Messe AG stößt mit Hicom-Netz von Siemens Tür zur öffentlichen ISDN-Welt auf

CeBIT: 14 ISDN-Knoten stehen in der Feuerprobe CW-Bericht

24.03.1989

HANNOVER - Für die Messe AG Hannover hat das ISDN-Zeitalter begonnen. Sie nahm kurz vor der CeBIT eine von Siemens installierte ISDN-Anlage in Betrieb. Das Besondere: Das System schmückt sich mit dem Prädikat, weltweit sowohl die größte private als auch die erste an den öffentlichen ISDN-Regelbetrieb angeschlossene ISDN-Anlage zu sein.

"Eine Telefonanlage kann man nicht von der Stange kaufen," sagte Sepp Heckmann, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG, Hannover. Er deutete damit die Komplexität des neuen ISDN-Systems an, das eine 40 Jahre alte Nebenstellenanlage auf dem Messegelände ablöst.

Zur Vorgeschichte: Die alte Nebenstellenanlage war 1947 aus Wehrmachtsbe-ständen wieder ins Leben gerufen worden und im Lauf der Zeit von DeTeWe, Siemens, SEL

und T&N mehrfach an neue Techniken angepaßt worden. Dazu Hans Michael Spönemann, Vertriebsleiter Kommunikationssysteme und -netze der Siemens AG, Hannover, sowie Projektleiter Hicom Networking bei der Deutschen Messe AG: "Die alte Anlage war ein Gemeinschaftswerk der deutschen Fernmeldeindustrie."

In den vergangenen Jahren stellte sich jedoch heraus, so Heckmann, daß die alte Telefontechnik in Messe-Spitzenzeiten der Belastung nicht mehr Herr wurde. Um den Anforderungen der Aussteller überhaupt noch gerecht werden zu können, hatte die Messe AG zusätzlich 1000 Anschlüsse von der Post auf das Gelände legen lassen. Aber nach und nach, so das Vorstandsmitglied, sei nicht nur die Kapazitätsgrenze erreicht, sondern auch die Wartung und Instandhaltung zu einem Problem geworden, denn die alte Anlage habe drei verschiedene Techniken beinhaltet.

Alte Nebenstellenanlage hoffnungslos überlastet

Die Messe AG gab deshalb 1984 bei dem Ingenieurbüro DOK Systeme in Hannover eine Analyse in Auftrag, wie die Telekommunikation auf dem Gelände verbessert werden könnte. Ergebnis: Das Anforderungsprofil der Aussteller und Besucher war im Hinblick auf zukünftige Dienste der Telekommunikation nur mit einer ISDN-Anlage zu realisieren. In der Folge fand eine Ausschreibung des Projekts statt, bei der sich die Siemens AG in der Endauswahl gegen SEL und PKI durchsetzte und den lukrativen Auftrag an Land zog.

Von der COMPUTERWOCHE zu den wichtigsten Auswahlkriterien befragt, sagte Heckmann: "Das erste Kriterium war die Sicherheit der Technik, das zweite die Verfügbarkeit der ISDN-Merkmale und das dritte der finanzielle Aspekt." Obwohl Siemens den Zuschlag vor rund eineinhalb Jahren erhielt, blieb für die Installation nur knapp ein Jahr Zeit. Die Messe AG ließ nämlich für die Anlage auf dem Messegelände ein neues, eigenes "Fernmeldeamt" aus dem Boden stampfen, das die notwendigen technischen Einrichtungen beherbergt.

Zur Technik des Projekts: Das Engagement der Messe AG in Sachen Neubau des Fernmeldeamts scheint verständlich vor dem Hintergrund des bisherigen Investitionsvo-lumens von 15 Millionen Mark und angesichts der Größe der Anlage. Deren herausragendes Merkmal ist das Networking. Um die Anforderungen der Messe AG überhaupt unter einen Hut bringen zu können, wurde das System aus 14 Netz-Knoten zusammengesetzt. Jeder Knoten wird von einer Siemens Hicom 300 verkörpert und ist mit jedem anderen über die ISDN-Schnittstelle S2M vernetzt. Die Hicom 300 ist Siemens zufolge des erste Telekommunikationssystem in der Bundesrepublik, das von der Deutschen Bundespost zum Anschluß an das öffentliche ISDN zugelassen wurde.

Ein wachsames Auge über das Netz hält das Network Control Center (NCC) in Form eines Siemens-Rechners BS2000. Auf dem Rechner lastet die Verantwortung des Netzwerk-Managements und der Generierung aller Knoten. Innerhalb von zwei Stunden kann das System auf die veränderte Aussteller-Konstellation der nachfolgenden Messe umgestellt. werden. Die Informationen über die "Telefon-Wünsche" der Aussteller bezieht das NCC von einem PC-LAN, das die "Telefon-Daten" aller Aussteller gespeichert hat.

Das NCC setzt die Informationen des PC-LAN in eine Generieranweisung um und fächert die entsprechenden Befehle für die Knoten auf. Jeder Knoten verwaltet dabei den gesamten Rufnummernhaushalt des Netzes, um auflaufende Gespräche für einen Aussteller an den zuständigen Knoten weiterleiten zu können.

Die ISDN-Anlage der Messe AG ist derzeit für rund 15 000 Ports ausgelegt; 1700 Nebenstellenanschlüsse sind heute ISDN-fähig. Zu Messezeiten werden momentan bis zu 6000 Aussteller angeschlossen, weitere 1000 Anschlüsse entfallen auf die Verwaltung der Messe AG und deren Nebenbetriebe. Die Verbindung zur digitalen Vermittlungsstelle im Fernmeldeamt der Post erfolgt über zwei getrennt geführte Glasfaserkabel mit je zweimal 34 Megabit Übertragungsgeschwindigkeit pro Sekunde. Deren Kapazität teilt sich in 1620 Amtsleitungen auf, die in 54 S2M-Primärmultiplexanschlüssen mit je 30 Basiskanälen und einem Signalisierungskanal zusammengefaßt sind.

Die Endgeräte der Messe AG sind zur Zeit über eine firmenspezifische, digitale Zwei-Draht-Schnittstelle der Siemens AG mit der TK-Anlage verbunden. So-Schnittstellen wurden laut Spönemann deshalb nicht verwendet, weil die international gültige Variante des D-Kanal-Protokolls für die Bus-fähige So noch nicht endgültig feststehe. Außerdem will die Messe AG die bereits realisierte So-Schnittstelle für den Anschluß von Zweit-Nebenstellenanlagen erst ab 1990 schrittweise einführen, da von diesem Zeitpunkt an mit entsprechenden Wünschen der Aussteller zu rechnen ist. Spönemann weiter:

"Einschränkungen, weil die Aussteller gegenüber der allgemeinen Vereinbarung zur Schnittstelle firmenspezifische Endgeräte benutzen, gibt es nicht."

Besonders stolz sind Messe und Siemens AG darauf, daß es sich um die erste ISDN-Anlage dieser Größenordnung mit Zugang zum ISDN-Netz der Post handelt. In seiner Rede anläßlich der Vorstellung der Anlage wies Gerhard Menkhoff, Vorstand der Siemens Zweigniederlassung Hannover, eindrücklich darauf hin, als er sagte: "Es wird sicher in absehbarer Zeit noch nicht allzu viele weitere Anlagen dieser Dimension geben, die an das öffentliche ISDN-Netz gehen."

Allerdings wurde in der Vergangenheit von den Herstellern mit dem Begriff ISDN viel Schindluder getrieben. Das räumte auch Projektleiter Spönemann ein und betonte deshalb: "Der Ausgang der TK-Anlage zum Amt hin ist erstmalig mit ISDN-Anschlußlage realisiert." Die Anschaltung des Messe-Systems an das öffentliche Netz, so bestätigte Hans Jürgen Hape von der Planungsstelle des Fernmeldeamts 3 in Hannover, fand{TIME \@