Messechef Ernst Raue muss mit rückläufigen Besucherzahlen rechnen

CeBIT 2004: Trendwende nicht in Sicht

27.02.2004
MÜNCHEN (wh) - Von der CeBIT 2004 soll eine Wachstumsbotschaft für die ITK-Branche ausgehen. Doch die viel beschworene Trendwende spiegelt sich bislang nicht in steigenden Aussteller- und Besucherzahlen wider. Trotz der Ausweitung auf Consumer-Produkte muss Messechef Ernst Raue mit weiteren Rückgängen rechnen.

"Die CeBIT ist und bleibt die größte Messe der Welt", betont Raue, im Vorstand der Deutschen Messe AG zuständig für die IT-Leistungssschau. Im Wettbewerb mit ähnlich angelegten Veranstaltungen habe man sich nochmals deutlich absetzen können. "Wenn man sieht, wie der Markt in den letzten Jahren abgestürzt ist, liefern wir mit der CeBIT ein sehr stabiles Produkt ab."

Trotzdem spüren die Hannoveraner noch immer die Nachwirkungen der Wirtschaftsmisere. So wurde der Hallenkomplex 8 und 9 komplett geschlossen, wie Raue gegenüber der CW einräumte. Die 350000 Quadratmeter Ausstellungsfläche vom letzten Jahr würden "wahrscheinlich nicht ganz erreicht".

Ob die CeBIT 2004 in puncto Ausstellerzahlen zumindest den Vorjahreswert halten kann, steht wenige Wochen vor Beginn in den Sternen. Etliche Unternehmen entschieden sehr kurzfristig über eine Teilnahme, erläutert der Messechef. Ende Januar lagen den Organisatoren knapp über 6000 Anmeldungen vor. Erfahrungsgemäß werden pro Woche etwa 100 Unteraussteller nachgemeldet, die in die Statistik einfließen. Vor Jahresfrist musste die CeBIT einen Rückgang um neun Prozent auf 6600 Aussteller hinnehmen.

Von einer Trendumkehr kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein, zumal in den vergangenen Monaten einige prominente Unternehmen ihre Teilnahme absagten, darunter Hewlett-Packard (HP), Oki, Canon und Borland.

Konjunkturkrise wirkt nach

Besonders schwer lässt sich die Zahl der Besucher prognostizieren, die im letzten Jahr bereits um 17 Prozent auf 560000 zurückgegangen war. Raue verweist in diesem Zusammenhang auf die Konjunkturkrise der letzten Jahre. Viele Firmen existierten nicht mehr, andere hätten ganze Hierarchiestufen gestrichen: "Wo sollen die Leute denn herkommen?" Auch an der Deutschen Messe AG ging diese Entwicklung nicht spurlos vorüber. 2003 fuhr Deutschlands größte Messegesellschaft zum zweiten Mal in Folge einen Verlust ein. Vorstandschef Sepp Heckmann erwartet erst für 2005 ein deutlich positives Ergebnis.

Für den Erfolg der CeBIT sind die absoluten Besucherzahlen nicht ausschlaggebend, hält Raue dagegen: "Wenn wir hier 400000 Fachbesucher auf 300000 Quadratmetern haben, sind wir besser als jede andere Messe auf der Welt."

Doch genau an diesem Punkt regt sich Kritik. "Der Fokus der CeBIT verschiebt sich immer mehr in Richtung Consumer", klagt Harald Oettl, Marketing-Manager bei Autodesk. Vergangenes Jahr war der renommierte CAD-Anbieter noch mit einem 900 Quadratmeter großen Stand in Hannover vertreten. Doch die Investition rechne sich nicht mehr, sagt Oettl, Autodesk verzichte deshalb auf eine Teilnahme.

"Die Messe hat sich in der Ausrichtung erheblich verbreitert", begründet er die Entscheidung. Mittlerweile würden verstärkt auch Spielekonsolen und Handys gezeigt, die eindeutig auf den Consumer-Markt zielten: "Es kommen zwar viele Besucher, aber unser Kernpublikum bleibt weg." Autodesk werde sich künftig verstärkt auf kleineren Spezialmessen wie CAT.PRO oder Euromold engagieren.

Dass die Ausweitung auf Consumer-Produkte das Profil der Messe verwässert, bestreitet Raue: "Die CeBIT ist und bleibt eine B-to-B-Messe." Allerdings würden immer mehr Produkte - beispielsweise Handys oder Notebooks - sowohl geschäftlich als auch privat genutzt.

Schützenhilfe leistet Bitkom-Präsident Willi Berchtold: "Zwei der wichtigen Themen in diesem Jahr werden Breitband und UMTS sein - beides sind Themen auch für den Endkunden." Zudem konvergiere die klassische Unterhaltungselektronik mit der ITK-Branche. Eine stärkere Hinwendung auch zum Privatanwender sei deshalb nur folgerichtig.

Die Absage von Autodesk ist indes kein Einzelfall. Auch andere ehemalige Aussteller aus den Bereichen CAD/CAM und PLM (Product-Lifecycle-Management) bleiben weg, darunter etwa Agile Software, Bentley Systems, Solidworks oder die Mensch und Maschine Software AG.

"Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird es auf der CeBIT 2004 keine ausgewiesene Halle für Software und Service rund um Digital Engineering und Produktlebenszyklus-Management mehr geben", moniert Ulrich Sendler, Initiator des Sendler-Circle, einer Interessengemeinschaft einschlägiger Softwarehersteller. Verhandlungen zwischen Ausstellern und der Messeleitung über eine angemessene Positionierung der Themen seien gescheitert.

Raue weist die Kritik zurück. Die Messe habe in Halle 6 sehr wohl einen Bereich für CAD/ CAM geschaffen. Wer auf der CeBIT-Website recherchiere, erhalte zudem eine große Zahl von PLM-Angeboten. Nach seiner Ansicht sind die Argumente der Kritiker zum Teil nur vorgeschoben. Manche Hersteller könnten die Kosten für eine Messeteilnahme nicht mehr tragen. Das aber werde sich ändern, gibt er sich zuversichtlich: "Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt wieder."