Eine Gratwanderung zwischen Projekt-Management und PPS

C-Techniken eignen sich auch für Einzel- und Kleinserien-Fertigung

13.11.1992

Die realisierten Lösungen der C-Technologien - von CAD einmal abgesehen - stammen zumeist aus typischen Unternehmen mit Serienfertigung. Hier sind die notwendigen Voraussetzungen einer DV-unterstützten Abwicklung gegeben. Damit ist die Frage berechtigt, ob C-Technologien auch in der Einzel- und Kleinserienfertigung zum Tragen kommen können, in der die Variantenvielfalt groß und gerade die Abweichung vom Normalen die Regel ist.

Die gesamte Überlegung steht unter der Prämisse, daß der wichtigste Faktor des CIM-Ansatzes in der Integration liegt. Entscheidend ist, ob es gelingt, verschiedene Funktionen der Auftragsabwicklung in einem logischen Zusammenhang zu verknüpfen.

Ob diese Integration im folgenden ein Computer nachvollzieht, ist nur noch eine Frage des Handwerkszeugs. Dies ist auch dann noch richtig, wenn man akzeptiert, daß die einzelnen Funktionen bei der Einzel- und Kleinserienfertigung doch sehr unterschiedlich sein können.

Es gilt, die verschiedensten Einzeltätigkeiten zu koordinieren, die zur Ausführung eines vom Kunden übertragenen Geschäfts notwendig sind und die in aller Regel von unabhängig handelnden, selbständig entscheidenden und zeitlich entkoppelt arbeitenden Personen oder Abteilungen ausgeführt werden. Es muß dabei klar sein, daß Auftragsabwicklung bereits mit dem Kundengespräch vor Auftragsabschluß und dessen qualifizierter Dokumentation beginnt und in der Folge die Funktionen der Bereiche Vertrieb, Konstruktion, Produktion und After-Sales-Service einschließt.

Diese Abwicklungsstufen sind zumindest bei den Unternehmen einer Branche stets dieselben. Sie hängen nicht von der Größe des Unternehmens, sondern nur von der Auftragsart ab.

Die Aktivitäten der einzelnen Bereiche sind die Objekte, die auf ein gemeinsames Ziel zusammenzuführen sind. Dazu gehört auch die Dokumentation aller Tätigkeiten der Sammlung, Speicherung, Auswertung und Verarbeitung von Informationen. Es ist eine einheitliche, stets aktualisierte Informationsbasis zu schaffen, und die operativen Entscheidungsbefugnisse müssen auf ausreichend informierte, dezentrale Stellen verteilt sein.

Entsprechend dieser Grundsätze wurde die Auftragsabwicklung für ein auftragsbezogen agierendes Mittelstandsunternehmen konzipiert. Die Firma Schaudt Maschinenbau GmbH in Stuttgart produziert pro Jahr zirka 100 - zumeist CNC-gesteuerte - Rundschleifmaschinen, von denen nur in Ausnahmefällen zwei gleich aussehen.

Die Auftragsstückliste einer solchen Maschine umfaßt auf der Baugruppenebene etwa 200 festzulegende Positionen, die aus einem Vielfachen an Einzelteilen bestehen. Bestimmte Teile legt die Fertigung mit einer Losgröße von sechs Stück auf, spätestens ab dem ersten Vormontageschritt bleibt nur noch Einzelfertigung. Damit ergibt sich notgedrungen eine Abwicklungszeit von acht bis zwölf Monaten, wenn ohne spezifische Sondermaßnahmen und Chef-Eingriffe gearbeitet wird.

Die Bedeutung einer effizienten Auftragsbearbeitung, kann man am besten erfassen, wenn man die Wertentwicklung beim Produktionsprozeß einer Werkzeugmaschine betrachtet (vgl. Abbildung 1). Bei einem durchschnittlichen Umsatz von 850000 bis einer Million Mark für eine Maschine und einer Abwicklungszeit von zirka zehn bis zwölf Monaten läßt sich leicht nachvollziehen, welche Kapitalbindung schon ein einzelner Auftrag nötig macht.

Aufgaben des Produktionsplanungs- und -steuerungs(PPS)-Systems ist es daher vorrangig, die Fertigungszeit so kurz wie möglich zu halten. Daraus ergeben sich die strukturellen Anforderungen der Abgrenzung selbständig arbeitender Teilsysteme, die unter sich Daten austauschen, und der Möglichkeit des Zugriffs auf aktuelle Daten zur Informationsabfrage bis hinunter zur operativen Führungsebene. Ferner müssen die Abwicklungsdaten jederzeit auf die Terminvorgaben zu beziehen sein.

Die strategische Zielsetzung jeder PPS ist klar (vgl. Abbildung 2). Es gilt, die Kapazitäten in den leistungserstellenden Bereichen synchron gleichmäßig auszulasten und in der Balance zu halten. Gleichzeitig ist aber unter Finanzierungs- beziehungsweise Liquiditätsgesichtspunkten sicherzustellen, daß dem Ressourceneinsatz stets ein angemessener Geldzufluß infolge pünktlicher Auslieferung von Maschinen gegenübersteht. Umgesetzt auf die operative Ebene bedeutet dies, daß das Instrumentarium den augenblicklichen Arbeitszustand der einzelnen Aufträge sowie die momentane Belastung der einzelnen Kapazitätseinheiten jederzeit transparent machen kann.

In der Einzel- und Kleinserienfertigung ist wenig Gewicht auf die starre Vorbestimmung von Abläufen, Reihenfolgen und Vorschriften zu legen. Die Störungsmöglichkeiten sind so vielfältig und deren Eintreffen so sicher, daß jede starre Zukunftsplanung schon überholt ist, ehe die entsprechenden schriftlichen Anweisungen ausgedruckt und verteilt sind.

Vielmehr ist es entscheidend jederzeit Aussagen über den momentanen Stand der einzelnen Aktivitäten treffen zu können und den wahrscheinlichen Abschluß des Vorganges jeweils neu zu terminieren.

Neben dieser Konzeption gibt es eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines entsprechend komplexeren Systems. Die Datenbestände zu Vertrieb, Konstruktion und Produktion müssen identisch oder nach festgelegten Regeln ohne Interpretationsbedarf ineinander zu überführen sein.

Dies ist im meist mittelständischen Maschinenbau keine Selbstverständlichkeit. Nur die unverwechselbare Umsetzung einer vom Vertrieb ausgehandelten Auftragsposition in eine eindeutige Baugruppenstückliste ermöglicht aber eine einigermaßen richtige Disposition und eine planmäßige Montage.

Die Festschreibung der Unterlagen im System beginnt bei der Formulierung von Angebots- beziehungsweise Auftragstexten. Die technischen Parameter, die zu einer Maschine festgelegt werden, sind in festen Textbausteinen dokumentiert, die nur dann zur Benutzung freigegeben sind, wenn hierzu eine konstruktive Lösung - formuliert als Stückliste - vorliegt oder der Konstruktionsauftrag für eine neuartige Lösung von der Konstruktionsleitung akzeptiert ist.

Das Gesamtsystem zur Auftragsabwicklung der Firma Schaudt bewältigt all diese Aufgaben auf drei Ebenen. Auf der ersten geschieht die Leistungserstellung. Sie umfaßt mit den Bereichen Konstruktion und Produktion die Umsetzung des Auftrags zunächst in eine gültige Stückliste sowie die Planung, und Steuerung der Produkterstellung selbst. Dieser Weg ist eindeutig eine Einbahnstraße in Richtung Produkterstellung.

Rückkopplungen zwischen planenden und ausführenden Bereichen dagegen sind auf den beiden Ebenen erforderlich, auf denen einmal gemachte Erfahrungen in zukünftige Auftragsinhalte und Leistungen umzusetzen sind. Dies gilt zum einen für die Störgrößenerfassung, welche die Wiederholung einmal gemachter Fehler vermeiden soll, und zum anderen für

die Datenaufbereitung von Technologiedaten, durch die sich erarbeitete Problemlösungen analog wiederverwenden lassen sollen.

Setzt man diese Organisation in einzelne Leistungsbausteine um, so ergibt sich ein eng verflochtenes Netz verschiedener Systemelemente für jeweils eine bestimmte Funktion von der Formulierung des Auftrages bis zur Montagesteuerung und Rückmeldung der Erfahrungen, die in enger Kommunikation zueinander wirken müssen.

Die einzelnen Bausteine repräsentieren dabei in ihrer Abgrenzung zueinander weitgehend die Organisationseinheiten, die an der Auftragsabwicklung beteiligt sind. Damit steht für jeden Abwicklungsschritt ein spezifisch zugeschnittenes Instrument bereit, das durch Kommunikationsverbindungen

mit den anderen synchronisiert ist.

Unverzichtbar ist eine zentrale Terminplanung und Terminverfolgung aller auftragsbezogenen Aktivitäten. Die dafür zuständige Abteilung bei der Firma Schaudt heißt Logistik, in vielen Unternehmen Auftragsleitstelle. Nach den Konstruktionstätigkeiten ist die Abwicklung in die Teilefertigung und die jeweiligen Montagestufen unterteilt, für die es entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen verschiedene Hilfsmittel geben muß.

Wichtigster Baustein ist die gesamte Terminplanung (vgl. Abbildung 3), die vom Liefertermin ausgehend rückwärts vollzogen wird und auf festgelegten Standardzeiten für die verschiedenen Abschnitte der Produktion aufbaut. Diese Werte sind aus Erfahrungen abgeleitet. Ergibt die automatische Terminierung, daß die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht, so können die Verantwortlichen manuell eingreifen.

Die Produktionstermine sind auch Grundlage einer Kapazitätsplanung, die automatisch abläuft. Führt diese zu keinem ausgeglichenen Ergebnis, läßt sie sich noch korrigieren.

Charakteristisch für das durchgängige PPS-System ist, daß sich Konstruktions- wie Produktionsvorgänge gleichermaßen nach der gleichen Systematik planen und bezüglich der pünktlichen Abwicklung überprüfen lassen.

Planstart und Planende sind fest fixierte Eckdaten. Die einzelnen Montagevorgänge müssen ebenfalls zentral zu überprüfen sein. Für jede in Auftrag gegebene Maschine ist in einer Zeile der Terminliste der vollständige Ablauf ab dem Montagebeginn dokumentiert, wobei die Aufgliederung in funktionsbezogene Baustufen die Orientierung erleichtert und gezieltes Eingreifen ermöglicht. Diese Auflistung ist das zentrale Steuerungsinstrument der Montageabwicklung und dient allen Führungskräften zur ständigen Kontrolle und Aktualisierung. Die Verantwortlichen besprechen alle aktuellen Aufträge vier Monate vor Lieferung wöchentlich.

Die Schnittstelle zur Teilefertigung ist durch eine Zustandsdarstellung der Teileverfügbarkeit für die Montage repräsentiert. Sie zeigt, welche Teile zum Montagebeginn fehlen und welche Restfertigungszeit sie bei normaler Abwicklung noch haben. Auch hier können die Führungskräfte beschleunigend intervenieren.

Den fertigenden Abteilungen selbst steht die Gesamtheit der Aufträge ihrer Kostenstelle komprimiert auf den augenblicklichen Zustand als Belegungsliste zur Verfügung. Diese ist nach der Dringlichkeit der einzelnen Aufträge sortiert, so daß die Abarbeitung nach der vorgegebenen Reihenfolge vorgesehen ist.

Die Erfahrungen bei Schaudt belegen; daß C-Techniken nichts anderes als die konsequente Systematisierung von bekannten Vorgängen sind. Auch die Einzel- und Kleinserienfertigung hat demnach keinen Grund, sich dieser Systematisierung zu entziehen. Sicher ist das Verhältnis zwischen Vorbereitungsaufwand und Zahl der abzuwickelnden Vorgänge nicht so günstig wie in der Großserie - der mögliche Rationalisierungseffekt kann aber ungleich großer sein.

*Dr. Peter Herrmann ist technischer Geschäftsführer der Firma Schaudt Maschinenbau GmbH, Stuttgart.