Für welchen Integrationsansatz sich der Anwender auch entscheidet:

CAD-Kopplung ist generell ein Stolperstein

15.05.1987

Produktionsplanung und -steuerung wird inzwischen als unverzichtbarer Basisbaustein für CIM gesehen. Für viele Anwender ist der Einsatz von CAD ein nächster Schritt. Aber auch der direkte Einstieg über CAD oder eine parallele Einführung beider Disziplinen sind in der Praxis anzutreffen. Hierbei ergibt sich nach Ansicht von Volker Hasse* automatisch das Problem der Kopplung.

Für den Anwender, der in seinen Überlegungen noch vor der Einführung eines PPS-Systems steht, sollten insbesondere solche Systeme von Interesse sein, die auf verschiedenen Hardwaresystemen laufen. Dies erhöht die Chance, zu einer einheitlichen Hardwarelösung zu kommen, wenn zum Beispiel eine Integration mit einem CAD-System beabsichtigt wird.

Wenn der Anwender umgekehrt kurzfristig vor einer Hardware-Entscheidung steht und die PPS-Einführung erst zu einem späteren Zeitpunkt plant, sollte er sich vorrangig für solche Systeme interessieren, bei denen ein möglichst großes Angebot an unterschiedlichen PPS-Systemen besteht (siehe Grafik). Auch hierbei empfiehlt es sich jedoch unbedingt, die "Verträglichkeit" mit dem bereits vorhandenen oder zur Einführung vorgesehenen CAD-System zu berücksichtigen.

Eine Verknüpfung von CAD und PPS ist allerdings nicht in jedem Fall notwendig und sinnvoll, nämlich insbesondere dann nicht, wenn überhaupt kein Datenaustausch stattfindet. Hierzu ein Beispiel: Ein Auftragsfertiger von Spritzgußteilen konstruiert nach den Werkstückzeichnungen des Kunden seine Spritzgußformen mit einem aufwendigen 3D-CAD-System, um die Formen entweder selber NC-gesteuert zu fertigen oder sie außer Haus erstellen zu lassen.

Die einzige Verbindung zu dem PPS-System, mit dem bei diesem Anwender die Materialdisposition und Fertigungsplanung der Spritzgußteile durchgeführt wird, ist die Ident-Nummer des Fertigteils. Ein Datenaustausch mit dem PPS-System ist mithin überflüssig. Notwendig ist dagegen eine Schnittstelle zur NC-Programmierung für die Werkzeugfertigung.

Normalerweise fallen jedoch in der mechanischen Konstruktion und in der Elektro- beziehungsweise Elektronik-Entwicklung Stücklisteninformationen in Form von Baukasten-Stücklisten an, die ins PPS-System zu übernehmen sind, um unter anderem auch zu Strukturstücklisten zu kommen. Will man die Daten dort nicht wieder manuell eintippen müssen, wobei sich zwangsläufig Fehler einschleichen können, sollte eine Übertragungsautomatik in der Richtung CAD-PPS verfügbar sein.

Außer der Stücklistenübertragung könnte es wünschenswert sein, umgekehrt Teilestammdaten mit ihren Ident-Nummern vom PPS-System ins CAD-System zu übernehmen. Dabei taucht aber zwangsläufig das Problem auf, welche Stelle im Betrieb für die Erfassung neuer Teile und die Vergabe neuer Teile-Ident-Nummern zuständig sein soll. -

Um ein organisatorisches Durcheinander zu vermeiden, sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, daß neue Teile und damit neue Ident-Nummern nur von einer Stelle im Betrieb, zum Beispiel der Konstruktion, vergeben werden. Damit wird die Datenübertragung als "Einbahnstraße" definiert.

Dieses Vorgehen schließt jedoch nicht aus, daß es möglich sein sollte, Informationen, die der Konstrukteur für seine Arbeit benötigt, aus dem PPS-System abzurufen. So stellt sich zu Beginn der Arbeit beispielsweise häufig das Problem, ein bestimmtes Teil, zu dem der Benutzer die Ident-Nummer nicht kennt, aus seinem Zeichnungs- beziehungsweise Teilevorrat wiederzufinden, das heißt zu identifizieren.

Damit entsteht die Notwendigkeit zur "Klassifizierung" der vorhandenen Teile. Dieser Problematik wird wegen ihrer besonderen Bedeutung für eine wirtschaftliche Konstruktion und Fertigung noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Hat der Anwender dann zum Beispiel die Auswahl zwischen mehreren möglichen im PPS-System bekannten Teilen, sollte er durch den Zugriff auf weitere PPS-Stammdaten, wie Einkaufspreis beziehungsweise Herstellkosten, Verfügbarkeit oder Gängigkeitsangaben, Entscheidungshilfen für die Auswahl bekommen.

Die folgende Darstellung der möglichen und bereits verfügbaren integrationsstufen zur Realisierung des oben dargestellten Daten- und Informationsflusses lehnt sich teilweise an die Ausführungen von Professor August Wilhelm Scheer, Universität Saarbrücken, (Information Management I/86, Seite 53ff.) an.

- Organisatorische Integration: zusätzlicher PPS-Bildschirm am CAD-Arbeitsplatz

Eine lediglich organisatorische Integration läßt sich herstellen, indem am Arbeitsplatz des Konstrukteurs oder Arbeitsvorbereiters neben den CAD-Bildschirm ein zweiter separater Bildschirm aufgestellt wird, der an den PPS-Rechner angeschlossen ist. Dadurch kann auf beide Systeme zugegriffen werden. Ein Datenaustausch zwischen CAD- und PPS-System findet dabei nicht statt.

- Systemkopplung über PCs

Die nächst höhere Stufe der Integration wird gelegentlich im Einsatz von Mikrocomputern gesehen, die sowohl mit dem CAD-Rechner als auch mit dem PPS-Rechner zu verknüpfen sind. Hierbei kommt insbesondere die Fenstertechnik zum Tragen. Dabei werden verschiedene Fenster definiert, aus denen jeweils die Ursprungsprogramme im PPS- oder CAD-System aufgerufen werden und als Emulation ablaufen. Dieser Lösungsweg hat sich in der Praxis jedoch noch nicht in nennenswertem Umfang durchsetzen können.

- File-Transfer vom CAD- ins PPS-System

Die einfachste Form der Übertragung von Stücklisten-Informationen vom CAD- ins PPS-System läßt sich derzeit in Form eines File-Transfers realisieren. Dazu wird das CAD-System mit dem PPS-Rechner im simpelsten Fall durch eine Leitung verbunden und die Rohstückliste vom CAD-System als Sequenz von Daten-Sätzen auf die Platte des PPS-Rechners kopiert. Von dort muß sie dann mit Hilfe eines geeigneten Übernahmeprogramms abgearbeitet und in die Stücklistendatei des PPS-Systems eingespielt werden. Hierbei reicht es nicht, einfach eine Schnittstellendatei aufzubauen, sondern es ist auch eine exakte Übertragungspolitik erforderlich, um den unterschiedlichen Status der Übertragung (neu/ geändert/löschen) berücksichtigen zu können.

Während die Übergabe neuer Stücklisten noch relativ unkompliziert und sicher zu bewerkstelligen ist, muß spätestens beim Ändern einer vorhandenen Stückliste in der Konstruktionsabteilung durch zusätzliche organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, daß sich diese Änderung einschließlich ihrer Folgeänderungen auch im PPS-System niederschlägt. Die hierzu notwendige Änderungsmitteilung kann jedoch durch den Einsatz von Electronic Mail auch Papierlos gestaltet werden.

- Emulation des PPS-Bildschirms im CAD-System

Die nächst höhere Stufe der Integration ist erreicht, wenn aus der Einbahnstraße via File-Transfer vom CAD- ins PPS-System eine Zweibahnstraße wird, das heißt das Durchreichen von Informationen vom PPS- ins CAD-System möglich ist. Praktisch bedeutet dies, daß der Konstrukteur am CAD-Arbeitsplatz durch Aufrufen eines PPS-Programms in einem Bildschirmfenster oder in der Hintergrundverarbeitung zum Beispiel Artikelstammdaten mit Preisen, Gängigkeitsmerkmalen, Beschaffungszeiten, aber auch Lieferantendaten oder Arbeitspläne aufrufen kann, ohne seine CAD-Anwendung verlassen zu müssen.

- Gemeinsame Datenbasis auf gleicher Hardware

Die Notwendigkeit eines File-Transfers kann erst vermieden werden, wenn CAD- und PPS-System mit einer gemeinsamen Datenbasis arbeiten, bei der zum Beispiel die Stücklisten nur einmal vorhanden sind, und zwar in einer vom CAD- und PPS-System gleichermaßen lesbaren Form. Diese Integrationsstufe setzt jedoch ein gemeinsames Datenbankkonzept und damit auch gleiche Hardware voraus. Konsequenz dieses Ansatzes ist dann normalerweise eine Neuentwicklung oder, zumindest vollständige Überarbeitung der alten Programmsysteme.

Bei der PPS-/CAD-Kopplung muß grundsätzlich sehr genau unterschieden werden, ob die Lösungen

- beim Anwender laufen und berücksichtigt werden können,

- auf Messen unter Laborbedingungen gezeigt werden,

- "in Arbeit", aber noch nicht verfügbar sind,

- oder ob sie als technisch machbar bezeichnet werden, in Wirklichkeit jedoch nur als Wunschvorstellung existieren.

Während in die letzte Gruppe sehr viele Kopplungen einsortiert werden können, gibt es zu den tatsächlich laufenden Systemen nur sehr wenige Beispiele, wie etwa:

Procad (Cadmus) - PS-System (Wang)

Prime/Medusa - PS-System (Prime)

CAM-X (Ferranti) - Hofert-PPS auf VAX

Titus (HP 9000) - verschiedene PPS-Pakete auf HP 3000

Medusa (VAX) - MPS (Fabris) auf VAX.

Kostenaspekt setzt der Integration Grenzen

Es ist anzumerken, daß sich aufgrund der fortschreitenden Entwicklung in diesem Bereich laufend Änderungen, gelegentlich sogar Fortschritte ergeben.

Bei aller Begeisterung soll nicht verschwiegen werden, daß es bei den Integrationsbestrebungen auch Grenzen gibt. Außer den technischen Problemen, die spätestens bei der gegenseitigem Emulation unterschiedlicher Hardwaresysteme auftreten und zum Beispiel den Durchgriff vom CAD- ins PPS-System unmöglich machen, sind hier in erster Linie Kostenaspekte zu nennen. Dieses Problem soll hier anhand eines "Falls aus der Praxis" erläutert werden:

Eine kleinere Maschinenbaufirma, die bisher noch keinerlei DV einsetzte, wollte zur Unterstützung der Varianten-Konstruktion CAD und parallel dazu im gesamten Unternehmen PPS einfuhren, also auch die kaufmännischen Bereiche mit abdecken. Dazu wurde mit Hilfe eines Beratungsunternehmens sowohl ein PPS-Pflichtenheft ausgearbeitet und zum anderen die Aufgabenstellung für das CAD-System ermittelt und ein Benchmarktest aufgebaut.

Anschließend wurden für beide Bereiche getrennte Ausschreibungen durchgeführt, wobei bei der PPS-Ausschreibung nur noch solche Anbieter Berücksichtigung fanden, deren Hardware zu den möglichen CAD-Systemen "passen" würde. Ziel: Das Gesamtsystem möglichst auf einheitlicher Hardware zu realisieren.

Die CAD-Tests ergaben eine starke Präferenz der Techniker für das CAD-System "Titus" auf HP 9000. Daher wurde zunächst eine passende PPS-Lösung auf HP-Basis gesucht. Bei den Tests der dazu vorliegenden Softwareangebote konnte nur ein Anbieter die gestellten, durchaus nicht aus dem Rahmen fallenden Anforderungen erfüllen. Das endgültige Angebot ergab folgende Kosten:

HP-Hardware: 130000 Mark

Software: 240000 Mark.

Demgegenüber ergab der Anwendungstest eines Alternativangebots auf Basis einer DG Eclipse MV 2000 und dem PPS-Paket Portos ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis. Nach einigen Verhandlungen lag schließlich folgendes Angebot vor:

DG-Hardware: 100000 Mark

Software: 120000 Mark.

Angesichts eines Preisunterschiedes von 150000 Mark und der verbindlichen Zusage des PPS-Anbieters, zusammen mit dem CAD-Lieferanten die Stücklistenübertragung von der HP auf die Eclipse zu realisieren, verzichtete der Kunde auf die totale Integration und entschloß sich, den Informationsfluß vom PPS-System zur Konstruktion durch den Einsatz einer zweiten (PPS-) Terminals in der Konstruktionsabteilung zu lösen.

Ähnlich wie die Konzeption kann auch die Einführung eines PPS-Systems von niemandem nebenbei erledigt werden. Der PPS-Projektleiter muß nicht nur Fachmann auf dem Gebiet sein, sondern auch das notwendige Fingerspitzengefühl für die betroffenen Mitarbeiter mitbringen, wenn die Akzeptanz des neuen Systems nicht von vornherein in die Brüche gehen soll. Zum anderen muß er aber auch den erforderlichen Dampf, wenn nicht sogar Druck machen, damit sich die Einführungsphase nicht bis zum Nimmerleinstag hinzieht.

Das betriebliche Beharrungsvermögen macht die notwendige Veränderung von Organisationsabläufen und -strukturell zu einem scheinbar großen und aus eigener Kraft schwer lösbaren Problem. Hier kann man mit externem, das heißt neutralem Projektmanagement leichter und effizienter zum Ziel gelangen.