"Hardware-Neutralität ist unser stärkstes Argument"

Cap-Debis-Geschäftsführer Green über die DV-Geschäfte des Daimler-Benz-Konzerns

17.04.1992

Mit jeder neuen Akquisition wird die Debis Systemhaus GmbH unübersichtlicher. Branchenbeobachter zweifeln daran, daß sich hinter diesem vielschichtigen Unternehmensverbund überhaupt eine einheitliche Strategie verbirgt. Während sich die Debis Systemhaus CCS immer noch in der Hauptsache mit der Datenverarbeitung des Daimler-Benz-Konzerns beschäftigt, setzt sich die gemeinsam mit Cap Gemini Sogeti gegründete Cap Debis GmbH, Leinfelden-Echterdingen, aus mittlerweile 16 einzelnen Unternehmensbereichen zusammen, die so unterschiedliche Marktsektoren wie Professional Services und konfektionierte Softwareprodukte abdecken. Mit Cap-Debis-Geschäftsführer Kaj Green sprachen die CW-Redakteurinnen Beate Kneuse und Karin Quack.

CW: Zur CeBIT haben Sie ein konzerninternes Joint-venture angekündigt, das unter der Bezeichnung Cap Debis IAS GmbH firmieren wird. Welche Unternehmensteile fungieren als "Eltern"?

Green: Das sind die Cap Debis GmbH und die Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB, d. Red.). Aber MBB wird eigentlich nur bis zum l. Juli dieses Jahres unter diesem Namen existieren, weil die Deutsche Aerospace zu diesem Datum völlig neu organisiert wird.

CW: Mit welcher Zielsetzung wurde IAS gegründet?

Green: Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem neuen Unternehmen um ein Outsourcing der Software-Entwicklung. Ein Teil des Debis Systemhauses ist sehr aktiv im Outsourcing von Rechenzentren (RZ, d. Red.), und hier ist auch das RZ von MBB integriert. Mit IAS erreichen wir quasi die nächste Stufe. Wir sind der Ansicht, daß wir künftig im Outsourcing von Software aktiv werden sollten. Und da ist es natürlich gut, wenn wir mit IAS Erfahrungen sammeln können.

CW: Was, glauben Sie, verspricht sich MBB von dem Joint-venture?

Green: Wie ich schon sagte, will sich die Deutsche Aerospace AG demnächst umstrukturieren; dabei sollen auch die Kosten gesenkt werden. Für MBB als Dasa-Tochter sind die Möglichkeiten der Kostenreduzierung, die im Software-Outsourcing liegen, sicher ein wichtiges Motiv. Wenn man eine eigene Entwicklungsabteilung hat, dann bringt das Festkosten mit sich. Durch die Zusammenarbeit mit IAS werden daraus für MBB beziehungsweise für die Dasa variable Kosten. Wir erhalten normale Aufträge wie jeder andere externe Anbieter.

CW: Abgesehen von MBB und Dasa - an welche Kundschaft wendet sich die IAS?

Green: Heute ist MBB nahezu der einzige Kunde - das heißt, ein wenig trägt auch die Dasa Holding zum Umsatz bei. Unser Ziel ist es natürlich, unser Know-how auch auf dem freien Mark anzubieten.

CW: Wieviel kann die Dasa Ihrer Ansicht nach durch das Software-Outsourcing einsparen?

Green: Das Ziel ist, die Kosten in den kommenden drei Jahren um jeweils zehn Prozent zu reduzieren.

CW: Die Software-Entwicklung gilt als strategische Waffe im Konkurrenzkampf. Deshalb verblieb die Software-Entwicklung nach der Debis-Gründung bei den jeweiligen Daimler-Benz-Unternehmen ...

Green: ... das ist so nicht ganz richtig. Beispielsweise wird bei der Debis Systemhaus KSP durchaus Software für die Mercedes-Benz AG entwickelt. Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch bei Mercedes-Benz eine eigene Software-Entwicklung, nämlich für solche Programme, die näher an der Produktion sind. Genauso verbleibt auch die Entwicklung von Embedded-Software für Verteidigungssysteme und Flugzeuge innerhalb der Dasa.

CW: In Anbetracht des riesigen Unternehmenskonglomerats Debis Systemhaus GmbH fragen wir uns, wie Sie sicherstellen wollen, daß sich die unterschiedlichen Bereiche nicht gegenseitig Konkurrenz machen?

Green: Konflikte, wie sie beispielsweise zwischen der für Professional Services zuständigen Cap Debis Engineering und der mit dem Produktgeschäft befaßten Cap Debis SHI vorkommen könnten, gibt es bei uns nicht. Es ist unter anderem mein Job, unsere Aktivitäten hier zu steuern und zu koordinieren. Für größere Kunden ist ein spezieller Account-Manager zuständig, der als Gesprächspartner für das Management des Kundenunternehmens fungiert.

CW: Ihre alten Kunden haben die Entwicklung von Cap Gemini Deutschland über Cap Gemini SCS zu Cap Debis zwangsläufig mitgemacht. Wir können uns aber vorstellen, daß das Neukundengeschäft in der Übergangsphase erst einmal zurückgegangen ist.

Green: Ja, sicher. Leider kann ich darauf nicht mit einem Nein antworten. Aber wenn ich die ersten Monate des laufenden Jahres und denselben Zeitraum des vergangenen Jahres vergleiche, dann sehe ich eine bedeutende Steigerung in unserem Auftragseingang. Natürlich haben einige unserer Kunden Bedenken vorgebracht, weil wir ihrer Ansicht nach ein Gemischtwarenladen seien, der kein Profil habe. Solchen Kunden erklären wir dann immer folgendes Selbstverständlich können wir fast alles, genau das ist nämlich unsere Unternehmensidee. Wir wollen ein langfristiger Partner für Großkunden sein, und dazu brauchen wir Know-how in allen Bereichen. Sie dürfen uns nicht auf eine Stufe mit anderen Software-Unternehmen stellen. Sie müssen uns mit Firmen wie IBM oder DEC vergleichen.

CW: Wir haben gehört, daß Cap Gemini Sogeti nach der Daimler-Benz-Beteiligung Aufträge von großen französischen Automobilherstellern verloren hat. Gibt es dazu Parallelen in Deutschland?

Green: Das weiß ich nicht. Da ich selbst Schwede bin, weiß ich, daß der schwedische Hersteller Volvo zuerst negativ reagiert hat. Aber das spielte sich auf der Ebene des mittleren Managements ab. Wir haben den Leuten dann erklärt, daß Volvo von unserem Know-how im Automobilbereich sogar profitieren kann - ich spreche hier nicht nur von der Kooperation mit Daimler-Benz, sondern auch davon, daß die alte SCS für VW und BMW gearbeitet hat. Daraufhin hat uns die Volvo-Geschäftsleitung quasi um Entschuldigung gebeten und beschlossen, die Zusammenarbeit weiterzuführen. In Deutschland gab es keine Probleme mit den Automobilherstellern - sowohl VW als auch BMW sind noch unsere Kunden. Dasselbe gilt auch für Fiat in Italien.

CW: Cap Gemini Sogeti bemüht sich derzeit darum, in jedem europäischen Land einen Anteil am marktführenden Software- und Serviceunternehmen zu kaufen. Worauf soll das hinauslaufen?

Green: Wir haben Ambitionen, in den kommenden Jahren weltweit die Nummer eins oder zwei im Markt für Software-Services zu werden.

CW: Wen würden Sie denn da noch über sich dulden?

Green: Na ja, IBM und DEC vielleicht.

CW: Wie entwickeln sich Ihre Aktivitäten in den USA und in Japan?

Green: Nun, wir wollen natürlich eine Steigerung unseres Umsatzes in den USA und in Japan erreichen. Ob wir das 1992 schaffen oder erst 1995, das wissen wir noch nicht. Wir haben eine fast 3000 Mitarbeiter starke Tochtergesellschaft in den USA, die aber noch nicht allzuviel zum Umsatz beiträgt. Auf dem US-Markt sind wir einfach noch zu klein. Dieser Markt ist in etwa so groß wie der gesamteuropäische; also sollten wir dort ebenfalls rund 20 000 Mitarbeiter haben.

CW: Die Eroberung des US-Markts wäre sicher einfacher, wenn Sie sich mit einem einheimischen Anbieter zusammenschließen würden.

Green: Ja, das könnte man sich vorstellen. Soweit ich weiß, gibt es aber noch keine konkreten Konzepte oder Kandidaten für eine solche Allianz.

CW: Und was passiert in Japan?

Green: Wie gesagt, wir haben auch dort Ambitionen. Aber dieser Markt ist für ein europäisches Unternehmen sehr schwierig. In Japan haben Sie zwar die Möglichkeit, eine Tochtergesellschaft zu gründen, aber es ist ungleich komplizierter, eine Partnerschaft einzugehen.

CW: Trotzdem müssen Sie dort mit jemandem zusammenarbeiten, der nicht nur den Markt kennt, sondern auch die Mentalität der Menschen.

Green: So ist es - wobei der letzte Punkt sicher der wichtige ist.

Wir führen ja auch Gespräche mit japanischen Unternehmen. Aber es gibt dort nicht so viele Softwarehäuser, und von denen sind die meisten entweder staatlich oder mit einem Hardwarehersteller liiert.

CW: Sie haben bereits angesprochen, daß die großen Hardwarehersteller immer stärker in den Dienstleistungsbereich drängen. Ist das für Sie eine ernstzunehmende Konkurrenz?

Green: Oh ja, wenn Sie über Systemintegration, also Großprojekte, sprechen, so sind unsere Wettbewerber ohne Zweifel IBM, DEC und Siemens-Nixdorf. Dieselben Unternehmen sind allerdings auch unsere Partner. Das heißt, bei dem einen Projekt müssen wir eng zusammenarbeiten, während wir beim nächsten miteinander konkurrieren. Dabei ist die Hardware-Neutralität unser stärkstes Argument.

Für die Hardwarehersteller bedeutet dieses neue Geschäft eine große Herausforderung. Beratung erfordert ein ganz anderes Management als der Vertrieb von Produkten. Wenn wir neue Manager einstellen, die von einem Hardwarehersteller kommen, dann dauert es ungefähr ein Jahr, bis sie unser Geschäft verstehen.

CW: Das Debis Systemhaus engagiert sich stark im Outsourcing-Geschäft. Wie die Marktbeobachter berichten, ist dieses Geschäft für die deutschen Anwender - im Gegensatz beispielsweise zu den US-amerikanischen und britischen - kaum ein Thema.

Green: Sicher ist Deutschland für das Outsourcing ein neuer Markt, anders als England, Schweden oder USA, die zu den in puncto Outsourcing am weitesten fortgeschrittenen Ländern zählen. Aber wenn Deutschland demnächst eine schwierige Konjunkturphase durchmachen muß, dann werden sich die Kunden mit Möglichkeiten zur Kostensenkung beschäftigen. Kurzfristige Kostenreduktion wiederum ist das erste Argument für Outsourcing. Nur wenn ein Unternehmen viel Geld hat, kann es argumentieren: Wir möchten viele Mitarbeiter haben und alles selbst kontrollieren - auch wenn das nicht der effektivste Weg ist.