Altran-Übernahme für 3,6 Milliarden Euro

Capgemini setzt auf die Digitalisierung in der Fertigungsbranche

28.06.2019
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Capgemini hat die Übernahme von Altran angekündigt. Mit dem Zusammenschluss entsteht ein IT-Dienstleister mit einem ausgeprägten Portfolio für digitale Transformationsprojekte in der Fertigung.

Mit der Übernahme finden zwei französische Unternehmen zusammen, die in ihren jeweiligen Märkten eine große internationale Reichweite und Präsenz haben. Altran ist mit einem Umsatz von rund drei Milliarden Euro und 45.000 Mitarbeitern eindeutig einer der führenden Anbieter, wenn nicht gar Spitzenreiter, im weltweiten Markt für Ingenieurs- und F&E-Dienstleistungen (Forschung und Entwicklung).

Mit dem Kauf von Altran verstärkt Capgemini sein Geschäft mit Ingenieurs-Dienstleistungen.
Mit dem Kauf von Altran verstärkt Capgemini sein Geschäft mit Ingenieurs-Dienstleistungen.
Foto: PopTika - shutterstock.com

Capgemini wiederum ist mit gut 13 Milliarden Euro Umsatz die Nummer neun im teknowlogy-Ranking der weltweit führenden IT-Service-Provider. Das Unternehmen ist schon seit Langem weit über den französischen Heimatmarkt hinausgewachsen. Von den rund 200.000 Mitarbeitern arbeiten beispielsweise über 100.000 in Indien.

Zur Expansionsstrategie von Capgemini gehören seit jeher auch Akquisitionen. Übernahmen wurden immer wieder gezielt eingesetzt, um die eigene Stellung in wichtigen Märkten und Regionen zu verbessern. Mit Zukäufen wie beispielsweise von iGate wurde etwa das US-Geschäft ausgebaut. Unternehmen wie Idean und Fahrenheit 212 wiederum trugen zu einem geschärften Profil im Bereich der digitalen Transformation und insbesondere im CX-Umfeld bei.

Capgemini erweitert sein Portfolio

Die nun angekündigte Übernahme von Altran, für die Capgemini rund 3,6 Milliarden Euro bereitstellt, hat eindeutig eine Portfolio-Erweiterung zum Ziel. Verglichen mit anderen IT-Service-Providern konnte Capgemini auch bislang schon auf ein bemerkenswertes Geschäft im Markt für Engineering-Dienstleistungen verweisen. Die Aktivitäten konzentrierten sich bis dato auf den Unternehmenszweig Sogeti High Tech und auf Teile von iGate, die zuletzt in der Business-Unit DEMS (Digital Engineering and Manufacturing Services) zusammengefasst wurden.

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Die Einnahmen beliefen sich auf rund 15 Prozent des Gesamtumsatzes und wurden vor allem in Frankreich und den USA erzielt. Für eine Rolle als global führender Anbieter in diesem Marktsegment reichte dies jedoch nicht. Auch in Deutschland, wo Capgemini zum Beispiel in der Fertigungsbranche sehr gut vernetzt und verankert ist, spielt Sogeti als Engineering-Dienstleiter keine exponierte Rolle. Hierzulande machte sich das Unternehmen eher als Testing-Spezialist einen Namen.

Altran wiederum baute sich nach einer fast zehn Jahre währenden Transformation und nach mehreren großen Akquisitionen, insbesondere in den USA und in Deutschland (zum Beispiel IndustrieHansa, Benteler Engineering), eine weltweit führende Position im Engineering- und F&E-Segment auf. Diese gesunde Entwicklung basierte zudem auf einer soliden und gut strukturierten Positionierung in wichtigen Branchen wie Luftfahrt, Automobil und Energieversorgung.

Altran offenbart Schwächen in der Integration der Zukäufe

Allerdings gab und gibt es einige Schwächen, die möglicherweise zur Übernahmebereitschaft führten. So waren zum Teil Schwierigkeiten bei der Integration von akquirierten Unternehmen zu beobachten. Die Offshore-Präsenz und die Sourcing-Prozesse wurden zwar ausgebaut, hatten aber noch nicht die Schlagkraft und Größe, um der Wucht der wachsenden Konkurrenz durch indische Provider eine adäquate Antwort entgegenzusetzen. Zudem hatte Altran die IT nicht als strategisches Geschäftsfeld definiert, so dass diese Geschäftseinheit weniger stark entwickelt war - und das, obwohl eigenen Aussagen zufolge die Kunden verstärkt nach IT-Unterstützung verlangten.

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Hier könnte nun die Verbindung mit Capgemini eine positive Wirkung entfalten: Denn die digitale Transformation im Industriesektor umfasst sowohl die Verbesserung des Kundenerlebnisses und die Integration mit den Backend-Prozessen als auch die Transformation von Produktionsprozessen sowie Maschinen und Anlagen. Mit der Integration von IT und OT (Operational Technology) können Fertigungsunternehmen einen reibungslosen Informationsfluss zwischen beiden Welten ermöglichen. Das ist zum Beispiel dann relevant, wenn die Sensordaten einer digitalen Fabrik sowohl die Prozesse in der Fertigung und der Intralogistik als auch im Kundenservice, der Buchhaltung und in der Lieferkette verbessern.

Ziel "Intrelligent Industry"

Aus Sicht von Capgemini kommt man dem Ziel einer "Intelligent Industry" nun einen deutlichen Schritt näher. Denn das Leistungsspektrum wird zu einem durchgängigen Portfolio für digitale Transformationsvorhaben ergänzt. Altran kann vor allem sein Wissen rund um "Embedded Softwareentwicklung" in Anlagen und Maschinen einbringen, was wichtig für Industrial-IoT-Projekte ist. Capgemini wiederum kennt sich sehr gut mit der Abbildung von Prozessen und der Gestaltung von Kundenschnittstellen aus. Die Akquisition unterstreicht auch Capgeminis Anspruch, den Herstellern digitaler Schlüsseltechnologien als starker Partner entgegenzutreten, etwa wenn es um die Integration von Lösungen für Customer Experience, Cloud, IoT, KI, 5G oder klassische Themen wie PLM, MES usw. geht.

In Deutschland beschäftigt Capgemini rund 4100 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2018 einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro. Verglichen mit der weltweiten Organisation ist Capgemini Deutschland deutlich stärker auf die Fertigungsbranche ausgerichtet. Während in Deutschland rund 40 Prozent der Einnahmen mit Industrieunternehmen erzielt werden, ist es auf weltweiter Ebene weniger als ein Drittel. Die Altran-Übernahme wird Capgemini Deutschland also weiter stärken. Nach Einschätzung der teknowlogy Group kam Altran in Deutschland zuletzt auf einen Jahresumsatz von deutlich über 250 Millionen Euro. Auch wenn es Überschneidungen in Kundenlisten gibt, dürften sich die beiden Unternehmen bislang nur selten als Konkurrenten begegnet sein, da sie (vor allem in Deutschland) sehr unterschiedliche Servicesegmente adressieren.