Auf dem Prüfstand: Graphisoft N.V.

CAD-Spezialist trotzt der Marktschwäche bei Bausoftware

26.05.2000
MÜNCHEN (CW) - Von der weltweiten Schwäche im CAD-Markt konnte sich die seit fast zwei Jahren am Neuen Markt notierte Graphisoft N.V. mit Hauptsitz in Budapest zuletzt leicht abkoppeln. Wie bereits in den Vorjahren besticht der ungarische CAD-Spezialist vor allem aber durch seine hohe Rendite.Von Andrea Goder*

Trotz des anhaltenden Margendrucks in der Branche für Bausoftware setzte Graphisoft auch im ersten Quartal 2000 mit einer Umsatzrendite von knapp 23 Prozent die guten Ergebnisse der Vorjahre fort. Insgesamt wurde ein Nettogewinn von 3,2 Millionen Mark ausgewiesen, der allerdings nur geringfügig über Vorjahresniveau lag. Für die ersten drei Monate des laufenden Geschäftsjahres meldete das Unternehmen außerdem einen Umsatzzuwachs gegenüber dem Vorjahr von 25 Prozent auf 14,1 Millionen Mark. Zum Vergleich: Im Geschäftsjahr 1999 stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um nur 14 Prozent auf 50,3 Millionen Mark.

Hauptumsatzbringer des ursprünglich aus der Apple-Macintosh-Ecke kommenden Unternehmens ist nach wie vor "Archicad", eine 3D-fähige und objektorientierte Software für Architekturbüros und die Bauindustrie. Deutschland-Geschäftsführer Johannes Reischböck zufolge steuerte der Verkauf von Lizenzen und Lizenz-Updates dieses Produktflaggschiffs - 75000 Architekten und Bauingenieure arbeiten Graphisoft-Angaben zufolge weltweit mit Archicad - den Hauptteil zum Umsatz bei.

Das 1982 von dem Ungarn und heutigen CEO Gábor Bojár gegründete Unternehmen ist weltweit mit zwölf Dependancen vertreten und verkauft seine Produkte über ein Partnernetzwerk in 80 Ländern. Rund zwei Drittel des Umsatzes entfielen zuletzt auf Europa, jeweils 15 Prozent auf die USA und Asien. Wie auch die wichtigsten Wettbewerber, etwa Nemetschek, MB Software in Deutschland oder Autodesk, Bentley und Intergraph in den USA, leidet Graphisoft unter dem anhaltenden Preisdruck in der Baubranche. "Der Schwung in der traditionellen AEC-CAD-Branche scheint zu erlahmen", ist dem Geschäftsbericht 1999 zu entnehmen. Alles andere als berauschend sind denn auch die von führenden Marktforschungsunternehmen prognostizierten Wachstumsraten in diesem IT-Segment. Dataquest beispielsweise erwartet für das Jahr 2000 einen nur knapp zehnprozentigen Anstieg der weltweiten AEC-Umsätze (Architecture, Engineering, Construction) auf 1,238 Milliarden Dollar. Als schwieriges Terrain gilt angesichts der Marktsättigung vor allem aber der deutsche Markt mit einem Volumen von nur 340 Millionen Dollar.

Die Strategie des ungarischen Bausoftwarespezialisten wie im Übrigen auch der Wettbewerber ist es daher, komplementäre Branchensegmente zu erschließen. So beteiligte sich Graphisoft vor wenigen Monaten mit fünf Prozent an der Bad Homburger Cetec Vision AG, einem Softwarehersteller für das Gebäude-Management. Erstes gemeinsames Produkt ist die in Kooperation mit Pricewaterhouse-Coopers konzipierte 3D-basierte Facility-Management-Lösung "Archi FM 2000". Vor kurzem gab Graphisoft im Bereich Facility-Management die Übernahme des US-Unternehmens Drawbase Software bekannt.

Neue Umsatzquellen verspricht sich der CAD-Anbieter außerdem von Geometric-Description-Language-(GDL-) Objekt-Tools, die den Vertrieb von Baukomponenten via Internet ermöglichen sollen. Last, but not least fusionierte Graphisoft im Januar mit der britischen Cymap Ltd., einem Hersteller für Planungssoftware im Bereich Heizung, Lüftung und Klima.

Akquisitionen sollen laut Reischböck auch weiterhin einen wichtigen Stellenwert in der Strategie des Unternehmens haben. "Es gibt einen Rucksack voller Übernahmekandidaten", so der Manager, dessen Worten zufolge der CAD-Markt vor einem "Shakeout" steht. Wie bereits in der Vergangenheit werde man Übernahmen allerdings "nicht mit der Brechstange durchziehen". Das verbiete sich allein schon aus Kostengründen. "Bei den Preisen, die im Moment für nicht börsennotierte Firmen in Deutschland zu zahlen sind, stimmt die Relation nicht mehr." Kein Geheimnis macht Reischböck daraus, dass durch Akquisitionen wichtige produktseitige Add-ons geplant sind - etwa im Internet-Bereich. "Es ist nicht so, dass wir nicht wissen, wo sich unser Produkt noch verbessern lässt."

Vor dem Hintergrund der in den letzten Monaten gestarteten Aktivitäten glaubt der Deutschland-Chef, dass die "Pflöcke geschlagen" sind. "Was jetzt noch fehlt, sind die entsprechenden Umsätze", so Reischböck. Ausgehend von ersten Einnahmen aus den neuen Produktlinien, vor allem auf dem Gebiet Facility-Management, erwartet das Unternehmen, das 300 Mitarbeiter beschäftigt, für das Gesamtjahr 2000 Einnahmen in Höhe von 60 Millionen Mark und proportional steigende Gewinne. Um den Bekanntheitsgrad weiter zu steigern und den Kreis der Investoren zu erweitern, ist der ungarische CAD-Spezialist seit kurzem auch an der Budapester Börse gelistet.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.