Caposs und Kappes

09.10.1981

Mit der Straffung der Unternehmensorganisation in den USA (vergleiche Seite 1: "IBM packt DV-VB Kleinkram in den Rucksack") will IBM-Boß John R. Opel offenbar das Hauptproblem des Computer-Giganten angehen: zu hohe Marketing-Expenses. Bekanntlich machen sich heute IBM-Vertriebsrepräsentaten der Bereiche "Datenverarbeitung" (DV) und "Basis-Datenverarbeitung" (BD) Konkurrenz beim Kunden.

Überlappungen gibt es insbesondere bei den IBM-Systemen für verteilte Datenverarbeitung, den sogenannten "DDP-Produkten". Die DV hat das Informationssystem 8100 im Angebot, der BD-Bereich offeriert das System /34 und die Serie/1-Minicomputer. Das verwirrt die Kunden und bringt Unproduktivität in den Außendienst.

Vollends undurchsichtig werden die Dinge im Bereich Textverarbeitung (Stichwort "Büroautomation"), weil die Systeme in der Evolution der Produktlinien zusammenwachsen und man nicht mehr trennen kann zwischen einem DDP-Produkt, einem BD-System und einem Textverarbeitungsgerät. Beispiel: das Textsystem 3730.

Jetzt haben also die US-Boys aus den neuen IBM-Vertriebseinheiten in White Plain und Atlanta das komplette Produktspektrum im Rucksack. Das heißt: Jeder ist für alles zuständig. De facto wird jedoch der DV-Vertrieb an den Kanthaken genommen. Er soll sich mehr auf dezentrale Bürosysteme konzentrieren. Von den BD-Leuten dagegen wird niemand erwarten, daß sie plötzlich den Prozessor 3081 verkaufen.

Nach Einschätzung von Branchen-Kennern will die IBM mit der Zweiteilung das Peripherie-Geschäft bei ihren Großkunden forcieren. Der Marktführer verdient nach Ansicht von Insidern nicht mehr genug Geld mit den Jumbos. Im dezentralen Geschäft liege das Marktpotential für die Umsatzsteigerung, die IBM brauche.

Diese Argumentation ist schlüssig. Gewiß: In den vergangenen Jahren hat sich auch der BD-Bereich dem DDP-Business zugewandt. Nur hatten es die Basis-Datenverarbeiter bisher sehr schwer, bei Großkunden reinzukommen.

Diesen Konflikt will die IBM auflösen. Der DV-VB soll das Business draußen bei den Fachabteilungen und Filialen großer Organisationen machen, der BD-Mann vorwiegend das Neugeschäft bei mittleren Firmen. Dazu muß der DV-Vertrieb freilich lernen, was Textverarbeitung ist. Zwar kennt der "High-sophisticated"-Verkäufer, was, in den Köpfen der Caposs*-Anwender vorgeht - doch Schreibmaschinen, Vermittlungssysteme und Kopierer waren bisher Kappes für ihn. Das scheint das Problem zu sein: Wie reagiert der DV-Außendienst auf die neue Regelung, durch die ja auch personalmäßig Straffungen entstehen sollen?

Es läuft alles auf die Frage raus, welcher von beiden, nachdem sie jetzt gleichgestellt sind, besser verkaufen kann: der bisherige DV-VB oder der bisherige BD-Mann.

IBM-Beobachter sagen ein offenes Rennen voraus. Eines scheint sicher: Das Geschäft wird für die IBM durch die Neugliederung größer.

*Capacity Planning and Operation Sequencing System = Anwenderprogramm für die Planung von Fertigungs- und Grundstoffindustrie.