CeBIT: Alles im grünen Bereich

03.03.2008
Umweltschutz braucht IT. So lautet das Credo des ITK-Branchenverbands Bitkom zur Eröffnung der diesjährigen CeBIT. Gleichzeitig hofft die Branche aber auch, neue Geräte verkaufen zu können.

Moderner Umweltschutz braucht Hightech", sagte Martin Jetter, Geschäftsführer von IBM in Deutschland und Präsidiumsmitglied des Bitkom, auf einer Presskonferenz im Vorfeld der CeBIT. Das Wirtschaftswachstum führe zwangsläufig zu einem steigenden Energieverbrauch und damit zu einem höheren CO2-Ausstoß. Um diese Kette zu durchbrechen, müsse das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch entkoppelt werden, fordert der Manager. Dies könne nur durch den Einsatz energieeffizienter Produkte funktionieren.

Green IT

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Viel Hype - wenige Projekte

Nach Einschätzung der Experten von Gartner hat sich das Thema Green IT in den vergangenen zwölf Monaten vom Nischenthema zum Hype entwickelt, der mittlerweile die gesamte IT-Branche erfasst habe. Trotz der Resonanz sei die Anzahl der entsprechenden Projekte aber noch relativ überschaubar. Rund 21 Prozent der Befragten gaben an, dass Green IT derzeit der stärkste Treiber für Technikveränderungen sei. Allerdings konnten nur zwei Prozent einen konkreten Mehrwert für ihr Unternehmen identifizieren. Damit bestehe für Green IT eine erhebliche Lücke zwischen aktueller Relevanz und Mehrwert, urteilen die Analysten.

Dennoch werde das Thema nicht von der Tagesordnung verschwinden, so die Prognose. Es sei wahrscheinlich, dass in der EU Ziele und Maßnahmen definiert würden, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Bis 2020 sei von Reduktionszielen von 20 Prozent, bis 2050 von 60 bis 80 Prozent auszugehen. Allerdings dürfe man die Diskussion nicht allein auf den Stromverbrauch der Geräte beschränken, warnt Simon Mingay, Vice President von Gartner. Es gehe vielmehr um die Umweltbilanz insgesamt. Zwar entstehen zwei Drittel des CO2 im Betrieb, ein Drittel jedoch auch bei Herstellung und Entsorgung der Geräte. Dieser Posten dürfe nicht vernachlässigt werden. Gerade die Entsorgung der Geräte werde oft zu wenig beachtet. In den kommenden Jahren werden rund 800 Millionen PCs sowie jährlich 550 Millionen Mobiltelefone ausgemustert.

Der eigenen Branche stellte Jetter ein gutes Zeugnis in Sachen Umweltschutz aus. Zwar sei die weltweite ITK-Szene für rund zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Der Beitrag zur Wertschöpfung betrage jedoch sechs Prozent. Damit sei die Energieeffizienz der IT-Industrie um den Faktor drei besser als der Durchschnitt durch alle Branchen. Als Beispiel führt der Manager Techniken wie Thin-Client-Rechner, Mehrkern-Prozessoren und Multifunktionsgeräte an.

Appell an die Anwender

Für einen wirksamen Umweltschutz müssten die Anwender die Techniken allerdings auch benutzen. Mehr als jede andere Branche seien die IT-Hersteller von der Mithilfe der Kunden abhängig, räumte Jetter ein. Beispielsweise hänge die Leistungsaufnahme eines Rechners vom individuellen Nutzungsverhalten ab. Welche Programme der Anwender wie lange laufen lässt und ob er die Power-Management-Funktionen nutze, das seien für die Energiebilanz entscheidende Faktoren.

Das Potenzial ist aus Sicht des IBM-Managers beträchtlich: Durch umweltgerechtes Nutzerverhalten ließe sich der Energieverbrauch auch bei modernen Geräten auf ein Sechstel senken. Bei identischem Nutzerverhalten verbrauche alte Technik rund dreimal mehr Energie als neue Technik. Berücksichtige man beide Faktoren, errechne sich im Extremfall eine Differenz mit dem Faktor 18.

Zwischen dem Anspruch der ITK-Branche, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, und der Wirklichkeit klafft allerdings noch eine große Lücke. Laut einer Studie der Experton Group kennen gerade einmal sieben Prozent der deutschen IT-Entscheider den Energiebedarf der eigenen IT. Nach wie vor verschwenden viele PCs rund die Hälfte der aufgenommen Energie als Abwärme, zog Allyson Klein von der Climate Savers Computing Initiative (CSCI) Bilanz. Bei Servern liege dieser Anteil bei rund einem Drittel.

Außerdem würden nur zehn Prozent aller weltweit eingesetzten Rechner mit einem Power-Management betrieben. Zwar erachteten viele Manager in den Unternehmen Klimaschutz als wichtig und erklärten sich auch bereit, Geld dafür auszugeben. Doch nur ein Fünftel der Firmen habe entsprechende Richtlinien für ihre Einkaufspolitik definiert.

An dieser Stelle hofft Messechef Ernst Raue auf Impulse durch die CeBIT. Mit dem Hype rund um Green IT "geht es nicht darum, eine Branche reinzuwaschen, oder um ein neues Etikett". Man wolle mit dem diesjährigen Messeschwerpunkt das Bewusstsein für einen effizienteren Klimaschutz im Umgang mit IT schaffen. Es gelte, das Thema in Hannover aufzugreifen und voranzutreiben.

Für die IT-Anbieter dürfte es allerdings auch darum gehen, ihre Geschäfte anzukurbeln. Wer wirklich Energie sparen will, braucht definitiv neue Geräte, lautete die versteckt Botschaft auf der Veranstaltung. In diesem Sinne argumentierte auf der CeBIT auch IBM-Geschäftsführer Jetter. Die Verbraucher sollten bei ihren Kaufentscheidungen in Zukunft die Energieeffizienz mit berücksichtigen.

Der IBM-Manager appellierte auch an die öffentliche Hand, die jährlich rund 17 Milliarden Euro für IT ausgebe - "allerdings fällt ihre Wahl nicht immer auf die energieeffizienteste Lösung". Ein Online-Kriterienkatalog, den die Industrie mit dem Bundesinnenministerium, dem Bundesumweltministerium und dem Umweltamt entwickeln will, soll Behörden und Ämtern bei der Beschaffung umweltschonender IT-Gerätschaft unterstützen.

Dem IBM-Manager zufolge gilt es vor allem, Kostentransparenz zu schaffen. Nur selten würden Kunden höhere Preise in Kauf nehmen, um bewusst die Umwelt zu schützen. Um den Anwendern Green IT dennoch schmackhaft zu machen, stellt der Manager die Kostenvorteile im Betrieb in den Blickpunkt. Energieeffiziente Produkte würden sich in kurzer Zeit amortisieren. In vielen Rechenzentren werde sich der Energieaufwand in den kommenden fünf Jahren zum größten Kostenblock entwickeln. Dagegen rechneten sich die Kosten für einen umweltbewussten IT-Betrieb bereits innerhalb von zwei Jahren, sagte Jetter. Um dies zu erreichen, müssten die Kosten in den Unternehmen anders verrechnet werden. Jetter plädiert dafür, die Energiekosten nicht mehr unter dem Posten Facility-Management zu verbuchen, sondern die Verantwortung für den Energieverbrauch in das IT-Management zu verlagern. (ba)