4000 Konstruktionszeichungen auf dem neuesten Stand:

CAD-System amortisiert Sich in einem Jahr

16.06.1989

Anfang des Jahres 1986 stand die Zahnradfabrik Friedrichshafen AG vor der Aufgabe, innerhalb eines Jahres rund 4000 Konstruktionszeichnungen zu aktualisieren. Eine Aufgabe, die mit der Einführung eines modernen CAD-Systems bewältigt wurde.

Bereits zu Beginn der 60er Jahre, beschäftigte sich die Konstruktionsabteilung mit der rationellen Erstellung von Konstruktionszeichnungen. Während damals noch Konstruktions-Informationen, die über Lochkarten erfaßt und in Listenform ausgegeben wurden, als Fortschritt galten, wurde im Jahre 1982 das Softwaresystem CADAM auf IBM-Systemen eingesetzt (derzeit auf einem Hostsystem 3090 mit etwa 130 online und 50 remote angeschlossenen CAD-Grafikbildschirmen mit 20-Zoll-Farbbildröhren).

An den interaktiven Bildschirmarbeitsplätzen, die sehr schnelle Antwortzeiten garantieren, entwerfen die Antriebskonstrukteure mit Computerunterstützung Erzeugnisse der Antriebs-, Lenkungs- und Fahrwerkstechnik. Während am Reißbrett lediglich die Grundideen als Freihandskizze gezeichnet werden, stehen für die exakten Konstruktionszeichnungen über Bildschirm umfangreiche Programmhilfen für detailgenaue Entwürfe zur Verfügung.

Bearbeitung alter und neuer Zeichnungen

Bei der Zahnradfabrik Friedrichshafen stand bei Einführung des CAD-Verfahrens fest, daß es aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht vertretbar ist, vorhandene Altzeichnungen ebenfalls mit dem CAD-System neu zu erstellen und in die Gesamtdatenbank für Konstruktionszeichnungen zu übernehmen. Die Hauptbegründung lag in dem geringen Nutzen, den der überaus hohe Aufwand für Neuzeichnungen der teilweise nur sehr schwer identifizierbaren Originalzeichnungen bringen würde.

Andererseits wurden für bestimmte Projekte komplette und aktuelle Konstruktionszeichnungen von Erzeugnissen verlangt, die noch nicht auf CAD-Anlagen entwickelt worden sind. In vielen Fällen waren zusätzlich Text-Ergänzungen vorzunehmen und in die Zeichnungen einzufügen. Diese kompletten Überarbeitungsaufgaben erforderten einen hohen Arbeitsaufwand, der in einer vorgegebenen Zeit vollständig zu erledigen war, wobei das Ergebnis durch Spezialisten auf absolute Richtigkeit überprüft werden mußte.

Erste Überlegungen, diese Vorgänge mit der CADAM-Software über CAD-Bildschirme neu zu zeichnen, führten zu einer überschlägigen Berechnung eines Aufwandes von 10 Mannjahren und wurden damit als vollkommen uneffizient verworfen, da dieses Personal weder kurzfristig noch befristet zur Verfügung gestellt werden konnte. Nicht kalkuliert wurde dabei der Aufstockungsaufwand des Hostsystemes und der CAD-Arbeitsplätze.

Die Anforderungen an ein modernes und rationelles System für die Aktualisierung von Konstruktionszeichnungen wurden in einem Pflichtenheft der Abteilung Detailkonstruktion zusammengefaßt und enthielten als Hauptpunkte:

- Möglichkeit der Übernahme von Original-Konstruktionszeichnungen, die auf Papier oder Transparentpapier in unterschiedlichen Größen vorliegen.

- Archivierung auf einem Speichermedium.

- Möglichkeit des Aufrufs und der Bearbeitung der Konstruktionszeichnung für Aktualisierungszwecke und Ergänzungen über hochauflösende Grafikbildschirme.

- Möglichkeiten der Ausgabe von kompletten Zeichnungen auf einem vorhandenen elektrostatischen Plotter in unterschiedlichen Formatgrößen bis zu DIN A0.

- Weiterhin wurde gefordert, daß in das Computer-gestützte System auch Konstruktionszeichnungen, von denen keine Originale mehr existierten, von Mikrofilmkarten einlesbar sein sollten.

- Für die Illustration von Angeboten sollte es in einfacher Form möglich sein, aus Detailzeichnungen unterschiedlicher Herkunft neue Zeichnungskombinationen am Bildschirm zu erstellen.

Nach umfangreichen Selektionsprüfungen von fünf verschiedenen Systemkonzepten, die anfänglich zur Auswahl standen, wurden schon bei der Vorauswahl drei Angebote auf Grund der Systemunterlagen als nicht zufriedenstellend abgelehnt. Die beiden Systeme, die den geforderten Anforderungen entsprachen, wurden von einer amerikanischen Computerfirma und dem Systemhaus JDS Sommer in Frankfurt angeboten.

Nach ausführlichen Gesprächen fiel die Entscheidung im Sommer 1986 für das System Autodigit, das heute durch die Firma Renker, Düren, vertrieben wird.

Die überzeugenden Argumente lagen dabei in der vollkommenen Erfüllung aller gestellten Anforderungen, in einer anwenderfreundlichen Bedieneroberfläche, einer Menüführung in deutscher Sprache, in der möglichen engen Zusammenarbeit mit den Systemspezialisten für individuelle Kundenanpassungen und in dem besseren Preis-/Leistungs-Verhältnis.

Im Herbst des Jahres 1986 wurde die ausgewählte Systemkonfiguration installiert und in Betrieb genommen. Das System besteht hardwareseitig aus einer Sommer Autodigit Arbeitsstation mit extrem schnellen Rasterprozessoren, 12 MB RAM-Speicher, 2 Winchesterlaufwerken mit zirka 80 MB, einem Scanner für DIN-A4-Vorlagenformate, einem Mikrofilmkarten-Scanner, einem 19-Zoll-Rasterbildschirm mit hoher Auflösung und Positivdarstellung sowie einer Multiplexerverbindung für den Ausdruck auf einem elektrostatischen DIN-A0-Plotter.

Scanner macht Grafiken auf dem Bildschirm sichtbar

Auf dieser Workstation läuft das Anwendersoftwarepaket Sommer Rastercad: Leichte Bedienbarkeit und übersichtliche Menüführung erleichtern die Bearbeitung von Konstruktionszeichnungen.

Für die Bearbeitung über den Grafikbildschirm werden die Konstruktionszeichnungen von den Mikrofilmscanner (denen Originale bis DIN A0 reichen) über einen speziellen Mikrofilmscanner oder Papiervorlagen über den A4-Papier-Scanner auf die Magnetplatte des Autodigit-Systems gelesen und stehen dann auf dem Bildschirm zur Bearbeitung zur Verfügung.

Große Formate bis A0 werden über den Mikrofilmlochkartenscanner erfaßt und können am Bildschirm komplett in verkleinerter Form oder in vergrößerten Detailausschnitten dargestellt und bearbeitet werden. Für diffizile Feinbearbeitung lassen sich in einem Fenster bestimmte Detailbereiche auch im stark vergrößerten Format sichtbar machen und für Veränderung leicht handhabbar gestalten.

Mit der in der Programmiersprache C geschriebenen Software können Zeichnungsausschnitte verschoben, gedreht oder in Stufen vergrößert oder verkleinert werden. In allen Bereichen lassen sich über den Scanner eingelesene Zeichnungen, Fotos oder Textvorlagen einfügen.

Schwach erkennbare Bereiche in Originalzeichnungen, die durch das häufige Abkratzen oder Schaben auf den Vorlagen entstanden sind, können mittels Bearbeitung über Bildschirm durch Verwendung verschiedener Strichkarten und -stärken ebenso wie durch Verwendung von Kreisen, Ellipsen oder Rechtecken wieder originalgetreu aufgefrischt werden. Im selben Arbeitsgang können durch die Softwaresteuerung die Anpassungen der Beschriftungen an neue Normungsvorschriften vorgenommen werden. Diese Gesamtinstallation stellte einen Investitionswert von rund 295 000 Mark dar.

Mitarbeiterschulung und Systemanpassung zeitgleich

Ein DIN-A0-Papierscanner gelangte nicht zum Einsatz, weil die großen Formate über den Mikrofilmscanner erfaßt werden konnten, der damals in der Anschaffung weit unter dem AO-Papierscanner lag.

Eine Woche nach der betriebsfertigen Übergabe begann die Schulung eines Systemspezialisten mit der gleichzeitigen Softwareanpassung an Kundenwünsche.

Schon Mitte November 1986 begannen umfangreiche Praxisanwendungen als Startversion und weitere Mitarbeiterausbildungen. Der echte Praxiseinsatz lief dann bereits ab Mitte Februar 1987.

Die positiven Erfahrungen innerhalb des ersten Jahres im Praxiseinsatz haben die gestellten Anforderungen und Annahmen bestätigt und erfüllt. Weder von der Hardwareseite noch von der Betriebssystem- oder Anwender-Software her gab es bis jetzt Probleme.

Wirtschaftlichkeit mehr als verdoppelt

In der Anwendung hat sich lediglich gezeigt, daß der Einsatz eines DIN-A3-Vorlagenscanners statt des DIN-A4-Gerätes günstiger gewesen wäre, Auch diese Scanner sind zwischenzeitlich zu wirtschaftlichen Kosten erhältlich.

Inzwischen wurden bei der Bearbeitung von Praxisprojekten 4000 Zeichnungen auf den neuesten Stand gebracht. Diese Aufgabe wurde von abwechselnd 2-3 Mitarbeitern durchgeführt. Dabei entfielen auf die Aktualisierung bereits existierender Zeichnungen 70 Prozent, auf die Zeichnungsverwaltung und Erstellung von Zwischenoriginalen etwa 20 Prozent, auf die quantitative Aufbesserung alter Zeichnungsoriginale 5 Prozent und auf die Umstellung von Fremd-Originalen auf die ZF-Belange ebenfalls 5 Prozent der Kapazität.

Der dabei erreichte Wirtschaftlichkeitsfaktor gegenüber der Neuerstellung als Handzeichnungen wurde mit dem Faktor 2,5 bis 3 angegeben.

Damit hat sich die Anlagen-Investition innerhalb eines guten Jahres amortisiert.