputerherstellern erkennen. Auf der Flucht in neue Märkte zeigten sie vorrangig Fahne bei Btx- und CAD/CAM-Lösungen. Zudem gaben sich die traditionellen Mini-Maker betont softwarebezogen. Kaum ein Stand, auf dem der "Zaunpfahl" nicht in Richtung kommerzielle Standardprogramme wies.

Über mangelnden Zuspruch konnten sich auch die Aussteller von Büroautomationssystemen nicht beklagen. Jedoch trug die Vielzahl der angebotenen Produkte und Konzepte sowie die anhaltende Diskussion um die Kabeltechnologien künftiger Inhouse-Netzwerke zur Verunsicherung der Benutzer bei. Die Reaktionen der Anwender ließen somit erkennen, daß die noch zur letzten Hannover-Messe vorherrschende LAN-Euphorie einer abwartenden Haltung gewichen ist.

Im Bereich der außerbetrieblichen Datenkommunikation wurden zahlreiche Lösungen zur Nutzung der Fernmeldedienste Datex-P und Datex-L vorgestellt. Aber das Hauptthema an den Mainframe-Ständen wie an den Mikro-Tresen hieß Bildschirmtext. Unverkennbar jedoch daß die kürzlich bekanntgegebene Verzögerung des neuen Post-Dienstes die Überschwenglichkeit der Anbieter erheblich dämpfte.

Über eine rege Nachfrage konnten sich auch die zahlreich vertretenen CAD/CAM-Hersteller freuen. Diese Branche gibt sich besonders optimistisch, doch die Auftragsbücher enthalten immer noch vornehmlich leere Seiten. Beobachter der CAD/CAM-Szene meinen, daß die Kaufzurückhaltung der Benutzer trotz echten Interesses mit dem nach wie vor unzureichenden Programmangebot zu erklären sei. Daß sich hier schon bald eine Wende abzeichnen könnte, lassen die Offerten der im CeBIT ausstellenden Softwarehäuser erkennen. Einer der Schwerpunkte an der Weichware-Front waren neue Pakete für CAD/CAM-Anwendungen.

Softwarehäuser folgen Mikrotrend

Bahnbrechendes hatten die Programmierschmieden in Hannover jedoch kaum zu bieten. Bei genauerem Hinsehen, so ein CeBIT-Gänger, entpuppte sich so manches "neue" Softwarepaket als "neuerfundenes Rad". Analog dem Angebot der Hardwarehersteller zeichnete sich aber auch hier der Trend zu Mikrocomputer- und Bürokommunikationsprogrammen ab. Bemerkenswert erschien lediglich das Arsenal neuer Programmierhilfen. Von einigen Ausstellern wurden Tools zu "Ketten" zusammengebunden, so daß das Ausgangsprodukt der ersten Entwicklungsstufe zugleich den Input einer weiteren darstellte.

Ob sich Besucherzahlen und -interessen nun auch positiv in den Auftragsbüchern niederschlagen werden, bleibt abzuwarten. An einer positiven Grundstimmung in der Informations- und Kommunikationsindustrie wirkten jedenfalls Messeredner wie Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und die niedersächsische Ministerin für Wirtschaft und Verkehr, Birgit Breuel, bereits in der Eröffnungsfeier kräftig mit. "Wir müssen den Zug der wirtschaftlichen Entwicklung wieder vom Abstellgleis holen, auf das er durch die falschen Signale der Subventionspolitik geraten ist", bekräftigte Lambsdorff. Wie selten zuvor seien die Erwartungen der Unternehmen wie der Wirtschaftspolitik auf die diesjährige Messe gerichtet. Die niedersächsische Ministerin, die als Vorsitzende des Aufsichtsrates der Deutsche-Messe- und Ausstellungs-AG fungiert, hängte ihre "Motivationsrede" gar an einem Martin-Luther-Zitat auf: "Und wenn ich wüßte, daß morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."