"Byteweise" DV-Leistung für Kreativ-Bereiche

18.08.1978

"Ein umfassendes DV-gestütztes Informationssystem für den Bereich Marketing ist kaum zu realisieren, weil gerade die 'kreativen' Abteilungen eines Unternehmens - speziell bei den Markenartikeln - über sehr hohe Budgets verfügen, die verbraucht werden müssen. Und die Datenverarbeitung hilft ja sparen", so Sighart Rotter, EDV-Chef bei Gervais Danone in München, der diese Aussage ganz sicher nicht boshaft meint: "Oft verkaufen Marketing-Partner, wie Promotion-Service, Werbegesellschaften und andere Kreativ-Zulieferer auch noch dort Kreativität, wo es sich um ganz nüchterne Datensammlung und -berechnung handelt." Aus eigener Erfahrung weiß Rotter, wie schwer es ist den Informationsbedarf einer Marketing-Abteilung zu ermitteln. Abgesehen von den reinen Marketing-Strategien, größeren taktischen Konzepten und werblichen Überlegungen kann seiner Meinung nach "gut die Hälfte der anfallenden Marketing-Daten von der EDV abgewickelt werden. Sammeln und Vergleichen von Informationen sowie Berechnen von Trend-Entwicklungen hat mit Kreativität nichts zu tun". Bei Gervais Danone arbeiten die Marketing-Spezialisten - wenn auch nur in Teilbereichen - mit der EDV. Die entsprechenden Programme werden fast ausschließlich selbst programmiert, wie auch bei den, vier anderen Markenartikel-Herstellern, deren EDV- und Marketing-Chefs CW diesmal gebeten hat, über ihre Zusammenarbeit zu berichten. hö

Herbert Hauswald, Hauptabteilungsleiter EDV (...)endax-Wierke R. Schneider GmbH, & Co., Mainz

Vor einigen Jahren haben wir versucht, in Zusammenarbeit mit der Firma dse ein Prognosemodell zu erarbeiten: Lodse (Lager-Optimierung dse). Dabei konnten wir feststellen, daß der statistisch-analytische Teil, der beinahe 80 Prozent des gesamten Entwicklungsaufwandes in Anspruch nahm, zwar äußerst wertvoll, der Aufwand jedoch um den Prognoseteil langfristig am Leben zu erhalten, zu aufwendig war. Hierzu wäre erforderlich gewesen, daß ständig hochqualifizierte Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt sind, permanent an den "Stellschrauben" des Systems zu arbeiten, laufend die Parameter verändern und wirklich jede Gegebenheit im Markt in das System einzugehen. Ebenso alle eigenen Maßnahmen wie etwa die Politik der Rabattgestaltung oder des Vertreteranreizes. Beispielsweise kann man ein Produkt auf den Markt bringen, das für den Kunden einen hohen Anreiz hat, nicht aber für die Außendienstmitarbeiter oder umgekehrt. Das aus solchen Situationen resultierende Absatzverhalten muß ständig beobachtet und in das System übernommen werden, um es langfristig aussagefähig zu erhalten

Mittlerweile arbeiten wir nicht mit sondern sind zurückgekehrt zu den "normalen" Verkaufsinformationen und -statistiken, die - nach unterschiedlichsten Kriterien gestaltet - dem Vertrieb zur Verfügung stehen. Mit Hilfe dieser Aussagen wird der Vertrieb gesteuert und Prognosen erarbeitet. Seit in allen unseren Außenstellen intelligente Terminalsysteme eingesetzt sind, können wir "tagfrische" Informationen über die Auftragseingänge bereitstellen - wichtig vor allem für die Nachschub-Disposition. So haben wir die Möglichkeit, auf alle sich andeutenden Veränderungen des Marktes umgehend zu reagieren und sogar - im Extremfall - in die laufende Produktion einzugreifen.

Für die Zukunft denken wir an Online-Verarbeitung unter Einsatz von Datenbank-Konzeptionen. Derzeit gehen auch Überlegungen dahin, einen Programmgenerator in den Fachabteilungen einzusetzen, um den Mitarbeitern zu ermöglichen, sich kurzfristig ihre eigenen Statistiken zusammenzustellen und abzurufen. Allerdings gibt es hier Probleme, da in diesem Fall die Fachabteilung über EDV-Know-how verfügen muß, und so leicht, wie die Anbieter von Auswertungsgeneratoren es versprechen, kann das erforderliche Wissen nicht vermittelt werden.

Klaus Kröner, Abteilungsleiter in der Marktforschung B.A.T. Cigaretten-Fabriken GmbH, Hamburg

DV-gestützte Informationssysteme für Marketing, Marktforschung, Werbung und Verkaufsunterstützung werden seit Mitte der 60er Jahre in unserem Hause eingesetzt.

Um unsere Forderungen an ein solches System der EDV-Abteilung gegenüber exakt beschreiben zu können, wird das Problem erst einmal intern definiert. Im Anschluß daran erarbeitet eine Projektgruppe, die sich aus DV- und Marketing-Spezialisten zusammensetzt, entsprechende Lösungen, Die Problemlösungen, also die geeignete Software, wird entweder im eigenen Haus programmiert oder als Standardprogramm von einem entsprechenden Anbieter gekauft.

Die endgültige Entscheidung über den Einsatz eines Paketes trifft der sogenannte "DV-Ausschuß", in dem sich die Vorstände für Marketing, Finanzen, Produktion und Personal sowie die Leiter der Datenverarbeitung und Organisationsabteilung zusammensetzen. Basis für die Entscheidung ist der Vorschlag unserer Projektgruppe.

Durch das Vordringen der EDV-Leistung in unsere Fachbereiche erhalten wir heute bessere, schnellere und umfassendere Informationen. Dadurch werden weiterführende Analysen oder auch die Überprüfung von Alternativen, Denkansätzen beziehungsweise Modellen in kürzerer Zeit möglich. Um zum Beispiel die Erstellung von Absatzprogrammen, Absatzprognosen bei der Vielzahl von Artikeln und Teilmärkten in unserer Branche entscheidend zu erleichtern, haben wir das Standard-Paket "Forsys" eingesetzt.

Walter Numrich, Leiter der Organisation Ferrero GmbH, Frankfurt

In unserem Haus arbeitet die EDV-Abteilung sehr eng mit der Marketing-Abteilung zusammen. Um die für diesen Bereich relevanten Informationen zu erhalten, setzen wir zumeist eigenerstellte Software ein. Basierend auf den in die EDV eingegebenen Lieferscheindaten haben wir ein sehr komplexes Auswertungssystem entwickelt. Beim Aufbau der hauseigenen DV-Abteilung etwa Anfang der 60er Jahre - wir arbeiten heute mit einer IBM 370/138 - wurde bereits größter Wert auf eine Verkaufsstatistik gelegt. Alle Artikel werden nach den Gesichtspunkten Reisende, Vertreterbezirk, Absatzweg, Verbände (wie etwa Edeka) ausgewählt, die entsprechenden Daten verdichtet und dem Verkaufsmanagement als wichtige Informationen zur Verfügung gestellt.

Im Bereich des Marketing gibt es eine eigene Marktforschungsabteilung, die spezielle Fragen an den Handel richtet, wie etwa Plazierung, Verkäufe und Bestände unserer Produkte. Um diese Informationen auswerten zu können, haben wir ein Programmpaket geschaffen, das aus etwa 30 bis 40 Programmen besteht, Die Fragebogen sind OCR-gerecht abgefaßt, werden über einen Belegleser eingelesen und

nach den unterschiedlichsten Kriterien aufbereitet - der Marketing-Abteilung als Listen zur Verfügung gestellt.

Im Bereich der Verbrauchermarktforschung wird die EDV noch nicht eingesetzt, der Wunsch danach aber auch von dieser Seite immer stärker. Ganz sicher aber wird hier eine der nächsten Anwendungen realisiert werden.

Bildschirme für die Marketing-Mitarbeiter sind vorerst noch nicht geplant, weil es sehr schwierig ist, das sehr umfangreiche Datenmaterial - wir drucken wöchentlich Berge von Papier aus - abfragbar aufzubereiten.

Franz Josef Ritter, EDV/Org.-Berater, Coca Cola GmbH, Essen

Bereits vor Jahren wurde einmal der Satz geprägt: "Die Coca Cola GmbH ist eigentlich ein Betriebsberatungsunternehmen, das nebenbei auch Getränkegrundstoffe herstellt." Unser Geschäftsprinzip heißt nämlich "Franchising": Alle Abfüllbetriebe sind eigenständige Unternehmen, die vom Herstelle neben den Rohstoffen und dem Coca-Cola-Rezept auch das gesamt Know-how für Technik und Marketing beziehen. Eine unserer sechs Hauptabteilungen ist zuständig für Informationssysteme und versorgt die Konzessionäre mit DV-Auswertungen wie Verkaufs-Statistiken, Unterlagen für Marketing-Aktionen und Betriebskosten-Analysen.

Die Coca-Cola-Konzessionäre arbeiten mit einem IBM-System und dem von Coca Cola in zusammengerechnet 130 Mannjahren entwickelten integrierten Programmsystem "Bottlers Accounting" (BASIS), das inzwischen über 70mal installiert werden konnte. Das Paket besteht aus 300 in RPG Il geschriebenen Einzelprogrammen und mehreren Assmbler-Routinen. 30 unterschiedliche Anwendungsbereiche liefern die Daten für den engeren Bereich der Verkaufsabrechnung und Berichte über Marketing, Produktion und Lagerhaltung. Obwohl "Basis" in erster Linie als Abrechnungs- und Verkaufs-Informationssystem für unsere Konzessionäre gedacht ist, liefert es aber über eine integrierte Verkaufsdatenbank Absatzzahlen an die zentralen Informationssysteme der Hauptverwaltung in Essen.

Für die Verarbeitung auf eine 370/148 im RZ schicken unsere Vertragspartner Disketten nach Essen. Um dieser enormen EDV-Anwendung gerecht zu werden, suchten wir bereits 1973 nach einem geeigneten Datenbank-System. Als auf dem Markt nichts derartiges zu finden war, erteilten wir 1974 der GEI, Aachen, den Auftrag, ein DB-System zu entwickeln: Nims (Network Information Management System) und die strukturierte Programmiersprache Girl (General Information Report Language)wurden 1975 auf der damals installierten CDC 3300 realisiert und vergangenes Jahr auf die IBM 370/148 als dedizierte DB-Maschine übernommen.

Unser Marketing-Informations-System gilt als erstes und größtes seiner Art in Europa und ermöglicht heute die bundesweite Steuerung und Kontrolle der Verkaufsförderung.