CD-ROM-Technik aus Obhut der Netzverwalter entlassen

26.08.1994

Nach einer langen Anlaufphase ist die Integration von CD-ROM- Zugriffen in Netzwerken kein grosses Problem mehr. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede in der Installation, die beachtet werden sollten. Von Detlef Borchers*

Die computerlesbare CD ist ein typisches Produkt der PC-Technik, das besonders von Microsoft mit langem Atem gehaetschelt und gepflegt wurde, bis ein attraktiver Massenmarkt entstehen konnte. Mit ihrer uebertriebenen Fuersorge schafften es die Mannen um Bill Gates um ein Haar, das Stiefkind aus der Unterhaltungselektronik umzubringen: Was produktionstechnisch mit High-Sierra- und ISO- Normen fruehzeitig definiert war, drohte mehrfach im Kuriositaetenkabinett dieser Industrie zu verschwinden.

So spendierten die Microsoft-Programmierer der CD-ROM ein RAM- residentes Zugriffsverfahren namens MSCDEX (Microsoft CD-ROM Extensions), das nicht nur DOS-Rechnern mit ihren staendigen RAM- Noeten grosse Schwierigkeiten bereitete. Von der Konzeption her simulierte MSCDEX ein Netzwerk mit der CD als Server-Laufwerk, auf dem ausschliesslich Lesezugriffe gestattet sind. Die Kombination aus realem PC-Netzwerk mit dem simulierten lokalen Netzwerk katapultierte die CD-ROM-Technik ins Lazarett der Netzverwalter. Liess sich dennoch der Treiber problemlos installieren, so machte der ueppige Speicherbedarf von MSCDEX im Verein mit den Anforderungen der Netztreiber die Maschinen nahezu nutzlos: 1987 blieben auf einem Rechner mit Netware-Anschluss exakt 244 KB freier Speicherplatz uebrig, was selbst bei den speichergenuegsamen Programmen dieser Zeit zuwenig war. Dank Windows ist das Thema mittlerweile Vergangenheit, dank Windows mit seinen multimedialen Ambitionen ist die CD-ROM Massenware geworden. Da fuegt es sich besonders gluecklich, dass die modernen Netzwerke auch von der Leistung her mithalten koennen, wenn es um die zentralisierte CD- Distribution derartiger Bestaende geht.

In der Herstellung anderen Speichermedien ueberlegen

Was freilich nicht der einzige Einsatzort ist: Dokumentationen und andere Referenzwerke stehen auf CD bereit, ebenso Spezialsammlungen fuer Juristen, Chemiker oder Patentfahnder. Und CD-Roms laufen auf allen derzeitigen Betriebssystemen, was die Arbeit der Netzadministration erheblich vereinfachen kann.

Hier spielt der Faktor Produktionskosten eine wichtige Rolle, denn in der Herstellung ist die CD-ROM jedem anderen gaengigen Speichermedium ueberlegen. Im Vergleich zu den Produktionskosten der OS/2-CD mit 53 Cents gegenueber 73 Cents fuer eine Diskette verliert beispielsweise IBM nach eigener Aussage an jeder Diskettenversion 15 Dollar Gewinnspanne. Was fuer die lokalen Betriebssysteme gilt, ist erst recht bei den Netzsystemen an der Tagesordnung: Netware 3.12 und 4.02, Windows NT, der LAN Server oder die diversen Unix-Varianten mit NFS-Kopplung kommen silbrig platt daher. Nur Banyan bildet mit ihrem Vines die grosse Ausnahme, zumal dort erst mit den Utilities von Drittherstellern der CD-ROM- Zugriff gemeistert werden konnte.

Hier bietet der CD-Server-Spezialist Meridian Data seit Januar mit CD-Net for Vines ein System an, das netzweite CD-Zugriffe mit der Vines-Sicherheit kombiniert. Davor vertrieben der Mail-Spezialist Lanshark Systems mit seinem CD-Net und Trellis mit dem CD-Server Loesungen, die lokale CD-Laufwerke am PC dem Vines-Netz zur Verfuegung stellen.

Indes haben die Vertreter anderer Netzwerke wenig Grund, auf die fuer Vines erhaeltlichen Systemen herabzublicken: Bei naeherer Analyse kommt man schnell zu dem Punkt, dass die hauseigenen integrierten Ansaetze nicht sonderlich glaenzen. Die Formatvielfalt der CD-ROM-Welt stellt sie vor immense Probleme.

So gehoert das CD ROM-NLM, mit dem Novell den 3.12er und 4.01er Servern die CD-Integration ermoeglichte, zu den besonders kritischen NLMs der Netware. Das Interims-Upgrade 4.02 dient vor allem dem Verhindern der programmierten Katastrophe, die bei Bekanntschaft mit ungewoehnlichen Diskettenformaten (Apple-CD, Photo-CD) entsteht.

Aehnliches gilt fuer IBM und ihren LAN Server, der erst mit der kommenden Version 4.0 Photo-CD-Formate unterstuetzt. Windows NT hingegen kommt kraeftig ins Stolpern, wenn das Rock- Ridge-Format aus der Unix-Welt die CD verwaltet. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, wenn die bei Vines angewendeten Loesungen grundsaetzlich auch bei der Konkurrenz weitgehend die CD- Integration ermoeglichen: Teilweise setzt man auch bei den anderen Herstellern im LAN auf ein Erweiterungsprogramm.

Es stellt die CD eines (mitunter auch dedizierten) Rechners den Peers einer Arbeitsgruppe zur Verfuegung. Oder man investiert im grossen Stil in einen Spezial-Server. Diese Boliden sind mit sieben, zwoelf, 24 oder 49 CD-Laufwerken oder mit Jukeboxen fuer weitere 300 - 600 CDs ausgestattet, die intern mit einem eigenen System laufen und sich extern wie ein weiterer Server des Netzwerks darstellen.

Nur wenig spezielle Loesungen fuer Netzwerke

Nur vereinzelte Vertreter dieser Klasse sind speziell auf ein Netzwerk ausgerichtet. Ein Beispiel waere CD/Maxtet von Optical Access International, ein Server mit sieben CD-Laufwerken fuer Macintosh-Netze via Appleshare (das viel zu langsame Localtalk wird nicht unterstuetzt). CD/Maxtet integriert sich nahtlos in den Finder und offeriert allen Nutzern seine sieben CDs gleichzeitig - sofern der Netzverwalter den Zugriff freigegeben hat.

In einer Multimedia-Umgebung stoesst das Konzept jedoch an seine Grenzen: Optical Access raet von der Nutzung von Quicktime- Sequenzen ab, bei denen die Bilder weit hinter dem Ton hinterherhinken. Eine andere Spezialloesung ist der Optical-NFS- Server von Logicraft. Dabei wird ein kompletter Rechner (ein 486er PC) mit seinen CD-Laufwerken via TCP/IP ans Netz angeschlossen und behandelt seine Laufwerke wie ein normaler NFS-Server.

Multimedia ist besser bei den lokalen Workstations (Silicon Graphics, Sun) aufgehoben, die intern einen besonders grossen Cache fahren koennen. Als letzte Spezialloesung sei der Hyperserver von CBIS genannt, der im OS/2-Bereich Fuss fassen soll. CBIS, mit seinem ehemals verbreiteten "Network-OS" ein CD-ROM-Anbieter der ersten Stunde, setzt dabei voll auf die kommenden Einstiegsversionen von OS/2, in denen sich der CD-Zugriff zum Peer-Netzwerk erweitern laesst.

Einen wesentlich groesseren Markt haben die Universalloesungen von Meridian Data mit CD-Net oder Micro Design mit Solution Stax/SCSI Express oder Online Computer mit Optinet im Visier, die fuer alle Netze (IPX/SPX, NT, TCP/IP, Netbios und Vines/IP) konzipiert sind. Bei ihnen gilt es, zwischen der eigentlichen Software und der Hardwareloesung zu unterscheiden, da die Firmen ihr Know-how auch durch die Konkurrenz verkaufen.

So gibt es etwa den CD-Server von Procomm, bei dem ein hauseigener Spezial-Controller mit sechs schnellen Quadruple-CDs (vierfache Geschwindigkeit gegenueber dem Audiostandard) von NEC und CD-Net zu einem Kraftzwerg geschnuert ist, der mit 5 Mbit/s netto die Daten zu den DOS- und Windows-Arbeitsplaetzen uebertragen soll. CD-Net findet man ausserdem auf der CD/Networker-CD von Lotus, die Meridian fuer die Softwareschmiede produziert.

Kompatibilitaet fuer Mac- und OS/2-Stationen

Etwas anders ist es mit der Software CD-Net Plus, die die hauseigenen CD-Net-Schraenke wie etwa das System 428/M mit 28 Laufwerken verwaltet. Diese Grossgeraete gehen nicht nur wie der CD- Server an alle Netze, sondern nehmen es zusaetzlich mit Mac- und OS/2-Stationen auf. Auch die wechselnde Arbeit mit Audio-, Daten- oder Photo-CDs macht der Software keine Probleme. Angesichts der moeglichen Laufwerksanzahl arbeitet CD-Net Plus mit virtuellen Laufwerken, hinter denen sich mehrere CDs verbergen koennen. Damit umgeht die Software die Beschraenkungen von Betriebssystemen wie DOS, bei denen das Konzept der Laufwerksbuchstaben den CD-Zugriff behindert. Da die Software den CD-Zugriff in der Regel selbst nach einem Zusammenbruch der Netzwerksoftware offenhaelt, werden Meridian-Schraenke im Verein mit Netscribe 2000 auch als Stand-by- Server eingesetzt. Netscribe ist eine Kombination aus einem einmal beschreibbaren CD-ROM-Laufwerk mit der noetigen Software, die ganze Server spiegeln kann.

Eine Kombination aus mehreren SCSI-Geraeten

Im Unterschied zu Meridian Data setzt Micro Design mit Solution Stax und dem Storage Express auf den Mix verschiedenster SCSI- Geraete. Neben den CDs sollen sich so Streamer oder WORMs zu einem "Medien"-Tower zusammenfassen lassen.

Daneben bedient die Firma mit den eigenen SCSI-Controllern auch Installationen in vorhandenen File-Servern. Der besondere Clou: Ueber eine Piggy-Platine ist jeder der sieben moeglichen Anschluesse auf einem SCSI-Controller zum Erweiterungs-Bus umzufunktionieren, der wiederum sieben Geraete verwaltet.

Nun hat nicht jedes Netz gleich dutzendfachen Appetit auf CD- Zufuhr. Besonders die zunehmende Splitterung in lokale Arbeitsgruppen laesst es sinnvoll erscheinen, zur Gruppe gehoerige CDs "lokal" anzubieten. Beiden Anforderungen kommt der praktische Discport von Microtest entgegen. Er erweitert das Prinzip der Ethernet-Printer-Ports (zum Beispiel Intels Netport) auf die CD- Technik: Ein handlicher Kasten wird an beliebiger Stelle ins Netz gehaengt, der sich nach einer sehr einfachen Installation als normales Novell-Volume betreiben oder via Windows mit eigener Software abfragen laesst. Durch die direkte Verbindung mit dem Ethernet ist das System exakt so schnell wie das angeschlossene CD-ROM-Laufwerk.

Etwas umstaendlicher arbeitet hingegen Lan-CD von Logicraft, das einen dedizierten PC benoetigt, der unter ausrangierten 386ern schnell gefunden ist. Lan-CD ist in der Lage, genau eine CD zu steuern, wobei der Zugriff abseits der Netware-Volume-Namen nur ueber DOS erfolgen kann. Im Vergleich zu dieser etwas sperrigen Loesung gehoert CD-View von Ornetix zu den eleganteren Erscheinungen: Die Software arbeitet als Programm auf dem Server, es routet eine lokale CD und stellt sie als Volume den anderen Rechnern zur Verfuegung. Eine andere Variante derselben Firma ist Serview, das gleich den kompletten lokalen PC mit einem TSR- Programm zum simulierten Netware-Server ummodelt.

Moeglichkeiten zum erweiterten Zugriff

Legt man das Prinzip der lokalen Einspeisung auf den Server zurueck, so kommen Produkte wie Corels SCSI Manager und das Optinet von Online ins Visier. Beide gestatten den Silberscheibenzugriff ueber die beschraenkten Gegebenheiten des Netzwerksystems hinaus. Beide setzen vorzugsweise auf Netware, wobei Optinet mit theoretisch moeglichen 255 CD-Laufwerken sicherlich den Vogel abschiesst. Die CDs werden dabei auf fiktive Volumes gecacht, der Zugriff der angeschlossenen Rechner erfolgt ueber Verzeichnisnamen.

Auch fuer das letzte Glied der CD-Kette gibt es Software, die den CD-Zugriff im LAN vereinfacht. Ganz obenan steht natuerlich der lokal gefuehrte Cache des entfernten CD-Laufwerks, mit dem sich nicht nur die Netzlast austarieren laesst. Viele Anfragen aehnlicher Natur gehen dabei erst einmal in den eigenen Speicher und finden dort sehr schnell die entsprechenden Daten, von denen eventuell nur Bruchstuecke nachgeladen werden muessen.

Waehrend das Cachen entfernter CDs bei den grossen Betriebssystemen Standard ist, wurde es unter DOS und Windows erst mit Microsofts 6.2 (jetzt 6.22 respektive IBM PC-DOS 6.3) realisiert. Noch einen Schritt weiter geht Novells DOS 7, das fuer seine Cache-Treiber das Protect Mode Interface (DPMI) ausnutzt. Die moeglichen Leistungssteigerungen beim CD-Zugriff sind allerdings extra von der Software anzufordern, was vielleicht in neueren Programmversionen der Fall sein mag.

Wer jedoch seine Stationen im Netz auf ein aelteres DOS standardisiert hat, steht nicht draussen vor der Tuer. In der Shareware und der Public Domain gibt es einige RAM-residente Programme wie Cache-All von Public Brand Software, die den Zugriff auf entfernte CDs im LAN erheblich beschleunigen koennen.

Vorlaeufig ultimativ scheint die CD-ROM als Massenspeicher auch fuer Software, insbesondere Shareware. Indes sind die schillernden Scheiben fuer Datensammlungen aller Art genauso praedestiniert wie beispielsweise Schriften und Fonts fuer den DTP-Alltag.

*Detlev Borchers ist freier Journalist in Westerkappeln.