Vorarbeiten am System werden dem Betrachter häufig nicht geschildert:

CAD-Demos sind mit Vorsicht zu genießen

27.01.1984

Viele Unternehmen werden wohl in Zukunft ein CAD-System einsetzen müssen, wenn sie weiterhin wettbewerbsfähig bleiben wollen. Der Grund: Die Kosten eines Produktes werden nicht zuletzt zum Großteil von den Entwicklungs- und Konstruktionsabteilungen mitbestimmt. Das CAD-System als maßgeschneiderter Alleskönner ist jedoch derzeit auf dem Markt trotz erdrückender Angebotspalette nicht zu finden. Max Schörner, Leiter des Bereiches CAD/CAM des Aachener Systemhauses GEI, weist in seinem Beitrag auf häufig verkannte Kriterien hin, die aber bei der Auswahl eines geeigneten Systems von Bedeutung sind.

Während Ingenieure und Konstrukteure einer Firma meistens sehr genau wissen, wie die Arbeit im Produktionsbereich mit Hilfe der Methoden der Betriebsorganisation und den Mitteln der Automatisierung rationell zu gestalten ist, arbeiten sie selbst gewöhnlich konservativ "am Brett" mit herkömmlichen Mitteln wie Zeichenmaschinen, Taschenrechnern und den Standardwerken ihrer Branche: den Normen und Regelwerken. Und dies, obwohl auf dem Markt rund 200 Programmsysteme zur Unterstützung des Konstrukteurs für das Computer Aided Design (CAD) angeboten werden.

Die Gründe für diese konservative Haltung liegen hier wohl zum einen in der Befürchtung eines tiefgehenden Eingriffs in den eigenen Arbeitsbereich durch das neue Hilfsmittel CAD, wobei offensichtlich Aussagen wie "Freisetzen von Konstrukteuren" oder "Abgabe von Wissen an den Rechner" diese Ängste erzeugen. Zum anderen scheut das technische Management die Investitionsentscheidung für ein CAD-System wegen der hohen Arbeitsplatzkosten, der Einführungsreibungsverluste und des nicht auf Mark und Pfennig zu ermittelnden Rationalisierungseffektes.

Der zunehmende Kostendruck und die schon vielfach gewonnene Erkenntnis, daß nicht nur die Funktionen, das Design und der Fertigungsprozeß, sondern auch die Qualität und deshalb insgesamt die Kosten eines Produkts zum größten Teil in den Entwicklungs- und Konstruktionsabteilungen festgelegt werden, zwingt jedoch die verantwortlichen Führungskräfte, sich nach einem CAD-System umzusehen.

Einen Einblick in diese Systeme erhält der Interessent aber nur in geringem Maße. Der weitaus größere und "gefährlichere" Teil bleibt ihm normalerweise verborgen. Meistens konzentrieren sich die

Informationen lediglich auf offensichtliche Merkmale wie etwa die Leistungsfähigkeit, den Preis oder die bisherigen Verkaufszahlen. Jedoch sollte vor allem auf die tiefergehenden tragenden Parts dieser Werkzeuge geachtet werden.

Hier sind zuerst die Handhabung durch den User und die spezifische Eignung für den vorgesehenen Anwendungsbereich zu beachten. Die organisatorische Einbindung des Systems für die Konstruktion in die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation ist zusätzlich zu berücksichtigen. Langfristig sind die Möglichkeiten der Anpassung und Weiterentwicklung, Zukunftsaspekte wie die Langfristplanung des Benutzers sowie das Profil des Anbieters zu berücksichtigen.

Werden alle Aspekte bedacht, so kommt der Suchende nach einiger Zeit zu der Erkenntnis, daß ein maßgeschneidertes System nicht zu finden sein wird. Er muß also die Bereitschaft zu einer begrenzten Anpassungsfähigkeit entwickeln, wenn die Investitionsentscheidung nicht auf unbestimmte Zeit verzögert werden soll. Die gegenwärtige geringe Umwandlungsrate von Anfragen in Aufträge im CAD-Geschäft beweist, daß eine positive Entscheidung häufig noch aufgeschoben wird.

Um mit einem begrenzten Aufwand zu einer klar begründeten und nachvollziehbaren Entscheidung zu kommen, darf keine beiläufige Suche erfolgen. Eine systematische Auswahl und genaue Bewertung der Systeme ist unerläßlich. Hierbei ist als erstes durch das Management zu klären, in welchem Umfang und aus welchen Gründen CAD eingeführt werden soll. Durch die Aufnahme des Ist-Zustandes und der Entwicklung einer Soll-Konzeption muß die Richtung der Suche eingegrenzt werden.

Die Leistungsfähigkeit von CAD-Systemen wird häufig an Hand von anspruchsvollen Präsentationsbeispielen speziell geschulter Verkäufer vorgeführt. Dem Betrachter bleibt dabei der Aufwand an Vorarbeiten und Vorüberlegungen weitgehend verborgen. Ebenso der Umfang und die Art der notwendigen Operationen, die zur Erlangung des vorgestellten Ergebnisses unumgänglich waren.

Das Handling durch den Anwender ist denn auch eines der gefährlichsten Riffe, an denen ein unkritischer Beschaffer scheitern kann. Hier ist die Entwicklung von einfachen, aber firmentypischen Testbeispielen hilfreich, bei deren Bearbeitung die Art der Handhabung für die späteren Anwender deutlich erkennbar werden sollte. Durch die Bearbeitung der eigenen Beispiele werden im Vergleich sehr schnell die Unterschiede deutlich.

Schwieriger ist es dagegen, den Aufwand und die Möglichkeiten zur firmeninternen Anpassung und Weiterentwicklung eines Systems abzuschätzen. Der Beschaffer muß sich darüber klar sein, daß ein CAD-System "lebt" und daher mit der technischen Entwicklung in der Konstruktion mithalten muß. Es ist also mindestens ein Anwendungsprogrammierer erforderlich, der immer wiederkehrende Aufgabenstellungen erkennt, aufbereitet und die Lösung in das System integriert. Will man zum Beispiel nicht ständig von externen Betreuern abhängig bleiben, so ist unbedingt ein "Offenes System" zu fordern.

Die organisatorische Einbindung von CAD in die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation läßt sich in der Regel einfacher bewältigen als die Integration in die bestehende DV-Umgebung. Erfahrungen großer Firmen zeigen, daß die Belange aller Abteilungen mit einem System nicht abgedeckt werden können. So sind etwa bei der Firma Boeing rund 150 Programmsysteme auf 400 Arbeitsplätzen im Einsatz. Der durchgehende Informationsfluß per Datenverarbeitung ist derzeit noch unter dem Kapitel Zukunftsaspekte zu betrachten. Als Lösung dieses Problems zeichnet sich eine zentrale Datenbank oder eine Datenbankmaschine in einem "Inhouse-Netz" als mögliche Variante ab.