CeBIT '94: Anbieteranteil ausden neuen Laendern stagniert

04.03.1994

Die CeBIT-Zahlen sind 1994 erstmals ruecklaeufig: Weniger Aussteller belegen weniger Flaeche. Die Spuren der Konjunkturflaute im Westen konnten auch junge CeBITianer aus den neuen Bundeslaendern und Osteuropa nicht beseitigen. Der Anteil an Ausstellern aus dem Gebiet der ehemaligen DDR hat sich nicht signifikant veraendert; osteuropaeische DV-Anbieter sind dieses Jahr sogar mit weniger Staenden vertreten als 1993. Auch dieses Jahr schlaegt der DV- Branche wieder die CeBIT. Was vor 24 Jahren noch recht bescheiden mit 638 Ausstellern und 60 900 Interessenten in nur einer Halle auf der Industriemesse begann, hat sich inzwischen zu einer riesigen Show gemausert: Rund 5700 Anbieter aus 52 Laendern wollen dieses Jahr wieder das Beste vom Besten aus der Computerwelt praesentieren. Grund genug fuer die Hannoveraner, ihr Messekonzept zu durchdenken und eine Strukturbereinigung durchzufuehren.Das nun "mehr gestraffte Programm" des groessten DV-Spektakels habe jedoch nichts mit einem "Aufmoebeln" der Messe an sich zu tun, erklaert Hubert Lange vom Vorstand der Deutschen Messe AG, Hannover. Schliesslich wuerden die steigenden Aussteller- und Besucherzahlen der letzten Jahre das "bewaehrte Konzept der CeBIT" bestaetigen. Und dennoch: Etwas frische Tuenche koennte dem bisherigen Outfit nichts schaden, meinen Alteingeweihte. Zumal nach der politischen Wende und wirtschaftlichen Umstrukturierung in Ostdeutschland und Osteuropa neue Anbieter frischen Wind in die etwas schlaffen Segel des DV-Aufmarsches gebracht haetten. Vor allem "Uebersichtlichkeit in dem Gewuehle" verlangen die Messebesucher. Problem erkannt, sagten sich die Niedersachsen, schwangen den Besen und fegten erst einmal die seit Jahren im Schlepptau haengenden, "nur noch rudimentaer vertretenen" Bueromoebel und Buerobedarf aus dem Messeprogramm. Damit habe man nicht nur "mehr Platz fuer die Hauptthemen" der Veranstaltung schaffen wollen, sondern koenne nun "einigen Ausstellern" mehr Praesentationsflaeche anbieten. Zur "neuen Struktur" gehoert in erster Linie die "Angebotsgliederung zu einem Thema an einem Ort", verkuendet die Messe AG. So ist beispielsweise die Buerotechnik in diesem Jahr komplett in der Halle 1 untergebracht. Software, Beratung sowie Dienstleistungen werden in den Nummern 4 und 5 angeboten. Waehren sich die PC- Druckerhersteller in der Halle 6 tummeln, haben die Computerbauer die 7 bis 9 fuer sich. Die Segmente 13, 16, 17 und 23 stehen der Telekommunikation, den sogenannten klassischen Bereichen wie Satellitentechnik, Mehrwertdiensten etc. zur Verfuegung. Treu geblieben ist das Messeteam seiner Partneridee, die seit 1989 verschiedene Laender mit ihren IuK-Leistungen in den Mittelpunkt stellt. Thema dieses Mal: Das "Business with Canada".Doch die Laender Ost- und Mitteleuropas sollen nicht vergessen werden, so CeBIT-Chef Lange. Ein "Ost-West-Meeting-Point" wendet sich an alle Aussteller und Besucher, die an Informa- tionen aus diesen Regionen interessiert oder auf der Suche nach potentiellen Partnern sind. Laengst sind auch die Firmen aus den neuen Bundeslaendern keine CeBIT-Newcomer mehr. Wenn auch die Beteiligung seit ihrer Premiere vor vier Jahren ungefaehr gleich geblieben ist - rund 300 Anbieter (einschliesslich Berlin) sind heuer dabei -, zu uebersehen sind sie nicht auf dem DV-Rummelplatz der Eitelkeiten. Vorwiegend auf Software und Beratung spezialisiert, koennen sie sich mit ihren Loesungen neben den etablierten Herstellern sehen lassen - und das immer staerker auf eigenen Beinen, behauptet der Messeorganisator. Fand man die Ostdeutschen vor vier Jahren noch vorwiegend auf Gemeinschaftsstaenden oder als verlaengerten Vertriebsarm westlicher Produzenten, so praesentieren heute viele ihre Dienstleistungen auf eigener Ausstellungsflaeche. "Kein billiger Spass", meint so mancher Teilnehmer - die Standmiete (ohne Aufbau) liegt bei etwa 275 Mark je Quadratmeter.Unternehmer, die nicht ganz so gut bei Kasse sind, weniger als tausend Mitarbeiter beschaeftigen und auf Foerdergelder vom Bund hoffen duerfen, koennen sich auf Gemeinschaftsstaenden praesentieren. Und Gemeinsamkeit macht stark: Immerhin sind geteilte Kosten auch halbe Kosten. So zahlt beispielsweise die CBS Systemhaus Computer GmbH aus Cottbus - eine von vierzehn Firmen auf dem Brandenburger Gemeinschaftsstand - rund 8000 Mark fuer neun Quadratmeter Flaeche. Fuer alle weiteren drei Quadratmeter muessten zusaetzlich je 1100 Mark berappt werden, wundert sich Geschaeftsfuehrer Bernd Stimmer. Allerdings sind die Cottbuser fuer foerderwuerdig befunden und bekommen die Haelfte ihrer finanziellen Messeaufwendungen vom Bund zurueck. Ueber dieses Sponsoring haben die meisten Mittelstaendler aus dem Neufuenfland eine Chance, beim CeBIT-Talk ein bisschen mitzumischen.Nicht nur der schnoede Mammon laesst einige ostdeutsche Anbieter nicht mehr zum groessten DV-Aufmarsch ziehen. Fuer "zuwenig sachliche Information", will der RZ-Leiter der Robotron-Projekt Dresden GmbH, Gisbert Juch, sein Team nicht fuer acht Tage nach Hannover jagen. Mehr Substanz wuerde man da eher auf Regionalmessen finden, krittelt der Systementwickler.Die SRC Systems GmbH aus Berlin zog ebenfalls ihre Teilnahme von der CeBIT zurueck. Geschaeftsfuehrer Werner Kunitz war mit dem von der Messeleitung zugewiesenen Stand mehr als unzufrieden. Als Softwerker wollte er nicht in einer "wertlosen Ecke, neben einem Kneipeneingang und umgeben von kleineren Verlagen" abgestellt werden. Dafuer "lohnt der hohe Kosten- und Personalaufwand nicht", so der Berliner. Kritische Worte, die der DV-Messe seit laengerem einen zu starken Showcharakter bescheinigen. Und ob die Rezession dazu angetan sei, auf "heile DV-Power-Welt" zu machen, wagen Insider zu bezweifeln. Man munkelt sogar von einer Verkuerzung der CeBIT. Davon halten die Messemacher jedoch nicht allzuviel. Hoechstens "ein erhebliches Risiko fuer die bereits jetzt schon ausgelastete Infrastruktur", meint Lange skeptisch. Ein wesentlich groesserer Besucherstrom pro Tag bei gleichem Standpotential wuerde von den Ausstellern "nicht mehr bewaeltigt beziehungsweise betreut" werden koennen. Ausserdem sei es fraglich, ob sich das Kosten-Nutzen-Verhaeltnis fuer alle Beteiligten damit verbessern liesse.Fuer etablierte Aussteller wie IBM, Siemens und SNI ist die CeBIT ein selbstverstaendliches Must. Aber auch die Kleinen aus dem Osten Europas wollen auf der weltweit groessten Computermesse mitmischen und lassen Kontinuitaet erkennen. So beispielsweise Spica International aus Ljubljana. Die Slowenen werden heuer zum vierten Mal nach Hannover kommen. Einer der vier Gesellschafter, Andrija Pu si'c, sieht durch die Spezialisierung seines Unternehmens auf Zeiterfassungs- und Zugangskontrollsysteme gute Chancen unterm Hermesturm und will "Distributoren und Systemintegratoren als Kunden" ansprechen. Mit einem Umsatz von drei Millionen Mark im Jahr 1993 und 13 Mitarbeitern koennen die Slowenen keine grossen Spruenge machen. Der 18 Quadratmeter grosse Stand in Halle 19 wird "uns genuegen". Die Kosten fuer die gesamte Hannover-Season veranschlagt Spica mit 25 000 Mark. So haelt der Jungunternehmer die Fuenf-Tage-Woche, wie von zahlreichen Ausstellern gefordert, auch fuer " vollkommen ausreichend".Als im vergangenen Jahr die Deutsche Messe AG als CeBIT-Partner-Region die Laender Osteuropas propagierte, herrschte Aufbruchstimmung, und die Hannoveraner leisteten geradezu Pionierarbeit: Unbuerokratisch unterstuetzt kamen Russen, Weissrussen, Ukrainer, Polen, Slowaken oder Tschechen zahlreich und meist unter schwierigen Umstaenden angereist. Weitere politische und damit auch wirtschaftliche Unsicherheiten in den verschiedenen Regionen Osteuropas verlangsamen den "Fortschritt in den wirtschaftlichen Beziehungen". Von einer sukzessiven Stagnation wollen die CeBITianer freilich nichts wissen. Damit die Osteuropaeer auch in diesem Jahr wieder vertreten sein koennen, und weil geteilte Kosten bei einem Gemeinschaftsstand viel weniger als halbe Kosten sind, wartet die Deutsche Messe AG mit einem Special Offer auf: dem laenderunabhaengigen Stand "Ost-West-Meeting Point". Ohne diese Ausstellungsflaeche in Halle 6 koennten wohl Republiken wie Estland, Lettland und Litauen an der Leine kaum praesent sein. Wie die baltischen Laender wird auch Rumaenien auf dem "Ost-West- Meeting-Point" debuetieren. Gleichwohl: Die Neulinge machen den diesjaehrigen Verzicht anderer Ost-Aussteller nicht wett. Die Plattform des Meeting Points lenkt nicht davon ab, dass kurzfristig der Markt in Osteuropa noch nicht ueber das erwartete Potential verfuegt, so Hubert Lange auf der Pressekonferenz ihrer Animationstour durch deutsche Lande. So halbiert die Slowakische Republik ihre Praesenz auf dieser Messe von zwei auf ein Unternehmen und Nachbar Tschechien, der 1993 mit 17 Ausstellern vertreten war, will nur noch mit acht kommen. Die Polen waren 1992 mit vier und vor einem Jahr mit 20 Firmen auf der CeBIT - dieses Jahr sind es 15. Russische Aussteller werden ueber Standgemeinschaften zusammenruecken und in mehreren Hallen mit 14 Unternehmen oder Instituten (1993: 18) vertreten sein. Die Ungarn bauen ebenfalls Jahr um Jahr ab: 1992 gab es zehn, 1993 noch sieben und ab 16. Maerz drei ungarische Staende. Nur die Ukrainer bleiben konstant. Sie fuehlten sich schon im vergangenen Jahr auf der CeBIT sehr wohl und wollen wieder von acht Firmen die Soft- und Hardware-Entwicklungen zeigen: Allesamt auf dem "Ost-West- Meeting-Point".Insgesamt werden 5733 Aussteller im "Weltcentrum Buero, Information und Telekommunikation" vertreten sein - davon 2210 aus dem Ausland. CeBIT-Partnerland Kanada weiss, was es dieser Positionierung schuldig ist und erhoehte seine Ausstellerzahl gegenueber 1993 von 54 auf 92. Auslandsbeteiligung: USA fuehrt vor TaiwanDie US-Amerikaner stockten ebenfalls ihre Praesenz auf, wenn auch nicht ganz so kraeftig wie ihr Nachbar. 1992 mit 389 Ausstellern vertreten, kamen sie 1993 mit 462 und planen zur diesjaehrigen Session ein Plus von zwei Dutzend. Damit stehen sie auf Platz eins der Ausstellerstatistik Ausland vor Taiwan, das mit ruecklaeufigen Zahlen aufwartet: 309 gegenueber 338 Firmen im Jahr 1993. Aus der Volksrepublik China praesentieren sich dieses Jahr zwei Aussteller - einer mehr als 1993.Interessant die Entwicklung von Israel, das 20 Prozent gegenueber 1993 zulegt und sich mit 73 Unternehmen vorstellt. Nur rudimentaer auf der CeBIT vertreten war bisher Suedamerika. Die Messemacher wollen hier ihre Aktivitaeten verstaerken, "denn", so Hubert Lange, "zur kommenden Veranstaltung werden bereits sechs Aussteller aus Chile, zwei Aussteller aus Brasilien und weitere sechs Aussteller aus Argentinien dabei sein."