Hersteller definiert künftige Strategie

CA will endlich eine E-Business-Company sein

28.04.2000
Computer Associates (CA) bemüht sich, das Image eines Produkttausendsassas ohne klare Strategie abzustreifen. Anstatt vor allem Konkurrenten zu schlucken, will das Unternehmen als E-Business-Company eigene Akzente im Markt setzen. Neue Produkte und eine straffe Unternehmensstruktur sollen dabei helfen.CW-Bericht Sascha Alexander

"Wir krempeln unser Unternehmen um, damit wir das E-Business aggressiver als bisher ausbauen können", verkündete Sanjay Kumar, CAs President und Chief Operating Officer, auf der diesjährigen Anwenderkonferenz in New Orleans. Diese Strategie ist für CA zunächst weder neu noch angesichts gleichlautender Aussagen von Wettbewerbern wie Oracle und IBM sonderlich originell. Jedoch bemühte sich das Unternehmen, eine gegenüber den Vorjahren klarere Produktstrategie zu kommunizieren, die deutlicher als bisher über das Geschäft mit System- und Netz-Management-Software hinausgehen soll. Zudem kündigte der Hersteller den rund 25 000 Teilnehmern eine Neustrukturierung der Unternehmensabteilungen an, um künftig einen lösungsorientierteren Kundenservice anbieten zu können.

Highlight unter den zahlreichen Ankündigungen war die wohl am ehesten als Datenintegrations-Plattform zu umschreibende Server-Software "Jasmine ii" (siehe Kasten). In ihr lebt zum einen CAs bisheriges objektorientiertes Datenbanksystem "Jasmine" als Speicher persistenter Objekte und als Repository für XML-Daten weiter. Ferner verfügt das neue Produkt unter anderem über Analyse- und Modellierungswerkzeuge für das Einbinden bestehender Anwendungen, einige Services, wie sie Applikations-Server bieten, einen selbstentwickelten Object Request Broker (ORB), Messaging-Funktionen sowie Transaktions-Management. Auch ist der Datenaustausch mit Hilfe der Metasprache Extensible Markup Language (XML) möglich, und es besteht eine enge Integration mit CAs Agenten-Technologie "Neugents" (siehe Kasten). Die benötigten Tools für die XML-Unterstützung, die Entwicklung von Neugents-Anwendungen und solchen gemäß dem Komponentenmodell Enterprise Javabeans (EJB) hat der Hersteller jetzt mit der Übernahme von Sterling Software und dessen "Cool"- Suite erhalten. Geplant ist auch eine enge Kopplung der Plattform mit der schon im April 1998 angekündigten System-Management-Software "Unicenter TND (The Next Dimension)", die innerhalb der nächsten Monate ausgeliefert werden soll. Insider gehen davon aus, dass eine Verschmelzung beider Produkte künftig nicht auszuschließen ist.

Jasmine ii nimmt fortan eine zentrale Rolle in CAs E-Business-Strategie ein. Die Plattform dient dabei nicht nur als Basisinfrastruktur für die Anwendungsintegration, sondern vor allem auch als Grundlage für neue Geschäftsapplikationen. Der Hersteller kündigte in diesem Zusammenhang zum dritten Quartal die "Jasmine I-Application Suite" an. Diese enthält Unternehmensanwendungen, die Kunden den Aufbau ihres B-to-B- und B-to-C-Geschäfts über das Web ermöglichen sollen. "Unternehmen konnten bisher keine umfassende E-Business-Umgebung erstellen, die eine dynamische Personalisierung des Angebotes, eine ansprechende Benutzeroberfläche und nahtlose Integration der Geschäftsprozesse zugleich enthielt. Wir glauben, dass dies nun möglich ist", verkündete Chief Executive Officer Charles Wang.

Im Einzelnen enthalten die I-Applications die Produkte "I-Market" für die Auftragsbearbeitung in E-Commerce-Sites, "I-Procure" für das Beschaffungswesen sowie "I-Services", das unter anderem für die Finanzverwaltung zuständig ist.

Als Kunden für Jasmine ii, I-Applications und die Neugents-Anwendungen will CA künftig auch Internet-Service-Provider (ISP) und Application-Service-Provider (ASP) gewinnen. So verwies Yogesh Gupta, Senior Vice President E-Business-Strategy, beispielsweise auf die Kooperation mit dem taiwanischen Computerbauer Acer oder die Handelsplattform für Reedereien www.onesea.com. Letztere wird mittlerweile von zwölf großen Unternehmen genutzt und ist die größte ihrer Art in einem 500 Milliarden Dollar schweren Markt. Gefragt, ob CA auch einen eigenen Online-Marktplatz aufbauen wolle, sagte Kumar lediglich, dass gewisse Aktivitäten geplant seien.

Die andere wichtige Säule der E-Business-Strategie sind die genannten Neugents. Bisher war die Technologie nur für "Unicenter TNG" erhältlich und ließ sich für die Auswertung von Messdaten konfigurieren, um drohende Performance-Engpässe im Netzwerk rechtzeitig aufzuspüren. Nun soll die auf künstlicher Intelligenz basierende Software auch Geschäftsprozesse beobachten und auswerten helfen.

Intelligente Analyse mit BizworksCA präsentierte hierzu auf der Konferenz das auch als "E-Business-Intelligence Suite" bezeichnete Framework "Bizworks 1.0". Dieses besteht aus der Neugents-Technik, Jasmine ii, Workflow-Funktionen und Key Performance Indicators (finanzwirtschaftliche Kennzahlen sowie Indikatoren für Zielvorgaben und strategische Leistungsziele). Bizworks fällt in erster Linie die Aufgabe zu, Geschäftsanwendungen von CAs E-Business-Tochter Interbiz sowie von anderen Anbietern einzubinden und Analyseergebnisse ansprechend darzustellen. Interbiz entwickelt derzeit auch erste Neugents-basierte "Analysewerkzeuge für den Manager", die Betrugsvorfälle und Rechnungsvergehen beim elektronischen Handel aufspüren sollen. Die Ergebnisse werden ebenfalls mit Hilfe hochentwickelter Visualisierungstechniken, die auch für Unicenter und Jasmine ii zur Verfügung stehen, dargestellt und lassen sich zum Beispiel in dreidimensionaler Form präsentieren.

Anwender sollten sich jedoch über die Komplexität von Neugents-Anwendungen im Klaren sein. So muss die Definition von Mustern und Regeln den Gegebenheiten in den Unternehmen angepasst werden, wofür jedoch Detailkenntnisse über die internen Abläufe die Voraussetzung sind. Neuronale Netze sind komplizierte Algorithmen. Um sie zu trainieren und zu initialisieren, bedarf es sehr genauer und vollständiger Vorgaben sowie einer guten Datenbasis. Schon im letzten Jahr hatten Experten empfohlen, sich bei Neugents- Projekten auf eine lange Einführungsphase einzustellen. Nicht nur die Definition von Regeln verlange den Unternehmen einiges an Arbeitskraft ab, so das Urteil, sondern auch die Neugents selbst benötigten eine gewisse Vorlaufzeit. Typischerweise beanspruchen neuronale Netze eine Frist von drei Monaten, um funktionsfähig zu sein. In dieser Zeit beobachten sie Vorgänge und bauen sich eine Datensammlung auf, auf deren Basis spätere Entscheidungen getroffen werden.

Neben den Neuheiten galt das Interesse vor allem der Integration der Produkte, die CA 1999 mit Platinum sowie vor allem im Februar 2000 mit Sterling Software erworben hatte. Die CA-Vorderen meldeten hierzu in der Südstaaten-Metropole den offiziellen Abschluss der Sterling-Akquisition und betonten nochmals die strategische Bedeutung des Deals. So bringe Sterling zum einen rund 20 000 zusätzliche Kunden sowie 3800 Mitarbeiter mit in die Ehe, die insbesondere CAs Servicemannschaft aufstocken helfen sollen.

Zum anderen gilt vor allem Sterlings Netz- und Speicher-Management-Portfolio als Zugewinn. Bisher verfügte CA vornehmlich über entsprechende Produkte für Client-Server-Umgebungen. Nun kommen solche für das Großrechner-Betriebssystem OS/390 hinzu und verhelfen CA nach eigenen Angaben zu einer End-to-End-Lösung in diesem auch hierzulande noch großen Markt. Konkret will das Unternehmen Sterlings Speicher-Management-Produkte "Alexandria", "Lifeguard" und "Vantage" sowie die Automatisierungs-Lösung "Solve Operations" in Unicenter integrieren. Gleiches gilt für die Netzwerk-Management-Tools "Solve Netmaster SNA" und "Solve Netmaster TCP/IP", die auf Basis von Unicenter eine Brücke zwischen SNA- und TCP/IP-Netzen bauen. Die Helpdesk-Lösung "Solve Central Helpdesk" soll zudem Teil von CAs Produktlinie "Service Desk" werden.

Überlappungen zwischen den diversen Produkten zeigen sich hingegen bei den Modellierungswerkzeugen. So will CA beispielsweise Platinums Design-Tool "Erwin" und Sterlings Analyse- und Modellierungswerk-zeuge "Cool:Biz" weiternutzen. Für Sterlings "Cool:DBA" und "Cool:Business Team" gibt es hingegen keine Zukunft. Die Anwender sollen vielmehr künftig auf nicht näher bezeichnete CA-Lösungen überführt werden. Zu Überschneidungen kommt es auch bei den Business-Intelligence-Produkten. So will CA nun Sterlings Olap-Server "Eureka Suite" und das eigene Produkt "Decisionbase", vormals Platinums "Infobeacon", zusammenführen. Bei den Reporting-Lösungen wird es vorerst aufgrund der noch bestehenden Kundenbasis zwischen Sterlings "Eureka Reporter" und Platinums "Forrest & Trees" zu einer Koexistenz kommen.

Wann die Integration der genannten Produkte vollbracht ist, konnte Sanjay Kumar allerdings nur grob benennen. Technisch sollen einige der angeführten Programme innerhalb der nächsten drei bis vier Monate Programmier-Schnittstellen zu Jasmine ii erhalten. Mit einer bidirektionalen Backend-Integration in Jasmine ii ist hingegen für die meisten Produkte nicht vor Ende des Jahres zu rechnen.

Um eine nachvollziehbare, lösungsorientiertere Ausrichtung des offiziell auf über 600 Produkte bezifferten Portfolios zu erzielen, hat CA zudem eine Neugliederung in drei Geschäftsbereiche angekündigt, die innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein soll. Künftig wird jedem von ihnen eine Sales-, Services- und Finanzabteilung zugewiesen, die bisherige Position des Geschäftsführers durch Leiter der jeweiligen Divisionen ersetzt. So ist die Enterprise Management Group nun für Produkte wie Unicenter und solche für das Speicher- und Netz-Management zuständig. Die Information Management Group betreut Suiten wie die Sicherheitsprodukte "Etrust" und Jasmine ii. Die dritte Division konzentriert sich auf die OS/390-Produkte, ein laut Elizabeth Dambock, frischgebackene Managerin für Customer Relations und bisherige Senior Vice President Europe, "sehr lukrativer Geschäftsbereich".

Neue Firmenstruktur ohne GeschäftsführerCA reagiere nach Ansicht der Managerin mit der neuen Struktur auch auf Wünsche seitens der Kunden nach mehr Transparenz und Übersichtlichkeit des Portfolios. "Unicenter war im letzten Jahr sehr erfolgreich, aber viele Firmen wissen immer noch nicht, dass wir auch andere Produkte haben", sagte Dambock gegenüber der CW. Der von Insidern berichtete massive Fortgang von Managern aus der deutschen Dependance scheint indes nur teilweise etwas mit der Umstrukturierung zu tun zu haben. Allerdings verließ zumindest der bisherige Geschäftsführer Ralf Lommel laut Dambock das Unternehmen, da er sich in der neuen Struktur nicht wiederfand. Zum Weggang des umstrittenen Managers Jochen Haas und anderer sagte Dambock gegenüber der CW, einige Manager hätten "eine gewisse Leistungs- und Kommunikationsbereitschaft" nicht erbringen wollen.

Ob CA mit der noch laufenden Umstrukturierung und den Produkten für das E-Business Jasmine ii, Neugents und die Visualisierungs-Tools nun für Kunden und Marktbeobachter ein klares Zeichen gesetzt hat, bleibt abzuwarten. Jasmine ii zumindest wurde von Analysten weitgehend positiv aufgenommen. Doch noch eilt CA der Ruf voraus, nach über 70 Firmenakquisitionen in erster Linie ein Verwalter des mittlerweile unüberschaubaren Portfolios und seiner Benutzer zu sein. Zudem, so der Vorwurf von Marktbeobachtern, würden Produkte, wenn überhaupt, nur langsam und oftmals verspätet miteinander integriert, oder sie verschwinden ganz von der Oberfläche.

Abb.: Mit Jasmine ii stellt CA eine komplexe Integrationsplattform bereit. Sie ermöglicht die Anbindung bestehender Systeme und den Aufbau einer objektorientierten Anwendungslandschaft. Zudem stehen Visualisierungsfunktionen und die neuronale Agententechnik "Neugents" zur Verfügung. Eine Integration in das künftige Unicenter TND ist geplant. Quelle: CA