CeBIT '96/Russische IT-Firmen auf der CeBIT '96

08.03.1996

Mit 60 jungen Mitarbeitern, Computer-Science-Absolventen der Moskauer Universitaet, vereinigt Ruslan Semljanskij in seiner 1992 gegruendeten Firma Redlab Forschung mit Education, Entwicklung sowie Netz- und Systemintegration. "Es entwickeln sich zahlreiche private Bildungstraeger, von denen viele vom PC-Vertrieb kommen und von aussen kurz in die Inhalte hineinschauen. Unsere Mitarbeiter kennen die Materie von innen", beschreibt der Professor und verweist auf die Autorisierungen, die seine Firma von Unternehmen wie Sun Microsystems, Lotus Development, Borland, Computer Associates, Informix, SAS Institute, Infonet Software und Object Design erhalten hat.

Redlab praesentiert auf der CeBIT die Produkte "Mediabase", ein multimediales Dokumenten-Management-System, und "Dyana", ein System zur Entwicklung und Analyse eingebetteter paralleler Rechnersysteme, das die Phasen Konfiguration, Analyse, Dimensionierung und Test bis hin zum Funktionieren im Echtzeitregime abdeckt.

ISP und IHD: Software-Entwicklung

Zuerst machten sich kleine Haendler nach Russland auf den Weg; schrittweise kommen nun die Weltfirmen, fuer die die Entwicklung grosser Systeme in Nordamerika finanziell belastend geworden ist. Vor einem Finanzproblem stehen auch Anwender von Hochleistungsrechnern. Leistungsfaehige Akademieinstitute - das Moskauer Institut fuer Systemprogrammierung (ISP) und das St. Petersburger Institut fuer Hochleistungsrechnen (IHD) - suchen solche Partner.

Auf der CeBIT weist das ISP seine Faehigkeit nach, grosse Projekte flexibel und fuer breite Anwendungsgebiete auszufuehren. IHD- Direktor Aleksandr Bogdanow will sein 100-Mann-Institut weit nach Westen oeffnen: "Wir haben gute Maschinen und erstklassige Programmierer; sie haben sich an Problemen der Gasdynamik und Molekulardynamik bewaehrt. Mit dieser Erfahrung kennen sie praktisch keine Grenzen hinsichtlich der Komplexitaet der zu loesenden Aufgaben. Bisher haben uns europaeische Partner leider nur wenig qualifizierte Aufgaben angeboten."

Das IHD verfuegt ueber den staerksten Supercomputer-Cluster in Russland und wird zum Superrechner-Zentrum Russlands ausgebaut. Aus den USA gehoeren Konzerne und Forschungslaboratorien der Luft- und Raumfahrt zu Bogdanows Auftraggebern. Auch Japaner haben Kontakte in die Newastadt aufgenommen, um ihre neuen Superrechner mit mehr Software auszustatten.

Wirash untersucht Wirkstoffe DV-gestuetzt

Der Markt fuer Molecular Modeling ist von einigen US-amerikanischen Software-Unternehmen dominiert. Dennoch rechnet sich das Unternehmen Wirash Chancen in den Nischen dieses Marktes aus. Zur Zeit hilft der gute Ruf des geschaeftsfuehrenden Professors Rajewskij bei der Akquisition von Stipendien und Forschungsprojekten, die es dem Unternehmen ermoeglichen sollen, schrittweise die eigene Technik auf Vordermann zu bringen. "In Russland werden die Pharmaunternehmen auch in vielen Jahren noch nicht in der Lage sein, Wirkstoffe im Computer zu untersuchen. Hier muss ich die Software praktisch verschenken." "Anwender von High-Tech-Software - ja, Kundschaft - nein," charakterisiert auch Wladimir Schelofast von AMP die Situation.

Zweifellos sind die russischen Firmen auch am westlichen Markt interessiert, aber die meisten sind realistisch: Der Schwerpunkt in der deutsch-russischen Kooperation liegt zumeist in der "Eroberung der russischen Weite". Typisch die Einschaetzung von Oleg Golowin, Praesident von Tejwas aus Selenograd bei Moskau: "Mit geeigneten Partnern koennten wir in Russland so schnell sein, dass keiner mit uns mithalten kann." No risk, no fun: Der zuegige Ausbau der Kooperation - nicht immer einfach - koennte fuer deutsche und russische IT-Unternehmen gleichermassen reiche Ernte einbringen, wenn sich die politische Fuehrung und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nach den Praesidentschaftswahlen 1996 weiter stabilisieren.