Auslagerung von Spectrum wird forciert

Cabletron-Chef Benson räumt den Stuhl für visionären Techniker

11.06.1999
MÜNCHEN (pg) - Die Schlagzeilen um Cabletron Systems nehmen kein Ende. Mehr oder weniger überraschend ist Firmengründer Craig Benson von seinem Amt als President und CEO zurückgetreten. Er macht den Chefsessel für Piyush Patel frei. Dieser soll das Unternehmen, das in letzter Zeit durch Übernahmegerüchte und Verluste von sich reden machte, ins neue Jahrtausend führen (siehe Exklusiv-Interview, Seite 31).

Die Übergabe des Führungsstabes von Benson an Patel, der bislang als Senior Vice-President für die Entwicklung verantwortlich zeichnete, war von langer Hand vorbereitet. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE sagten Benson und Patel, sie hätten die Weichen für die Zukunft von Cabletron gemeinsam gestellt.

Die Pläne sehen im wesentlichen die Ausgliederung des Produktbereichs "Spectrum" in eine eigenständige Firma vor. Mit diesem Schritt will Patel die Unabhängigkeit der Management-Plattform stärker betonen. Außerdem soll das Produkt durch die Beteiligung eines oder mehrerer Partner einen weiteren Technologieschub erhalten.

Wird Spectrum mit Unicenter verschmolzen?

Benson bestätigte in diesem Zusammenhang Verhandlungen mit Computer Associates (CA) und Tivoli. Insider betrachten CA als idealen Kandidaten, da dessen "Unicenter TNG" im System-Management Stärken hat, in der Netzverwaltung aber Schwächen. Beide Plattformen würden sich daher gut ergänzen.

Neben der Auslagerung Spectrums beabsichtigt das Cabletron-Management, seine Position im Stamm-Markt der Unternehmensnetze zu verbessern sowie das Geschäft mit Service-Providern zu forcieren. Zu diesem Zweck sucht Patel den Know-how-Transfer mit Herstellern von TK-Anlagen und plant darüber hinaus, in Startup-Firmen zu investieren.

Patel war vor einem Jahr durch die Akquisition von Yago Systems zu Cabletron gekommen. Mit dem Kauf konnte das Unternehmen seine Lücke im Layer-3-Switching schließen und rangiert den Marktforschern der Dell'' Oro Group zufolge derzeit auf Rang eins im Switch-Routing. Diesen Erfolg hat Cabletron hauptsächlich Patel zu verdanken, der vermutlich auch deshalb zum Nachfolger von Benson bestimmt wurde.

Durch den Ausstieg von Benson wechselt der Cabletron-Chef innerhalb von zwei Jahren zum dritten Mal. Nach dem Rückzug des charismatischen Mitbegründers Robert Levine konnte sich Donald Reed nur knapp ein Jahr an der Spitze halten. Ihm wird vorgeworfen, den Trend zum Switching verschlafen zu haben. Benson übernahm deshalb selbst das Ruder. Allerdings gelang es ihm nicht, den Abwärtstrend des Unternehmens zu stoppen. Unter seiner Regie stagnierte der Umsatz bei 1,4 Milliarden Dollar, schrieb die Company rote Zahlen und verspielte an der Wallstreet viel Kredit.

Cabletron kämpft außerdem mit einem anderen Problem. Die Börsianer, aber auch die Analysten der Marktforschungsunternehmen trauen der Company nicht zu, sich am Markt allein gegen Größen wie Cisco, Lucent oder Nortel zu behaupten. Seit über einem Jahr halten sich deshalb hartnäckig Übernahmegerüchte. Doch davon will Patel nichts wissen. "Wir sind groß genug, um in unterschiedliche Technologien zu investieren, aber nicht so groß, um zu einem bürokratischen Laden zu verkommen", gibt er sich kämpferisch. Dennoch ist fraglich, ob der Rücktritt Bensons die Übernahmegerüchte nicht weiter anheizt.