Call-Center: Unbeliebt, aber erfolgreich

23.02.2006
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Industrialisierung der Arbeit

Viel Freiraum für einen Plausch mit Kollegen bleibt bei dieser modernen Form der Fließbandarbeit nicht, wenn Taktraten, Erreichbarkeit und Erstlösungsquoten den Arbeitsalltag strukturieren. Call-Center wie das des Bekleidungsversenders Landsend bleiben die Ausnahme. Dort verzichten die Call-Center-Manager zugunsten des Betriebsklimas auf Zielvorgaben für die Agenten und setzen auf gute Kundenbetreuung durch zufriedene Mitarbeiter.

"Die Beschäftigten empfinden die Kontrolle als Belastung. Gute Call-Center verzichten darauf, derartigen Druck auszuüben", schimpft Unternehmensberater Christoph Busch. Das schlechte Image, das sich häufig in negativen Presseberichten zeige, in denen über unzufriedene Kunden und schlechte Beratung berichtet wird, sei kein Problem einer ungerechten Darstellung, sondern der mangelnden Qualität. "Die schlechten Beispiele gibt es, sie sind nicht erfunden", sagt Busch. Gerne verweisen die Verbände und Betreiber auf schwarze Schafe, vor allem Glücksspielbetreiber, die mit ihrem aggressiven Telefonmarketing die Kunden verschrecken. Doch die sind es nicht allein: Am 19. Januar 2006 wurde auch der Internet-Provider Freenet vom Amtsgericht Frankfurt am Main wegen unerlaubter Telefonwerbung verurteilt.

Busch geht in seiner Kritik über die Beispiele der Interessenvertreter hinaus. "Der Call-Center-Markt muss sich endlich von der Idee der Branchenverbände verabschieden, das Image von Call-Centern durch Lobby- und PR-Arbeit sowie durch brancheneigene Personen- und Unternehmens-Zertifizierungen verbessern zu wollen", warnt er. "Papier ist geduldig. Die Kunden und Auftraggeber sind es nicht." Er bemängelt die Qualität in Call-Centern, in denen Anrufe in Warteschleifen landen oder von überlasteten, unfreundlichen oder inkompetenten Agenten beantwortet werden. Hier sieht Busch noch erheblichen Nachholbedarf.

Die Call-Center-Trends:

  • VoIP: Die Sprachübertragung via IP ermöglicht den Betreibern schnelle, flexible und standardkonforme Implementierung verteilter Call-Center und die Sprach-Daten-Integration. Vor allem kleine Anbieter zeigen sich sehr aufgeschlossen, während die großen Dienstleister ihre Investitionen schützen und vielfach hybride Umgebungen betreiben. In puncto Servicequalität reichen die VoIP-Lösungen allerdings noch nicht an die proprietären TK-Anlagen heran.

  • Voice-Portale: Die neuen Anrufbeantworter sorgen für eine Vorqualifizierung der Anrufe, bieten idealerweise sogar Lösungsvorschläge. Werden die Anrufenden dann mit einem Agenten verbunden, ist er vorbereitet und kann schneller und kompetenter Auskunft geben. Multichannel Contact Center: Das Telefon bleibt des Kunden liebstes Kontaktmediun, doch die Bedeutung von Fax, E-Mail, SMS und Chats nimmt zu. Im Dokumenten-Management und den Bearbeitungsprozessen steckt noch viel Verbesserungspotenzial.

  • E-Mail-Management: Die Zahl der eingehenden E-Mails steigt, allerdings nutzen Kunden die elektronische Post nicht als Alternative zum Telefon, sondern als Ergänzung, so dass das Gesamtvolumen der Anfragen wächst. E-Mail-Management-Systeme versuchen anhand von Regeln oder Künstlicher Intelligenz die Inhalte zu erfassen, um dann entweder automatische Antworten zu verfassen oder die Anfrage dem richtigen Ansprechpartner zuzuleiten.