Uni Saarbrücken öffnet sich für die Wirtschaft:

Cantus schafft innovative Infrastruktur

14.11.1986

SAARBRÜCKEN (ch) - Die Universität des Saarlandes, erst jüngst durch die Verleihung eines Förderpreises der DFG an drei ihrer Informatiker aufgefallen, entfaltet umfangreiche Aktivitäten zur Erschließung neuer Gebiete für den DV-Einsatz. Kernstück ist das universitätsweite Rechnernetz "Cantus".

In diesem Zusammenhang führt die Universität gemeinsam mit der Siemens AG ein Projekt unter dem Titel "Innovative Informations-Infrastrukturen" durch, kurz III genannt. Eine Zwischenbilanz präsentierte die Hochschule vergangene Woche der Öffentlichkeit. Danach umfaßt das Vorhaben ein Volumen von 36 Millionen Mark; ein gutes Drittel davon steuert Siemens bei. Ziel ist für die Universität der Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur, die Entwicklung spezieller Anwenderlösungen und die Installation technischer Innovation als Dauerbrenner.

Das zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren geplante III-Projekt gliedert sich inhaltlich in drei Teilbereiche. Dies sind Rechnernetze, Tools und Anwendungen. Im Bereich "Rechnernetze" hat die Universität mittlerweile "Cantus" konzipiert und teilweise installiert. Es ist zweistufig aufgebaut: Als Teilnehmer am Cantus-Netz können wiederum kleinere, zum Beispiel institutsinterne LANs fungieren. Für die meisten Arbeitsplatzstationen sorgte Siemens und stellte mehr als 100 PCs unter Sinix zur Verfügung. Außerdem sind Großrechner des Rechenzentrums angeschlossen. Cantus ermöglicht Dialog und Filetransfer, Electronic Mail sowie Btx über den Mainframe des Rechenzentrums als externem Rechner.

Die Tools sollen die Anwenderakzeptanz erhöhen. Zu ihnen gehören experimentelle Compiler für höhere Sprachen, ein vielsprachiges Benutzer-Interface und ein aktives Hilfesystem für die Nutzung von Sinix. Außerdem wird eine Programmierumgebung erstellt, die Anfängern das Erstellen eigener Software erleichtert.

Der dritte Schwerpunkt besteht in der Förderung einer breiten Vielfalt von Anwendungen, beispielsweise der Steuerung und Auswertung von Experimenten in Physik, Chemie oder Nachrichtentechnik. Darüber hinaus werden bisher von der Informatik verschont gebliebene Fachbereiche künftig mit dem Rechner zu tun bekommen. So befindet sich ein Lexem-Inventar der französischen Wirtschaftssprache ebenso im Katalog der Einzelprojekte wie automatisierte Sprachübersetzung und die Einrichtung einer mathematischen Programmbibliothek. Und schließlich wird auch noch das BMFT-Programm Humanisierung der Arbeitswelt" mittels Neustrukturierung von Arbeitsabläufen unterstützt.

Das Projekt hat Vorbilder. Das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) beispielsweise oder die Stanford University haben früher schon auf ähnliche Weise mit der Industrie kooperiert. In Deutschland spielte die Universität Karlsruhe den Vorreiter. Die Saarbrückener erhoffen sich denn auch über den unmittelbaren technischen Nutzen hinaus neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Industrie. Auch die Siemens AG sieht Vorteile für ihr Haus: Sie verspricht sich Erkenntnisse für ihre Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und daraus die Umsetzung in marktfähige Produkte.