Integration eines CAD-Systems in das betriebliche Umfeld eines Automobilzulieferers:

CAD-Daten werden die CNC-Maschinen steuern

24.04.1987

Die weite Verbreitung des CAD-Systems "Catia" bei den Automobilherstellern und deren Zulieferern veranlaßte die Gebr. Happich GmbH (GHE), Wuppertal, dieses System im eigenen Haus zur Produktentwicklung und Werkzeugkonstruktion einzusetzen. Ernst Albien* beschreibt, wie GHE die Integration ihres CAD-Systems in das betriebliche Umfeld gelungen ist.

Der Einsatz von CAD-Systemen in der Automobilindustrie findet seit mehreren Jahren in einer stetig wachsenden Zahl von Arbeitsplätzen seinen Niederschlag. Wegen der Komplexität der Produkte waren die Systemanforderungen von Anfang an immer im 3D-Bereich angesiedelt. Soweit es sich um Karosserieteile-Konstruktionen handelt, sind Oberflächenmodelle als Basis der CAD-Systeme eine Minimalforderung.

Als Entwicklungslieferant von Automobilausrüstungs- und -zubehörteilen, welche vornehmlich in der Automobilkarosserie integriert werden, hat sich die Firma Gebr. Happich GmbH, Wuppertal, im Jahre 1985 für den Einsatz eines CAD-Systems auf Basis eines 3D-Flächenmodells beziehungsweise erweiterten Volumenmodells entschieden.

Systemauswahl:

Die Firma Gebr. Happich GmbH (GHE) gehört zu den führenden Zulieferfirmen der Automobilindustrie. Auf dem Gebiet der Ausstattungs- und Ausrüstungsteile für Personen- und Nutzfahrzeuge ist Happich als Entwicklungslieferant in der europäischen und internationalen Automobilindustrie eine der ersten Adressen.

Mit zunehmender Reife der CAD-Systeme sowie dem immer noch knappen Angebot an hochqualifizierten Konstrukteuren für die Produkt- und Werkzeugkonstruktion hat sich die Firma Happich im Jahre 1985 entschlossen, das Potential von CAD-Systemen für die eigene Produkt- und Werkzeugkonstruktion zu erschließen.

Mit einem Team aus Mitarbeitern der späteren Anwendungsbereiche wurde der damalige CAD/CAM-Anbietermarkt analysiert. Auf Basis klassischer Benchmark-Tests mit praktischen Anwendungsbeispielen wurden sieben CAD/CAM-Systeme näher untersucht. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten des CAD/CAM-Systems Catia von IBM/Dassault.

Ausschlaggebend für die Entscheidung war die damalige Verbreitung des CAD/CAM-Systems "Catia" bei den VDA-Mitgliedsfirmen, das heißt bei den Automobilausrüstern und deren Zulieferern.

Das Ziel von Happich ist es nämlich, mit möglichst allen Kunden in einen Datenaustausch treten zu können. Dieser Datenaustausch ist immer dann problemlos zu realisieren, wenn Originaldaten ausgetauscht oder Daten im VDA-FS-Format mit zertifizierten Pre- und Postprozessoren übertragen werden können. Dies ist in beiden Fällen mit Catia darstellbar.

Aufgrund des geplanten CAD-Arbeitsplatzvolumens von mehr als 30 Einheiten stellte schließlich eine IBM-Zentralrechnerlösung auf einer 3083Q die wirtschaftlichste Lösung für Happich dar.

Systemschulung:

Bis zur Installation der zentralen Hardware und der dezentralen Arbeitsplätze IBM 5080 wurde eine Stammbelegschaft von Konstrukteuren sehr intensiv in der Bedienung der Software geschult. Die Schulung erfolgte extern durch IBM mit ausgedehnten praktischen Übungszeiten. Die Schulung bezog sich zunächst inhaltlich auf 2D-Aufgabenstellungen und wechselte allmählich in 3D-Aufgabenstellungen über. Eine Vorgehensweise, welche als klassisch angesehen werden kann, aber heute mit Happich-eigenem Personal nicht mehr praktiziert wird.

Während diese Schulung rund 30 Mann-Tage (MT) pro Mitarbeiter ausmachte, werden derzeit nach dem Prinzip "3D/2D" für vergleichbare Schulungsergebnisse nur noch 20 bis 25 MT aufgewendet. Nach Aufwendung dieser Basisschulung werden die Mitarbeiter bereits mit einfacheren, zeitunkritischen Projekten beauftragt, welche sie mit dem CAD-System Catia ausführen.

Um deren Vorgesetzten die Entscheidung zu erleichtern, welche Aufgaben mit CAD bearbeitet werden können, sieht der Schulungsplan auch vor, alle Konstruktionsgruppenleiter, Abteilungsleiter und Hauptabteilungsleiter zu schulen. Die Schulungsinhalte sind selbstverständlich dem Arbeitsfeld der genannten Mitarbeitergruppen angepaßt. Es ist jedoch festzuhalten, daß der richtige Anwendungsschub gerade da erfolgte, als eine große Anzahl leitender Mitarbeiter aus den letztgenannten Mitarbeitergruppen geschult waren.

Systemanwendungen:

Nach der Installation der Hard- und Software - das System Catia war die erste Anwendungs-Software, die Happich auf ihrem neuen IBM-Host einsetzte - begann unverzüglich der praktische Systemeinsatz. Die ersten CAD-Arbeitsplätze wurden für die Produktkonstruktion und Werkzeugkonstruktion jeweils zentral installiert, so daß der Betreuungsaufwand durch gegenseitige Mitarbeiterinformationen minimiert werden konnte.

Bereits drei Monate nach der Installation erfolgte der erste Datenaustausch zwischen einem Automobilausrüster und Happich. Der Datenaustausch erfolgte auf Basis von Original-Catia-Daten und war deshalb problemlos. In der Folgezeit wurden auch Datenübertragungen mittels DFÜ und im Format VDA-FS ausgeführt.

Etwa sechs Monate nach der Installation konnten erste eigene CAD-Konstruktionen in Richtung zum Auftraggeber über VDA-FS übermittelt werden.

Bei der derzeitigen Catia-Systemanwendung werden

- Pkw-Armaturentafeln,

- Haltegriffe,

- Dachrelinge,

- Zierleisten,

- Extrusionswerkzeuge,

- Vorrichtungen und Maschineneinrichtung

mit Hilfe des CAD-Systems entwickelt und konstruiert. Die Detailzeichnungserstellung erfolgt integriert in Catia. Für Dokumentationszwecke stehen zwei Elektrostatikplotter von Versatec, je einer für Farbausgabe und Schwarzweißausgabe, zur Verfügung.

Für das Wiederauffinden in digitaler Form abgelegter Zeichnungen beziehungsweise Modelle eignet sich der 70 Zeichen große Beschreibungssatz für die File-Kennzeichnung in Catia im besonderen. Dieser Beschreibungssatz wurde nach Happich-Anforderungen strukturiert. Er enthält identifizierende, klassifizierende und beschreibende Merkmale. Mit Hilfe dieser Merkmale können auch artähnliche Konstruktionen wiedergefunden werden oder Auskünfte über aktuelle Änderungszustände erhalten werden. Weiterhin besteht eine logische Verbindung zu einer bereits existierenden EDV-geführten Plandatei.

Weiterer Ausbau:

Mit Verfügbarkeit eines generalisierten Postprozessors für APT/AC soll ab dem dritten Quartal 1987 die integrierte Weiterverarbeitung der CAD-Daten zur Steuerung von CNC-Maschinen im Formen- und Werkzeugbau eingesetzt werden.

Von dieser Anwendung verspricht sich Happich den größten Anwendungsnutzen des eingeführten CAD/CAM-Systems Catia.

Darüber hinaus sind Anschlüsse von Digitalisierungsgeräten und Soll-Ist-Vergleiche auf Koordinatenmeßmaschinen neben weitergehenden Planungen vorgesehen.

*Dr.-Ing. Ernst Albien ist Leiter der Technischen Datenverarbeitung bei der Gebr. Happich GmbH, Wuppertal.