Quality 2: Qualitätssicherung im Wandel

CAQ und CIM: Diese Ehe muß erst noch geschlossen werden

12.10.1990

In vielen Unternehmen gleicht das Qualitätswesen heute mehr einem Staat im Staate und ist durch eine hohe organisatorische Eigenständigkeit gekennzeichnet. Die "Quality" in Stuttgart bestätigte: Eine Einbindung der Qualitätssicherung in CIM-Systeme ist trotz ihrer auch heute schon großen und ständig weiter zunehmenden Bedeutung in der Praxis bisher kaum realisiert.

Eine "Staat im Staate" -Struktur des Qualitätswesens in der Fertigungsumgebung widerspricht modernen integrierten Produktionskonzepten und behindert natürlich eine Integration im Sinne von CIM. Der Einsatz von rechnergestützten Qualitäts-Informationssystemen kann die Integration der Qualitätsarbeit beschleunigen. Diese CAQ (Computer Aided Quality Assurance)-Systeme sind in der Lage, einen großen Anteil der Qualitätssicherungs-(QS-) Funktionen auf den Rechner zu bringen, und sie sind die Voraussetzung für eine Einbindung der Qualitätsarbeit in CIM-Systeme.

Nur wenige zusammenhängende CAQ-Lösungen

Offensichtlich existieren bisher noch wenige in CIM-Systeme eingebundene und zusammenhängende CAQ-Lösungen. Es sind eher einzelne voneinander unabhängige Methoden mit CAQ-Systemen realisiert; Hier vor allem in PPS-Systeme eingebundene QS-Lösungen und auch QS-Systeme in Fertigung und Montage. Nach Hewlett-Packard setzen weniger als zehn Prozent aller Unternehmen EDV in der Qualitätssicherung ein. Heutige CAQ-Systeme umfassen die Funktionen Planung, Steuerung, Ergebniserfassung und Auswertung der Qualitätsprüfungen. Zielrichtungen des CAQ-Systems sind

- Objektive und umfassende Ermittlungen von Qualitätsdaten,

- Erstellung von Prüfberichten, Prüfzeugnissen und Qualitätsberichten,

- Fehler und Nacharbeit vermeidende Konstruktion und Planung,

- Reduzierung von Prüfaufwand und Prüfkosten,

- Informationshaltung zur Darstellung und Auswertung von Qualitätsdaten, zum Beispiel Informationen für das Management, Kennzahlen zur Lieferantenbeurteilung, Bewertung der eigenen Fertigung (Verbesserung der statistischen Auswertung).

- Effektive Fehlerursachen-Analyse durch direkten Zugriff auf das Qualitäts-Informationssystem.

Die Voraussetzung der Integration der einzelnen Elemente eines CAQ-Systems in eine CIM-Umgebung ist ein hierarchisch strukturierter Rechnerverbund. Je Funktionsbereich kann ein eigenes Qualitätssicherungs-System realisiert werden, womit die jeweiligen Regelkreise möglichst dezentral geschlossen werden.

An der Spitze des Aufbaus auf der Host-Rechner-Ebene nimmt das Management firmenweite Qualitätssicherungs-Funktionen wahr, wie QS-Controlling und QS-Management (siehe Grafik CAQ im CIM).

In der Ebene darunter befinden sich die CAD-, CAP- und PPS-Systeme, denen jeweils ein eigenes Qualitätssicherungs-System zugeordnet ist.

Als CAQ-Methoden im Entwicklungs- und Konstruktionsbereich (CAD-System-Bereich) sind zu nennen:

- die Fehler-Möglichkeits- und Einfluß-Analyse (FMEA)

- die Fehlerbaum-Analyse

- Zuverlässigkeitsanalyse und

- Konfigurationsmanagement.

Die FMEA und die Fehlerbaumanalyse erlauben es, potentielle Fehlerursachen früh zu erkennen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Durch Rechnerunterstützung wird der Aufwand minimiert und können vor allem die beiden letzten Methoden erst in vertretbarem Zeitaufwand durchgeführt werden.

Zu den CAQ-Methoden oder -Funktionen in der Planung zählen:

- Erstellen der Prüfunterlagen und -pläne,

- Generierung von NC-Steuersätzen für automatisierte Prüfmittel,

- die Prozeßsimulation zur Erkennung von Schwachstellen des Prozeßablaufs, die durch Maßnahmen am Produkt oder im Prozeß vermieden werden, und die

- Prüfablaufsteuerung.

Rechnerunterstützung beim Erstellen der Prüfpläne und der NC-Steuersätze sichert die Produktqualität, da Fehlerminimierung und Vollständigkeit der Unterlagen sichergestellt sind.

Der Werkstattsteuerung und der Betriebs- und Maschinendaten-Erfassung werden die QS-Elemente Qualitätsdaten-Erfassung und -Auswertung sowie die Dokumentation zugeordnet.

Auf der untersten, der Prozeßebene, wird die Qualität von Fertigung und Montage überwacht durch Methoden wie:

- Prozeßintegriertes Messen (siehe Grafik),

- Statistische Prozeßregelung(SPC),

- Maschinen- und Werkzeugüberwachung,

- Automatische Meß- und Prüfsysteme, integriert in flexible Technologiezellen, die die Meßtechnik in das hierarchische CIM-System einbringen und damit auch auf die planende Ebene Informationen über die einzelnen Prozesse transferieren können.

Aus dem Bemühen um eine Stabilisierung der Prozesse als

Mittel zur Null-Fehler-Produktion entstehen zunehmend rechnergestützte Systeme der Prozeß- und Maschinen-Überwachung. Nicht die Überwachung der Werkstücke, sondern die Sicherung der Maschinenfunktionsfähigkeit steht laut, Westkämper im Vordergrund der technischen Entwicklung.

Der gesamte Bereich der Qualitätssicherung, vor allem auch der Anwendung von CAQ-Methoden, ist zur Zeit einer ständigen Veränderung und Weiterentwicklung unterworfen. Wenn auch das Prinzip der Qualitäts-Regelkreise grundsätzlicher Natur ist, so hat die Qualitätssicherung noch ein enormes Innovations- und Marktpotential und bedarf zur gemeinsamen Abstimmung und Konsensbildung künftig weiter intensiver Diskussion. Die obige Darstellung der verschiedenen Ebenen des CAQ im CIM folgt Prof. Dr. Westkämper, dem Sprecher des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) in Braunschweig und Sprecher des dem IWF angegliederten CIM-Technologie-Transfer-Zentrums (CIM-TTZ), das innerhalb der bundesweit 16 CIM-TTZ federführend das Querschnittsthema: CAQ-zentrierte Kopplung von CIM-Bausteinen bearbeitet.

*Dipl Wirtsch. Ing. Eduard Rüsing ist freier DV-Fachjournalist in Karlsruhe