Europäisches Patentamt verschickt Informationen auf optischen Platten

CD-ROM hilft beim Kampf gegen den hohen Papierberg

26.10.1990

MÜNCHEN (hp) - CD-ROM kann ein Ausweg aus dem Papierwust sein. Verschickte das Europäische Patentamt früher die komplette Patentdokumentation eines Jahres, so fielen rund eine halbe Million Seiten an. Jetzt findet die Information auf 70 CD-ROMs Platz.

Rund 60 000 Erfindungen werden in Europa jährlich angemeldet und nach 18 Monaten verschickt. Auf Papier nahmen die Informationen nicht nur enorm viel Platz ein, sondern strapazierten auch die Portokasse des Europäischen Patentamtes. Empfänger der kompletten Jahresdokumentation waren in den meisten Fällen Bibliotheken, die zunehmend über den großen Verwaltungsaufwand bei den Patentdokumentationen klagten. Zudem war die Papierlösung für die Patent-Interessierten kostspielig. Der Preis für eine Dokumentation lag zwar bei fünf Mark. Das summiert sich bei 60 000 Patenten im Jahr aber auf immerhin 300 000 Mark.

Seit Anfang 1989 sind die vollständigen europäischen Patentanmeldungen auf den "Espace"-Platten erhältlich. Jede CD-ROM umfaßt zirka 800 Dokumente in Faksimile-Form. Das System beruht auf 13 bibliographischen Angaben wie Veröffentlichungsnummer des Patents, Name des Anmelders und die Bezeichnung der Erfindung in drei Sprachen. Suchen sind anhand einzelner Kriterien oder einer Kombination von Suchbegriffen möglich. Zusätzlich bietet das Patentamt "First" an, eine Platte, die dieselben bibliografischen Daten enthält wie Espace, aber nur die Titelseite der Anmeldungen aufführt. Voraussetzungen für den Einsatz der CD-ROM sind ein kompatibler AT mit 640 KB Arbeitsspeicher, eine Festplatte, MS-DOS 3.0 oder höher sowie ein CD-ROM-Laufwerk, das dem ISO-Standard 9660 entpricht und eine Kapazität von mindestens 550 MB hat. Die Ausgabe erfolgt über einen Laserdrucker.

Die Plattenlösung ist deutlich billiger

Der Preis einer Jahresausgabe Espace, die aus 70 CD-ROMs besteht, liegt bei rund 5000 Mark. Die Herstellungskosten der Plattenlösung liegen weit unter denen der konventionellen Papiermethode. Sie betragen bei einer CD-ROM zirka 80 Mark. Um die gleichen Dokumente auf Papier zu vervielfältigen, müßte ein Vielfaches aufgewendet werden.

Bei der Einführung der neun Technik sollte aber nicht nur Geld gespart werden. Das Europäische Patentamt in München will dadurch die Patentinformationen attraktiver für einen größeren Personenkreis zugänglich machen. Zielgruppe dabei sind Unternehmen, die selbst entwickeln, Patentanwälte und Universitäten. "Gerade in der Ausbildung könnten die Informationen über die neuesten Erfindungen sehr nützlich sein. Die meisten Studenten erfahren in ihrer Ausbildung nicht, was es bereits auf dem Markt gibt und beschäftigen sich nur mit veralteten Techniken", beklagt Verwaltungsrat Ferdinand Rudolf, verantwortlich für Marketing der Abteilung Patentinformation.

Bei der Ausschreibung des Amtes kamen zehn Firmen in die nähere Auswahl. Dabei gab es bei ähnlichen Angeboten Peisunterschiede bis zum Faktor fünf. Das Rennen machten der französische CD-ROM-Hersteller Jouves und der französische Software-Anbieter GTI. Bei der Auswahl stellte das Europäische Patentamt folgende Kriterien auf: Benutzerfreundlichkeit, schnelle Erlernbarkeit, Preis, Flexibilität des Anbieters, Zoom-Funktion und gute Druckmöglichkeiten. "Der Druck muß problemlos vonstatten gehen, denn der Nutzer hat immer noch den Wunsch, die Information in der Hand zu halten und sie seinem Kollegen weiterzugeben", meint Rudolf:

Die französischen Unternehmen wurden auch deshalb ausgewählt, weil sie ein Hardwareunabhängiges Angebot machten. "Wir wollen nicht, daß die Anwender gleichzeitig dazu überredet werden, mit Espace oder First eine bestimmte Hardware zu kaufen. Sie sollen frei wählen können", resümiert Gerard Giroud, Hauptdirektor der Abteilung Patentinformation.

Die französischen Firmen haben die Kriterien des Münchner Amtes weitgehend erfüllt. "Bei der Software sind wir nach wie vor dabei, Verbesserungen und Anregungen von Anwendern nachzugehen", meint Rudolf. Inzwischen ist das Patentamt bei der sechsten Version angelangt. Allerdings hapert es noch bei der Bereitstellung von geeigneten Jukeboxen.

Insgesamt ist das Europäische Patentamt mit dem Projekt zufrieden, in das eine Million Mark investiert wurde. Wurden früher im Jahr rund 20 komplette Patentsammlungen verkauft, ist die CD-ROM-Auflage auf 200 angestiegen.

Einen weiteren Vorteil der CD-ROM nennt Geroud: "Mit der neuen Technik können wir die Versandkosten erheblich reduzieren. Wir haben Austauschabkommen mit über 60 Ländern. Wenn sich hier die CD-ROM durchsetzt und wir kein Papier mehr verschicken müssen, dann hat sich das Projekt sehr bald ausgezahlt."