Leistungsumfang ist für viele Fälle ausreichend:

CAD für Mikros wird erwachsen

28.11.1986

CAD-Systeme auf Personal-Computer-Basis haben einen Stand erreicht, der viele der derzeitigen Anforderungen und Einsatzgebiete abdeckt. Der gegenüber "traditionellen" Systemen deutlich niedrigere Preis läßt sie dabei besonders für kleinere und mittlere Unternehmen zur Interessanten Alternative werden. Einen Überblick über die Leistungsfähigkeit derartiger Lösungen bietet der folgende Artikel.

Ständige Weiterentwicklungen auf dem Hard- und Softwaresektor haben dazu geführt, daß heutzutage Personal Computer attraktive Rechnerleistungen bei geringen Kosten direkt am Arbeitsplatz verfügbar machen.

Mit den gestiegenen Rechnerleistungen haben sich die Einsatzbereiche der PCs ausgehend von kommerziellen Anwendungen (Textverarbeitung, Buchführung, Finanzplanung und ähnlichen) auf datenverarbeitungstechnisch aufwendige Bereiche wie Grafik und technisch-wissenschaftliche Anwendungen ausgedehnt. Ein wesentliches Anwendungsgebiet bildet dabei das rechnerunterstützte Konstruieren (Computer Aided Design = CAD), das ursprünglich Groß-Rechenanlagen vorbehalten war.

Eine detailliertere Betrachtung dieses Gebietes und der dort bestehenden Aufgabenschwerpunkte zeigt, daß die meisten der benötigten Leistungen zumindest zum Teil auch von CAD-Systemen auf PC-Basis geboten werden (Bild 1). Auch im Bereich der 3D-Konstruktion sind bereits Ansätze zu erkennen.

Untersuchungen über die Nutzungshäufigkeit der CAD-Systemfunktionen lassen außerdem erkennen, daß vorzugsweise einfache Grundfunktionen zur Zeichnungserstellung und zur Datenverwaltung aufgerufen werden.

Bei der CAD-Einsatzplanung und der Systemauswahl ist weiterhin zu berücksichtigen, welchen Anteil CAD-relevante Tätigkeiten wie

- Berechnen,

- Darstellen,

- Ändern,

- Wiederholen von Zeichnungselementen,

- formales Kontrollieren unter anderem

am Gesamtaufwand haben und welche Einsparungen sich voraussichtlich erzielen lassen.

Derartige Analysen verdeutlichen häufig, daß das Einsparungspotential geringer ist, als ursprünglich vermutet, und daß sich der Einsatz kostenintensiver Groß-CAD-Systeme mit komplexen Funktionen wirtschaftlich nicht rechtfertigen läßt.

Sinnvolle Alternativen stellen dann auf Mikrorechnern installierte CAD-Systeme der mittleren Preisklasse und "Low-cost"-PC-Systeme dar. Dabei ist zu erkennen, daß Systeme der mittleren Preisklasse einerseits wegen der sinkenden Hardwarepreise bei Groß-CAD-Systemen und andererseits wegen der steigenden Leistungsfähigkeit der Low-cost-Systeme an Attraktivität verlieren.

Vielfach kamen die Systeme der unteren Preisklasse aus dem Bereich der Präsentationsgrafik mit verbesserten Leistungsmerkmalen. Die Anforderungen für die Erstellung von technischen Zeichnungen, wie zum Beispiel das Arbeiten in Realkoordinaten, wurden mitunter nicht erfüllt. Probleme resultieren auch daraus, daß auch kleinere Firmen solche Systeme anbieten. Diese Firmen sind dann häufig nicht in der Lage, ihren Systemanwendern ausreichenden Support zu bieten und außerdem noch Systementwicklungen zu betreiben.

Ausführliche Diskussionen dieser Problematik, eine gewisse Marktbereinigung unter den Anbietern und auch die Weiterentwicklungen auf dem Hard- und Softwaresektor erleichtern inzwischen die Einschätzung der angebotenen PC-CAD-Systeme. Folgt man der Empfehlung, erprobte Systemkomponenten einzusetzen, zeigen sich sehr schnell die Vorteile solcher Systeme.

Im allgemeinen ist bei PC-CAD-Systemen ein sehr einfacher Einstieg in die CAD-Anwendung mit relativ geringen Schulungs- und Akzeptanzproblemen gegeben. Die Datenverwaltung läßt sich einfacher organisieren als bei komplexeren Mehrbenutzer-Systemen. Häufig zeigt der Einsatz eines solchen Systems in unterschiedlichen Fachabteilungen auch sehr viel schneller Möglichkeiten und Grenzen des CAD-Einsatzes als eine theoretische Betrachtung.

Im folgenden sollen am Beispiel eines in der Praxis eingeführten Low-cost-CAD-Systems die verfügbaren Hard- und Softwarekomponenten und die daraus resultierenden Möglichkeiten für die Anwendung vorgestellt werden.

Das System läßt sich als Einbildschirm- oder als Zweibildschirm-Konfiguration betreiben. Die Hardwarevoraussetzungen für die Einbildschirm-Konfiguration sind

- ein PC, für den das System angepaßt ist,

- eine Grafikkarte mit

- Grafikbildschirm, für den das System angepaßt ist,

oder farbigen Bildschirm. Bei dieser Konfiguration werden die grafischen und die alphanumerischen Informationen getrennt auf den beiden Bildschirmen dargestellt. Zusätzlich wird dabei auch eine bessere und genauere Wiedergabe der Zeichnung auf dem grafischen Bildschirm erreicht. Einer Auflösung von zirka 400 x 600 Bildpunkten bei dem normalen PC-Bildschirm mit Grafikkarte steht eine Auflösung von bis zu 1500 x 1000 Punkten bei einem hochauflösenden grafischen Bildschirm gegenüber.

Der Preisrahmen für solche Systemkonfigurationen liegt dabei je nach Hardware- und Software-Ausstattung - zwischen 20 000 Mark und 70 000 Mark inklusive Plotter.

Hinsichtlich der Bedienoberfläche, das heißt den Möglichkeiten des Funktionsaufrufes, und der verfügbaren Funktionen entsprechen PC-CAD-Systeme heutzutage größtenteils dem Stand der eingeführten CAD-Systeme. Zum Teil ergeben sich sogar zusätzliche Möglichkeiten. So lassen sich bei dem hier näher betrachteten CAD-System die Funktionen auf drei unterschiedliche Arten aktivieren:

- durch die Eingabe von Funktionskürzeln über die Tastatur,

- durch das Anwählen mit dem Stift auf dem grafischen Tablett oder aber

- über die benutzerdefinierbaren, erweiterbaren Bildschirmmenüs.

Neben den komfortablen Zeichnungserstellungs-Funktionen entscheiden auch die weiteren Ausbaumöglichkeiten über die Praxiseignung von CAD-Systemen. Mit zunehmender Nutzung und Kenntnis des Systems besteht bei den Anwendern häufig der Wunsch, sich Arbeitsvereinfachungen durch spezielle Funktionsfolgen zu schaffen, firmeninterne Standards auf das CAD-System zu übernehmen, Daten mit anderen EDV-Systemen auszutauschen etc. Hier sind Zusatzmodule wie Variantenprogrammierung, Stücklistenerstellung, Symbol- und Normteilkataloge sowie allgemeine Datenschnittstellen erforderlich, die mittlerweile auch für PC-CAD-Systeme zur Verfügung stehen (Bild 2).

Die wesentlichste Bedeutung für die Fertigungspraxis hat dabei die Ankopplung der NC-Programmierung an die rechnerunterstützte Zeichnungserstellung. Diese erste Stufe einer Integration, die integrierte Weiterverarbeitung der Werkstück-Geometriedaten bewirkt bereits erhebliche Rationalisierungseffekte und Zeiteinsparungen bei der NC-Programmierung. Das NC-Modul des hier vorgestellten CAD-Systems unterstützt den Benutzer bei der Selektion der NC-relevanten Geometriedaten aus der Zeichnung und setzt diese Geometriedaten in Maschinensteuerbefehle um. Diese NC-Programme können direkt an die Maschine übertragen, in einer Programmbibliothek gesammelt und auch zur Kontrolle über Drucker ausgegeben werden. Das NC-Modul läßt sich nutzen für zweidimensional orientierte Bearbeitungsverfahren, wie Drehen und Drahterodieren sowie bei entsprechender Arbeitstechnik für 2?D- orientierte Bearbeitungsverfahren, wie Bohren und 2?-Achsenfräsen. Dieser Einsatzbereich hinsichtlich der Bearbeitungsverfahren ergibt sich aus der rechnerinternen Modellierung des CAD-Systems, die eine Werkstückdarstellung in mehreren Ansichten, nicht aber eine räumliche Werkstückbeschreibung als Flächen- oder Volumenmodell zuläßt.

Erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen in der Konstruktion, aber auch in nachfolgenden Bereichen, wie Fertigung und Lagerhaltung, sind durch die Übernahme von Norm- und Standardteilen auf das CAD-System zu erreichen. Voraussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit eines Variantenprogrammiersystems. Dies ermöglicht es einerseits dem Systemanbieter, Bibliotheken mit den gängigen Normteilen vorzufertigen. Andererseits können die Anbieter selbst ihre unternehmensspezifischen Normen in Variantenprogramme umsetzen. Das Variantenprogrammiersystem des hier näher betrachteten Systems bietet über die "klassische" Variantenprogrammierung hinausgehende Möglichkeiten, die vom Aufbau anwendungsspezifischer Funktionen und Funktionsfolgen bis hin zur Gestaltung individueller Anwendungssoftwarepakete reichen (Bild 3). Die Variantenprogramme lassen sich dabei auf zwei unterschiedlichen Wegen erstellen.

1. Der Konstruktionsablauf am System wird in einer Datei automatisch protokolliert. Diese Datei enthält dann alle Funktionsaufrufe mit den aktuellen Werten und Kommentaren, die die Funktionen nochmals kennzeichnen. Mittels des in das CAD-System integrierten Editors läßt sich diese Datei dann bearbeiten, um die notwendigen Variablen, Dialogabfragen und logischen Verzweigungen einzubringen.

2. Das Variantenprogramm wird konzipiert und direkt in einer pascal-ähnlichen Sprache geschrieben. Auch dabei stehen alle die Funktionsaufrufe zur Verfügung, die bei dem CAD-System auch interaktiv nutzbar sind.

Wesentlich dabei ist, daß das Variantenprogrammier-Modul alle die Möglichkeiten beinhaltet, die auch bekannte Programmiersprachen enthalten. Möglich sind zum Beispiel die Strukturierung des Programms und der Aufbau von Unterprogrammen, das Schreiben und Lesen von Dateien, wie auch der direkte Zugriff auf Dateisätze. Zusätzlich bestehen alle Möglichkeiten der Interaktion, das heißt das Abfragen von numerischen Werten über Tastatur, wie auch die Eingabe von grafischen Daten über das jeweils gewählte Eingabemedium.

Die bisherigen Beschreibungen bezogen sich überwiegend auf die Handhabung grafischer Daten. Sehr wesentlich für den Aufbau von integrierten Datenverarbeitungssystemen im technischen Bereich sind jedoch auch die Möglichkeiten, zusätzliche nichtgrafische Informationen zu verwalten. Dies bedeutet, daß in einer Datei, die zum Beispiel Geometriedaten zu einer kompletten Baugruppenzeichnung enthält, auch Informationen über enthaltene Einzelteile mitgeführt werden. Nur dann ist es möglich, diese Zeichnung automatisch auszuwerten und zum Beispiel Stücklisten über die enthaltenen Teile und Baugruppen zu erstellen.

Eine einfache Möglichkeit zur Stücklistenerstellung bietet der zu diesem System lieferbare Stücklistengenerator (Bild 4). Bei der Stücklistenerstellung wertet der Stücklistengenerator die während der Zeichnungserstellung vergebenen nichtgrafischen Informationen aus. Diesen Informationen werden die in einem spezifischen, editierbaren Teilekatalog enthaltenen "Stammdaten" zugeordnet. Neben der Ausgabe auf Plotter, Drucker oder Bildschirm ist es auch möglich, die so entstandenen Stücklistendaten auf Dateien zu schreiben und so für die Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen.

Nachteil einer solchen Lösung ist, daß der Datenbestand im Teilekatalog Redundanzen zu den Stammdatenbeständen häufig schon vorhandener Stücklisten-Verarbeitungssysteme aufweist beziehungsweise daß diese Datenbestände auseinanderwachsen. Grundsätzlich sind deshalb

andere Wege anzustreben, die eine engere Bindung von CAD- und Stücklisten-Verarbeitungssystemen gewährleisten. Derartige Lösungen sind ebenfalls im Zusammenhang mit dem hier betrachteten CAD-System realisiert.

Interessante Perspektiven eröffnen PC-CAD-Systeme auch beim Einsatz für die Technische Dokumentation, das heißt bei der Erstellung von Wartungshandbüchern, Bedienungsanleitungen, Prüfberichten und ähnlichen. Die beschriebenen Texte werden dabei mit einem auf dem PC installierten Textverarbeitungssystem erfaßt, die notwendigen Illustrationen entstehen mittels des auf demselben PC installierten CAD-Systems. Beide Komponenten werden dann bei der Ausgabe über einen Laserdrucker zum fertigen Dokument kombiniert.

Zusammenfassung: PC-CAD-Systeme bieten attraktive Möglichkeiten, die von der reinen Zeichnungserstellung über die technische Dokumentation bis hin zum Aufbau integrierter Datenverarbeitungssysteme reichen.

Neben ausgereiften Grundsoftwarepaketen wird eine Vielzahl allgemein verwendbarer und spezifischer Module zum Ausbau der Systeme angeboten. Nicht zuletzt wegen des attraktiven Preises sollten derartige Lösungen bei Überlegungen und Planung hinsichtlich der CAD-Einführung im Unternehmen einbezogen werden.

*Rainer Koch ist Gruppenleiter für CAD bei der rhv Software GmbH, Düsseldorf.