DV-Anwender kämpften sich in Hannover durchs Messegewühl:

CeBIT '85: "The same procedure as every year"

03.05.1985

DV-Profis haben offensichtlich dazugelernt. Gründlicher als in den vergangenen Jahren bereiteten sie sich diesmal auf das Hannover-Spektakel vor. Trotzdem stand die Mehrzahl von ihnen dem Produktwirrwarr und dem Gedränge auf den Ständen wiederum hilflos gegenüber.

Da nutzten auch, so klagten DV-Leiter und Unternehmensberater in Gesprächen mit der COMPUTERWOCHE, ein angeblich perfektes Ausstellerverzeichnis, Informationsstände sowie ein elektronisches Auskunftssystem wenig. Einhellige Meinung: "The same procedure as every year".

Stellvertretend für andere Befragte monierte Kurt Geiser, Hauptabteilungsleiter für prozeßgesteuerte Systeme beim Bremer Lagerhaus: "Die Messe ist einfach zu unübersichtlich". Der DV-Verantwortliche war in Hannover auf der Suche nach grafischen Terminals und Workstations. Um die Standorte der entsprechenden Unternehmen auf der Messe herauszufinden, hatte ein Mitarbeiter von ihm zwei Tage den Ausstellerkatalog gewälzt. Nachdem Geiser anhand seiner Liste die verschiedenen Hersteller endlich gefunden hatte stellte er zu seinem Arger fest, daß bei rund der Hälfte von ihnen keine Farbgrafikterminals angeboten wurden. Geiser: "Die hatten nur Plotter oder Drucker im Programm.

Als lästig empfand er vor allem das "Gedrängel" und den Lärm auf den Ständen. "Ich will mich nicht durch diese fürchterlichen Menschenmassen quälen müssen, um mir dann letztendlich die Produkte von drei Herstellern anzuschauen", beschwert sich der DV-Profi aus Bremen. Deshalb versteht er nicht, daß die Messe nicht tageweise nur für das Fachpublikum geöffnet ist. Zudem kann sich Geiser des Eindrucks nicht erwehren, daß einige Unternehmen ihre DV-Produkte wie "Marktschreier" auf dem Oktoberfest anbieten.

Mit dem Standpersonal hat der DV-Leiter indes Mitleid. Er fragt sich, wie die es schaffen, auch nachmittags noch eine freundliche Antwort zu geben.

Sein Resümee über den Besuch auf der Mammut-Show: "Der Messebesuch hat sich für mich nicht gelohnt".

Peter Brentle, Abteilungsleiter DV bei der Panavia Aircraft GmbH, kam in die Stadt an der Leine, weil er sich möglichst viele und gute Experten als Gesprächspartner erhoffte. Der Münchner: "Ich liebe auch die Anonymität, die man bei einer Messe genießt. Lade ich nämlich einen Verkäufer in mein Unternehmen ein, kann ich sicher sein, daß er mich hinterher telefonisch oder schriftlich auf Schritt und Tritt verfolgt".

Auf seinem Informationsrundgang fiel ihm vor allem auf, daß immer mehr Hersteller CAD/CAM auf Mikrobasis anbieten.

Die Beratung auf den Ständen wirkte auf Brentle sehr unterschiedlich: "Sie schwankte zwischen aggressiven Verkaufsmethoden und abwartender Haltung des Standpersonals.

Als Glücksspiel empfand der Münchner, die jeweiligen Spezialisten für seine technischen Fragen zu erreichen. Sie waren oft so überlastet, daß Interessenten kurz abgespeist wurden. Brentle: "Ich hatte mich zwar vorher bei einigen Herstellern angemeldet, doch ist das noch lange kein Freibrief für sofortige und ausführliche Beratung".

Zudem gewann der bayerische DV-Manager den Eindruck, daß einige Aussteller ihre Stände erheblich erweitert und ihr Standpersonal verstärkt haben. Brentle süffisant: "Wie schlecht geht es diesen Unternehmen, daß sie einen solchen Aufsand betreiben müssen?"

Zufrieden mit dem Messebesuch war dagegen Klaus-Jürgen Kupka von der Elida Gibbs GmbH. Der Hamburger DV-Leiter: "Ich habe mir die Produktpaletten verschiedener Hersteller zeigen lassen und fand die Gespräche informativ". Viele Berater legten ein größeres Fachwissen an den Tag, als er erwartet hatte.

Verwundert stellte Kupka fest, daß zu zirka 95 Prozent 12-Zoll-Monitore auf den Ständen präsentiert wurden. Dagegen setzt er in seinem Unternehmen 16-Zoll-Bildschirme ein.

Über den CeBIT-Alleingang im nächsten Jahr ist der Hamburger DV-Profi nicht glücklich. Kupka bedauernd: "Ich werde vor allem meine Baukräne vermissen. Gerade die Vielseitigkeit der Hannover-Messe war für mich immer ein Antrieb, dorthin zu fahren". Ob er auch 1986 Messebesucher sein wird, ist für ihn deshalb noch fraglich: "Schließlich gibt es für Fachgespräche die Systems in München".

Den Herstellern von Textsystemen fühlte Unternehmensberaterin Barbara Jürgensen auf den Zahn. Sie ging auf die Messestände, stellte sich als Mitarbeiterin eines Rechtsanwaltsbüros vor und erklärte: "Ich suche ein Textverarbeitungssystem, habe aber keine Ahnung".

Die ihr von einem Vertriebsbeauftragten zugewiesene Beraterin stieg nach Ansicht von Frau Jürgensen viel zu hoch in das Thema ein: "Ein unwissender Besucher wäre bei dieser Art von Beratung überfordert gewesen". Auf ihre Frage, was denn beispielsweise eine Datei sei, lieferte die Textsystemdame sogar eine völlig falsche Erklärung.

Auch vernahm die Unternehmensberaterin mit Erstaunen, daß man das System in zwei bis drei Tagen beherrschen könne. Wütend wurde Frau Jürgensen allerdings, als ihre Betreuerin sie des öfteren einfach ohne Entschuldigung stehen ließ, um sich um andere Kunden zu kümmern. Ihr Fazit: "Mir tun die leid, die auf der Messe ein Textsystem aussuchen sollen und tatsächlich wenig Ahnung haben".

Frau Jürgensen rät deshalb CeBIT-Neulingen, ihre Visitenkarte abzugeben und nach der Messe einen Beratungstermin auszumachen.

Ihr stärkstes Erlebnis hatte die Unternehmensberaterin jedoch anschließend an ihren "unbedarften" Informationsrundgang. Auf dem Stand eines DV-Unternehmens, wo sie ihren festvereinbarten Termin wahrnahm, begrüßte sie der sie erwartende Gesprächspartner mit den Worten: Hallo, Frau Jürgensen, haben Sie Ihre Haaregefärbt?"